Finanzdienstleistungen

Das Fondsmarktstärkungsgesetz als Booster für die Energiewende (?)

Veröffentlicht am 22nd Jan 2025

Erleichterungen bei der Risikomischung bei Bürgerbeteiligungen im Bereich erneuerbarer Energien

Blurry numbers on digital screen

Die öffentliche Infrastruktur in Deutschland leidet unter einem massivem Investitionsstau. Gleichzeitig bedarf es für die angestrebte Transformationen hin zu einer emissionsfreien Energieversorgung enormer Investitionen. Mit staatlichen Investitionen allein wird diese Aufgabe nicht zu bewältigen sein. Der Gesetzgeber versucht seit längere mit einer Reihe von Anpassungen die Bedingungen für private Investitionen in Infrastrukturprojekte, insb. der erneuerbaren Energieerzeugung zu verbessern.

Die Bundesregierung hat am 27. November 2024 den endgültigen Entwurf für ein Fondsmarktstärkungsgesetz („FoMaStG“) vorgelegt. Das FoMaStG soll nicht nur die AIFMD II umsetzen (siehe hierzu der Osborne Clarke Insight vom 24. Oktober 2024), sondern auch einige darüberhinausgehende bzw. rein nationale Neuerungen im Kapitalanlagegesetzbuch („KAGB“) einführen. Außerdem sollen Infrastrukturinvestitionen angekurbelt werden: Hierfür soll es Anbietern geschlossener Publikums-AIF mit Blick auf die vorgeschriebene Risikomischung erleichtert werden, Bürgerbeteiligungen im Bereich der Anlagen zur Erzeugung, zum Transport und zur Speicherung von Strom, Gas oder Wärme aus erneuerbaren Energien („EE-Anlagen“) aufzulegen. Die Änderung soll bereits zum 1. Juli 2025 gelten.

Nach dem Bruch der Ampel-Koalition dürfte es wohl eher unwahrscheinlich sein, dass das FoMaStG noch vor den avisierten Neuwahlen im Februar 2025 verabschiedet wird. Da das FoMaStG aber größtenteils der Umsetzung der AIFMD II dient und für den deutschen Gesetzgeber – gleich in welcher Konstellation – die „Umsetzungsuhr“ tickt, dürften wohl auch die weiteren Inhalte des FoMaStG kurzfristig umgesetzt werden.

Hintergrund

Geplante Investition in EE-Anlagen gehen nicht selten mit der Idee einher, dass sich Anwohner:innen an der Investitionen beteiligen können sollen. Häufig machen Gemeinden eine solche Bürgerbeteiligung an einer EE-Anlage zur Bedingung für ihre Zustimmung zu deren Errichtung. Das Bürgerenergiegesetz NRW („BürgEnG NRW“) verlangt sogar ausdrücklich die Beteiligung von betroffenen Personen und Gemeinden bei der Errichtung einer Windenergieanlage.

In der Idealvorstellung kann die Kommune so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen:

  1. Anwohner:innen, die mit in den Bau einer Photovoltaik-Anlage oder eines Windparks investieren, werden vermutlich weniger darüber meckern.
  2. Durch zusätzliche private Gelder lassen sich Projekte (finanziell) schneller umsetzen.

Rechtliche Möglichkeiten für die Strukturierung von Bürgerbeteiligungen gibt es viele. In der Praxis werden private Investor:innen allerdings häufig in einem Bürgerbeteiligungsvehikel gebündelt, das dann Vermögensanlagen in Form von Nachrangdarlehen oder Genussrechten an die Investor:innen ausgibt.

Die Ausgestaltung als Genossenschaft scheitert häufig am engen Genossenschaftszweck: Dieser muss als eigenständiger Förderzweck genossenschaftlich zulässig und demnach darauf gerichtet sein, den Erwerb oder die Wirtschaft der Mitglieder der Genossenschaft durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Die reine Kapitalanlage ist allerdings in der Regel als genossenschaftlicher Förderzweck unzulässig.

Eine Strukturierung eines Bürgerbeteiligungsvehikels als geschlossener Publikums-AIF scheiterte bislang häufig am Grundsatz der Risikomischung. Dieser ist ein zentrales Prinzip im KAGB, insbesondere für geschlossene Publikums-AIF. Im Einklang mit dem Grundsatz der Risikomischung müssen geschlossene Publikums-AIF ihre Investitionen so streuen, dass die Gefahren eines Klumpenrisikos bei der Investitionsentscheidung minimiert werden. Ein geschlossener Publikums-AIF soll grds. nicht in ein einziges Projekt bzw. einen einzigen Vermögensgegenstand investieren, sondern muss eine Diversifikation seiner Investitionen sicherstellen. Durch die Diversifikation und damit die Mischung möglicher Verlustrisiken soll eine erhöhte Sicherheit für die Investor:innen erreicht und deren Verlustrisiko begrenzt werden.

Grundsatz der Risikomischung – aktuelle Rechtslage

Ein geschlossene Publikums-AIF muss

  • entweder in mindestens drei im Wesentlichen gleichwertige Sachwerte (z.B. Immobilien, Windparks oder Photovoltaik-Anlagen) investieren (quantitative Risikomischung) investieren
  • oder so investieren, dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Streuung des Ausfallrisikos gewährleistet ist (qualitative Risikomischung).

Eine qualitative Risikomischung kann bei Immobilien etwa durch verschiedene Nutzungsarten (Wohnraum, Gewerbe, Einzelhandel) oder eine Mieterstruktur mit unterschiedlicher Branchenzugehörigkeit oder Bonität erreicht werden (z.B. ein Shopping-Center), in dem eine Vielzahl unterschiedlicher Mieter unterschiedliche Flächen anmieten.

Hierbei macht es grds. keinen Unterschied, ob der Publikums-AIF selbst unmittelbar oder über eine oder mehrere dazwischengeschaltete Gesellschaften oder Zielfonds investiert, solange diese gemäß dem Grundsatz der Risikomischung investieren (look-through).

Zur Erfüllung des Grundsatzes der Risikomischung hat die KVG ab Beginn des Vertriebs 18 Monate Zeit.

Bedeutung

Für den Markt der erneuerbaren Energien hat der Grundsatz der Risikomischung erhebliche praktische Auswirkungen. Investitionen in EE-Anlagen sind häufig kapitalintensiv und mit spezifischen Risiken verbunden, wie z.B. regulatorischen Änderungen oder technologischen Entwicklungen. Mitunter kann ein geschlossener Publikums-AIF etwa gezwungen sein, in EE-Anlagen an drei unterschiedlichen Standorten zu investieren, um eine (quantitative) Risikomischung zu erreichen; die Ausweichmöglichkeit auf die qualitative Risikomischung, wie sie bei Immobilien gegeben sein mag, erscheint hier i.d.R. fernliegend.

Geplante Erleichterung durch FoMaStG – Ausnahme für Bürgerenergiebeteiligungen

Das FoMaStG plant eine Ausnahme vom Grundsatz der Risikomischung, wenn

  • KVGen für geschlossene Publikums-AIF ausschließlich in EE-Anlagen investieren und
  • ausschließlich solche Investor:innen in den geschlossenen Publikums-AIF investieren dürfen, die in der Gemeinde oder einer unmittelbar an diese angrenzenden Gemeinde, in deren Gemeindegebiet sich die EE-Anlage befindet bzw. befinden soll, ihren Haupt-/Nebenwohnsitz oder Grundstückseigentum haben.

Die Ausnahme soll nicht an eine Mindestanlagesumme der Privatanleger geknüpft sein.

Begründung

Der Gesetzgeber beabsichtigt mit der Änderung eine Verbesserung der Möglichkeit von Bürgerenergiebeteiligungen. Unter anderem führt er die oben genannte Tatsache an, dass Gemeinden regelmäßig ihre Zustimmung zur Errichtung einer EE-Anlage an eine Bürgerbeteiligung knüpfen. Auch das BürgEnG NRW wird vorgebracht.

Geschlossene Publikums-AIF stellten zwar grundsätzlich ein taugliches Finanzierungs-/Anlageprodukt neben Nachrangdarlehen und Genussrechten dar. Allerdings scheiterten diese häufig am Grundsatz der Risikomischung. Als Beispiel nennt der Gesetzgeber, dass etwa für eine Bürgerbeteiligung von der Projektgesellschaft aus einem Windpark nur ein oder zwei Windenergieanlagen oder bei einer Photovoltaikanlage Anlagenteile separiert würden, die für die Beteiligung zur Verfügung gestellt würden. Diese separierten Teile genügten dann nicht mehr dem Grundsatz der Risikomischung.

Ambivalente Auffassungen der Branche

Die im Rahmen des Gesetzgebungsprozess eingeholten Stellungnahmen gehen in unterschiedliche Richtungen. Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) etwa sieht in der Neuregelung zwar nachvollziehbare und unterstützungswürdige Motive, zweifelt aber an der Praktikabilität. Es bestehe die Gefahr, dass die strenge Begrenzung des Anlegerkreises dafür sorgt, dass sich entsprechende Projekte nicht wirtschaftlich realisieren ließen. Die deutsche Kreditwirtschaft begrüßt hingegen die Neureglungen und insb. die Begrenzung des Anlegerkreises auf ansässige Bürger:innen.

Fazit

In Deutschland haben Infrastrukturprojekte nach wie vor ein Akzeptanzproblem. Widerstand der Kommunalpolitik sowie betroffener Bürger:innen verzögert oder verhindert die Projektrealisierung in aller Regel. Die Erfahrung zeigt, dass sobald die Möglichkeit für Gemeinden und Bürger:innen besteht, sich finanziell gewinnbringend an den Projekten zu beteiligen, die Akzeptanz für den Bau und Betrieb neuer EE-Anlagen wie Windparks oder Photovoltaikanlagen deutlich erhöht ist. Gleichzeitig beschleunigt dies die Umsetzung des Projekts.

Die neue Ausnahme vom Grundsatz der Risikomischung für Investitionen in EE-Anlagen in Gestalt einer Bürgerbeteiligung dürfte eine neue attraktive Finanzierungsform für Infrastrukturprojekte der Energieversorgung schaffen. Betrachtet man dies im Zusammenhang mit der – ebenfalls vom FoMaStG vorgesehenen – zukünftig geplanten Möglichkeit, geschlossene Publikums-AIF als Sondervermögen aufzulegen (siehe hierzu der Osborne Clarke Insight vom 25. November 2024), dürften geschlossene Publikums-AIF als Finanzierungs-/Anlagevehikel für Bürgerbeteiligungen einmal mehr attraktiv werden.

Teilen

* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

Sprechen Sie uns an

Wollen Sie häufiger von uns hören?

Wir informieren Sie über Insights, News und Events zu Ihren relevanten Themen.