Geschlossenes Publikums-Sondervermögen – kann das was?
Veröffentlicht am 25th Nov 2024
Zur Umsetzung der Änderungen der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds durch die Richtlinie (EU) 2024/927 (AIFMD II) liegt – als einer der letzten begonnenen Akte der nun zerbröckelnden Bundesregierung – der Regierungsentwurf für ein „Fondsmarktstärkungsgesetz“ (FoMaStG-E) vor; ob dieser in seiner aktuellen Form verabschiedet wird, bleibt abzuwarten – aktuell liegt der Ball beim Bundesrat.
Neben einer nahezu 1:1-Umsetzung der Vorgaben der AIFMD II sieht der FoMaStG-E weitere Änderungen des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) vor, die bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist der AIFMD II in Kraft treten sollen – unter anderem die Einführung einer neuen Rechtsform für bestimmte Publikumsfonds: Das geschlossene Publikums-AIF-Sondervermögen. Das FoMaStG-E sieht die Möglichkeit, geschlossene Publikums-AIF-Sondervermögen allein unter dem KAGB aufzulegen, bereits ab dem 1. Juli 2025 vor.
A. Einführung
Die Ausgestaltung alternativer Investmentfonds (AIF) sowie Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere (OGAW) in der Rechtsform des Sondervermögens erfreut sich seit jeher großer Beliebtheit. Während OGAW ohnehin – und unabhängig von ihrer Rechtsform – nur als offene Investmentvermögen aufgelegt werden können, stand die Rechtsform des Sondervermögens lange Zeit auch AIF als Gestaltungsvariante nur dann zur Verfügung, wenn diese als offene AIF konzipiert waren. Seit Inkrafttreten des Fondsstandortgesetzes (FoStoG) vor gut drei Jahren steht die Rechtsform des Sondervermögens auch geschlossenen AIF zur Verfügung, sofern es sich dabei um Spezial-AIF handelt. Für Publikums-AIF gibt es diese Möglichkeit bislang nicht.
B. Was sind AIF-Sondervermögen?
I. Organisationsform und Entstehung
Deutsche AIF können grundsätzlich nur in einer vom KAGB abschließend vorgesehenen Organisati-onsform aufgelegt werden (numerus clausus der Organisationsformen):
- AIF in Gesellschaftsform
- Investmentkommanditgesellschaft (Investment-KG) oder
- Investmentaktiengesellschaft (Investment-AG); odee
- AIF in Vertragsform: Sondervermögen
Aufgrund der mangelnden Rechtspersönlichkeit von Sondervermögen unterscheidet sich auch die Zuordnung der Assets von derjenigen bei AIF in Gesellschaftsform. Die Assets eines Sondervermögens können entweder im Miteigentum der Anleger (Miteigentumslösung) oder im Eigentum der KVG stehen, die die Assets treuhänderisch für die Anleger hält (Treuhandlösung). In der Praxis überwiegt grundsätzlich die Miteigentumslösung. In bestimmten Fällen (offene Immobilien-Sondervermögen) ist jedoch aufgrund des Aufwandes, den Anleger als Miteigentümer der zum Sondervermögen gehörenden Grundstücke verursachen würden, ausschließlich die Treuhandlösung zulässig.
II. Beteiligung am Sondervermögen
Bei AIF in Gesellschaftsform sind Anleger als Aktionäre bzw. Kommanditisten beteiligt.
Sondervermögen sehen hingegen keine Gesellschaftsanteile, sondern Anteilsscheine vor, die Anleger erwerben können. Das KAGB unterscheidet zwischen folgenden Varianten von Anteilsscheinen:
- in physischer Urkunde verbriefte Anteilsscheine sowie
- elektronische Anteilsscheine in elektronischem Wertpapierregister, geführt
- in zentralem Wertpapierregister oder
- in einem Kryptowertpapierregister (Kryptofondsanteile)
1. Physisch verbriefte Anteilsscheine
Eine physische Verbriefung von Anteilsscheinen in einer Sammelurkunde, die bei der Clearstream Banking AG (Clearstream) als Wertpapiersammelbank verwahrt wird, erlaubt Anteilsscheininhabern den Erwerb von Miteigentum an der Sammelurkunde entsprechend ihrer Beteiligung am Sondervermögen.
Vereinfacht gesagt werden die Anteile am Sondervermögen durch die Verbriefung depotfähig, wodurch sie schnell und unkompliziert übertragen werden können.
2. Elektronische Anteilsscheine
Elektronische Anteilscheine entstehen (wie auch elektronische Wertpapiere) durch Eintragung in ein elektronisches Wertpapierregister; es muss hierbei gerade keine physische Urkunde begeben werden.
a) Zentrales Wertpapierregister
Das KAGB sieht grundsätzlich die Eintragung der elektronischen Anteilscheine in ein zentrales Register vor. Dieses wird von einer zentralen Instanz (i.d.R. Clearstream) geführt, die dann die elektronischen Anteilscheine für die Anleger verwahrt.
b) Kryptowertpapierregister
Die Eintragung in ein Kryptowertpapierregister ermöglicht die Mitte 2022 in Kraft getretenen Verordnung über Kryptofondsanteile (KryptoFAV).
Kryptofondsanteile entstehen dadurch, dass die elektronischen Anteilscheine nicht in ein zentrales Wertpapierregister, sondern in ein Kryptowertpapierregister eingetragen werden. Entscheidender Unterschied zum zentralen Wertpapierregister ist, dass auch eine dezentrale Verwaltung des Kryptowertpapierregister möglich ist.
Beim Kryptowertpapierregister muss es sich um ein fälschungssicheres Aufzeichnungssystem handeln, in welchem Daten in der Zeitfolge protokolliert und gegen unbefugte Löschung sowie nachträgliche Veränderung geschützt gespeichert werden. Die Vorgabe ist bewusst technologieneutral formuliert, zielt aber eindeutig auf die Nutzung der Blockchain-Technologie als „fälschungssicheres Aufzeichnungssystem“ ab. Durch Eintragung der elektronischen Anteilscheine in ein Kryptowertpapierregister, d.h. die Abbildung von Fondsanteilen auf einer Blockchain, können daher tatsächlich Kryptofondsanteile, also tokenisierte Fondsanteile entstehen.
C. Was geht bislang? – Spezial-AIF nach KAGB / Publikums-AIF nach ELTIF
Wie erwähnt können aktuell nur Spezial-AIF als geschlossene Sondervermögen aufgelegt werden. Für geschlossene Spezial-AIF-Sondervermögen ist grundsätzlich allein § 285 KAGB maßgeblich, der Investitionen in jegliche Vermögensgegenstände erlaubt, deren Verkehrswert ermittelt werden kann. Es können auch Darlehen an Dritte für Rechnung eines Sondervermögens vergeben werden. Enger werden die Vorgaben nur dann, wenn ein Sondervermögen für Anleger investierbar sein soll, die der Anlageverordnung (AnlV) unterliegen oder diese weiter anwenden, und es insofern der heiß begehrten Immobilienquote der AnlV unterfallen soll. Solche Sondervermögen sind ihren Anlagegenständen über die AnlV eingeschränkt.
Geschlossene Publikums-AIF-Sondervermögen sah das FoStoG – trotz deutlicher branchenseitiger Kritik – hingegen nicht vor. Dennoch ist eine ähnliche Struktur bereits jetzt über einen Schlenker – unter Nutzung eines geschlossenen Publikums-AIF-Sondervermögen als European Long-term In-vestment Fund (ELTIF) gemäß der Verordnung (EU) 2015/760 (ELTIF-VO) – möglich. Kurz nach Inkrafttreten der umfassend reformierten ELTIF-VO (wir berichteten hier) stellte die BaFin klar, dass deutsche ELTIF in allen Rechtsformen aufgelegt werden können, die das KAGB zu bieten hat: Deutsche ELTIF können demnach in der Rechtsform geschlossener Sondervermögen aufgelegt werden, die nicht auf professionelle und semiprofessionelle Anleger beschränkt sind, sondern auch Privatanleger ansprechen können.
D. FoMaStG-E – geschlossenes Publikums-AIF-Sondervermögen
I. Hintergrund
Das FoMaStG-E streicht die Beschränkung der geschlossenen AIF-Sondervermögen auf Spezial-AIF. Der Gesetzgeber möchte die „bekannte Rechtsform [des Sondervermögens]“ auch im Segment geschlossener Publikums-AIF verfügbar machen und außerdem gegenüber ELTIF konkurrenzfähige Produkte schaffen.
Gleichzeitig soll die Auslegung durch die BaFin kodifiziert werden, dass ELTIF in der Rechtsform geschlossener Publikums-AIF-Sondervermögen aufgelegt werden können.
II. Geplante Regelungen und Auswirkungen
1. Unveränderte Produktregulierung
Die Produktregulierung für geschlossene Publikums-AIF-Sondervermögen ist dieselbe wie für geschlossen Publikums-Investment-AG oder Investment-KG. Insbesondere die Vorgaben zu den tauglichen Vermögensgegenständen sowie zur Risikomischung gelten unverändert.
Geschlossene Publikums-AIF-Sondervermögen unterliegen demnach dem abschließenden Katalog in § 261 Abs. 1 KAGB, zu dem u.a. Sachwerte (darunter Immobilien), Beteiligungen an bestimmten Zweckgesellschaften, wie zB Immobiliengesellschaften, Anteile oder Aktien an geschlossenen Publikumsfonds und Spezial-AIF sowie Eigenkapitalbeteiligungen und eigenkapitalähnliche Beteiligungen an nicht börsennotierten Unternehmen gehören.
Außerdem ist der Grundsatz der Risikomischung zu beachten, der als erfüllt gilt, wenn der AIF in mindestens drei Sachwerte investiert oder bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Streuung des Ausfallrisikos gewährleistet ist.
Die Bandbreite an tauglichen Assets nach der ELTIF-VO ist im Vergleich zum KAGB deutlich weiter. Außerdem sind die Diversifikationsvorgaben nach der ELTIF weniger streng als die des KAGB. Wem das KAGB-Korsett also zu eng ist, muss den Weg über den ELTIF nehmen.
2. Beteiligung am geschlossenen Publikums-AIF-Sondervermögen
Durch den Verweis auf § 95 KAGB gelten für geschlossene Publikums-AIF-Sondervermögen die gleichen Möglichkeiten der Ausgestaltung der Anteilsscheine wie für alle Sondervermögen.
Anteile an geschlossene Publikums-AIF-Sondervermögen können also traditionell als physisch verbriefte Anteilsscheine bzw. als einfache elektronische Anteilsscheine depotfähig sein. Als Kryptofondsanteile könnten sie sogar Wallet-fähig sein.
3. Unit Deal
Im Bereich von Immobilien-AIF in Gesellschaftsform (z.B. GmbH & Co. KG) stellt sich häufig das Problem (doppelt) anfallender Grunderwerbsteuer aufgrund des Beitritts weiterer Anleger nach Grundstückserwerb.
Hält hingegen – wie bei Sondervermögen, die die Treuhandlösung wählen – die KVG die Assets des AIF und ist damit auch Eigentümerin der Grundstücke, erfolgt lediglich eine Übertragung der Anteile am Sondervermögen (Unit Deal); zivilrechtliche Eigentümerin der Grundstücke bleibt die KVG.
Mit der geplanten Gesetzesänderung würde sich dies im Publikumsbereich ebenso gestalten: Bei geschlossenen Publikums-AIF-Sondervermögen, die nach der Treuhandlösung ausgestaltet sind, wäre die KVG Eigentümerin der für Rechnung des Sondervermögens gehaltenen Grundstücke.
Wechseln die Anleger des geschlossenen Publikums-AIF-Sondervermögens, bleibt die KVG Eigentümerin (Unit Deal). In der Vergangenheit wurde der Unit Deal vor allem im Bereich offener Publikums-Sondervermögen genutzt, um Grunderwerbsteuer zu optimieren. Daher ist zu erwarten, dass ähnliche Möglichkeiten im Hinblick auf die Grunderwerbsteuer auch bei einem geschlossenen Publi-kums-AIF-Sondervermögen bestehen dürften. Inwieweit sich hier Finanzverwaltung und Rechtspre-chung positionieren, bleibt abzuwarten.
4. Kein Halbjahresbericht für geschlossene Sondervermögen
Zu guter Letzt – dies ist keine Publikums-AIF-spezifische-Regelung – soll durch den nun fehlenden Verweis auf § 103 KAGB für geschlossene Sondervermögen die Pflicht zur Erstellung eines Halbjahresberichts entfallen. Branchen- und verbandsseitig war dies gefordert worden; insbesondere, weil auch für die geschlossene Investment-KG keine Pflicht zur Erstellung eines Halbjahresberichts besteht.
E. Fazit
Die Ausgestaltung von AIF in der Rechtsform des Sondervermögens ist im Bereich der Spezial-AIF üblich und seit gut drei Jahren auch in der Form geschlossener Sondervermögen zulässig. Publikums-AIF können derzeit nur als geschlossene Sondervermögen strukturiert werden, wenn sie als ELTIF ausgestaltet werden. Mit dem FoMaStG-E könnten auch rein deutsche Publikums-AIF als geschlossene Sondervermögen unter dem KAGB aufgelegt werden. Insbesondere an den Vorgaben zu den tauglichen Assets sowie zur Risikodiversifikation ändert dies zwar nichts. Allerdings sind Anteile an geschlossenen Publikums-AIF-Sondervermögen depot- und sogar Wallet-fähig; diese leichtere Umlauffähigkeit dürfte unter anderem für Immobilienfonds spannend sein.