In einem Musterprozess von Carglass und A.T.U – beides Mandanten der internationalen Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke – gegen den Fahrzeughersteller FCA Italy (Stellantis) hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Vorlage durch das Landgericht Köln eine wegweisende Entscheidung zugunsten des Wettbewerbs im Automobilsektor gefällt (Rechtssache C-296/22).
Fahrzeughersteller sind nach der Verordnung (EU) 2018/858 verpflichtet, allen Werkstätten Zugriff auf den Fahrzeugdatenstrom über den sogenannten On-Board-Diagnose(OBD)-Port der Fahrzeuge zu ermöglichen. Für die Reparatur und Wartung ist dies unerlässlich. Gleichzeitig sind Fahrzeughersteller verpflichtet, die Fahrzeugsicherheit zu gewährleisten. Die zu entscheidende Streitfrage war, ob ein Fahrzeughersteller mit Verweis auf die Fahrzeugsicherheit den Zugriff auf den OBD-Port eigenmächtig kontrollieren darf, indem er den Zugriff von einer persönlichen Registrierung des Monteurs und einer Internetverbindung des Diagnosegeräts zu einem von ihm bestimmten Server abhängig macht.
Der EuGH folgte den Klägern A.T.U und Carglass und traf die grundsätzliche Feststellung, dass die Erfüllung gesetzlicher Zugangsansprüche nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden darf, die vom Gesetzgeber (hier in der Verordnung (EU) 2018/858) nicht ausdrücklich erlaubt wurden. Der EuGH hielt fest:
„Könnten die Hersteller den Zugang zum direkten Fahrzeugdatenstrom im Sinne von Nr. 2.9 des Anhangs X der Verordnung nach Belieben beschränken, stünde es ihnen zudem frei, den Zugang zu diesem Datenstrom von Bedingungen abhängig zu machen, die ihn praktisch vereiteln könnten.“
Nach der Entscheidung des EuGH muss der Fahrzeughersteller die Fahrzeugsicherheit vielmehr durch die technische Konstruktion seiner Fahrzeuge gewährleisten („security by design“). Auch neue Anforderungen an die Cybersicherheit (insbesondere nach UN-Regelung Nr. 155) seien so umzusetzen, dass gesetzliche Zugangsansprüche Dritter nicht berührt werden.
„Die Bedeutung des Urteils reicht weit über den konkreten Sachverhalt hinaus. Der EuGH beantwortet eine Grundsatzfrage und macht deutlich, dass regulierte Zugangsansprüche exakt nach den jeweiligen gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen sind“, ordnet Marcus Sacré, Rechtsanwalt und Partner bei Osborne Clarke, die Entscheidung ein. „Es ist zu erwarten, dass alle Fahrzeughersteller diese Vorgaben des EuGH technisch und organisatorisch sofort umsetzen werden.“
Die Kläger wurden vor dem EuGH von Marcus Sacré, Elisabeth Macher und Paul Schmitz, alle Osborne Clarke, vertreten.
FCA Italy SpA wurde von Dr. Marc Ruttloff und Dr. Christian Steinle (beide Gleiss Lutz) beraten.