Gewerblicher Rechtsschutz / IP

Anordnung der Lokalkammer München: UPC_CFI_74/2024

Veröffentlicht am 7th Jun 2024

Der vorliegende Beitrag der UPC-Reihe befasst sich mit der einstweiligen Anordnung der Lokalkammer München vom 27. August 2024 in Bezug auf ein „SDK“ (Software Development Kit). Der Schwerpunkt der Anordnung liegt u.a. in der Unterscheidung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Patentverletzung. Zudem wägt die Lokalkammer zwischen einem Absolut- und Relativverbot ab und erläutert ausführlich die Grundsätze dieser Abwägung. 

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1. Sachverhalt

Die Antragstellerin nahm die Antragsgegnerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem EPG auf Unterlassung in Anspruch, mit dem Verbot in mehreren Ländern (unter anderem in Deutschland und in Frankreich) ein Software Development Kit anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen. 

Die Antragstellerin sieht in Angebot und Vertrieb der Software-Programmbibliothek „SDK“ eine unmittelbare Verletzung des Streitpatents EP 3 8866 051. Das „SDK“ ermöglicht es Kunden, eine Software zu erstellen, die die streitgegenständliche Technologie zur Einblendung von ergänzenden Produktinformationen beim Scanvorgang nutzt. In der Praxis muss das SDK in die Betriebssoftware eines Gerätes mit Scanning-Funktionen integriert werden, um eine patentverletzende Vorrichtung zu bilden.
 

2. Entscheidung

Die Lokalkammer München hielt den Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen für teilweise begründet. Zwar bejahte das Gericht eine Rechtsverletzung durch das Angebot und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform innerhalb der Vertragsmitgliedsstaaten, ging jedoch nicht – wie von der Antragstellerin aufgeführt – von einer unmittelbaren (Art. 25 EPGÜ), sondern von einer mittelbaren Verletzung (Art. 26 EPGÜ) des Patentanspruchs aus, da lediglich ein Mittel zur Implementierung der Erfindung und nicht die Erfindung selbst geliefert werde. 

In der nationalen Patentrechtsprechung sei zwar anerkannt, dass unter bestimmten Umständen eine unmittelbare Patentverletzung vorliegen könne, wenn der Verletzer die Handlungen seines Abnehmers im Sinne einer „verlängerten Werkbank“ für sich nutze, sodass die Annahme einer mittelbaren Patentverletzung aus wertungsmäßigen Gesichtspunkten unangemessen wäre. 

Allerdings müsse stets darauf geachtet werden, dass die vom Gesetzgeber festgelegten Grenzen unter den Rechtsfolgen einer Patentverletzung hierdurch nicht verwischt werden. Eine Haftung wegen unmittelbarer Patentverletzung könne bei derartigen Sachverhalten deswegen nur dann angenommen werden, wenn eine konkret umrissene Vervollständigung der patentgemäßen Vorrichtung mit Sicherheit zu erwarten sei. Vorliegend konnte die Lokalkammer jedoch aufgrund der Vielzahl von abweichenden Programmieroptionen nicht davon ausgehen, dass dies mit der erforderlichen Sicherheit feststehe. 

Abschließend befasste sich die Lokalkammer München mit der Abwägung zwischen einem Relativ- oder Absolutverbot als möglicher Rechtsfolge der mittelbaren Patentverletzung. 

Im Rahmen dieser Entscheidung sei stets zu erwägen, ob die Gefahr einer unmittelbaren Patentverletzung durch die Abnehmer des mittelbaren Patentverletzers durch ein relatives Verbot, z.B. aufgrund eines Warnhinweises, hinreichend abgewendet werden könne. Daneben müsse die Möglichkeit einer Umgestaltung des Mittels in Betracht gezogen werden. Ist eine Umgestaltung ohne großen Aufwand dahingehend möglich, dass dem Mittel die Eignung genommen werde, vom Kunden patentgemäß verwendet zu werden, sei ein Absolutverbot eher zumutbar als ein Relativverbot.

Der Antragsgegnerin sei es im vorliegenden Fall möglich, die streitige Funktion durch ein Update aus der von ihr vertriebenen Programmbibliothek und aus entsprechenden Werbeaussagen zu entfernen. Das SDK könne dann weiterhin eine Vielzahl von nicht patentverletzenden Funktionalitäten bereitstellen. Daneben stelle sich die Kontrolle der Benutzung der Software ungleich schwerer dar, da sie meist im innerbetrieblichen Bereich der Abnehmer erfolge. Aus diesem Grund hielt die Lokalkammer ein Absolutverbot für gerechtfertigt. 
 

3. Fazit / Ausblick

Die Unterlassungsanordnung ist die erste einstweilige Verfügung, die von einer EPG-Lokalkammer auf der Grundlage einer mittelbaren Verletzung gewährt wurde. Die Lokalkammer München wägt in der vorliegenden Entscheidung differenziert zwischen einer mittelbaren und unmittelbaren Patentverletzung ab und bezieht sich dabei auf die Grundsätze der nationalen Patentrechtsprechung, nach denen in bestimmten Konstellationen eine unmittelbare Patentverletzung vorliegen kann, wenn der Verletzer die Handlungen seines Kunden im Sinne einer „verlängerten Werkbank“ ausnutzt. Im Ergebnis geht die Lokalkammer hier jedoch aufgrund der Vielzahl von abweichenden Programmiermöglichkeiten von einer mittelbaren Verletzung aus.

Auch hinsichtlich der Rechtsfolgen orientiert sich die Entscheidung an nationalen Urteilen, nach denen ein sog. Schlechthinverbot auch im Rahmen einer mittelbaren Patentverletzung ausnahmsweise angenommen werden kann. Zwar ist ein solches Verbot in der Regel nur in solchen Fällen gerechtfertigt ist, in denen das angebotene Mittel ausschließlich in patentverletzender Weise verwendet werden kann. Die deutsche Rechtsprechung nimmt ein Schlechthinverbot jedoch ausnahmsweise auch dann an, wenn weder der Warnhinweis noch andere Mittel ausreichende Gewähr dafür bieten, dass es zu keiner Wiederholung der Patentverletzung kommt. (LG Düsseldorf Urt. v. 21.12.2018 – 4c O 3/17, GRUR-RS 2018, 42127)

Es bleibt abzuwarten, ob die dargelegten Erwägungsgründe zur Unterscheidung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Patentverletzung sowie zum Absolutverbot als maßgeblich anerkannt und die zukünftige EPG-Rechtsprechung prägen werden. Parallel ist ein Hauptsacheverfahren zwischen den Parteien anhängig.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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