Patente

Keine Zuständigkeit des EPG bei vorangegangener Entscheidung durch nationale Gerichtsbarkeit

Veröffentlicht am 1st Mar 2024

Das zum 1. Juni 2023 übernational errichtete Einheitliche Patentgericht (EPG) entscheidet über Fragen der Verletzung und des Rechtsbestands von Einheitspatenten und europäischen Patenten. Die Klärung prozessualer Grundsatzfragen sowie die Entwicklung erster richterlicher Leitlinien wird seitdem mit Spannung verfolgt.  In dieser Beitragsserie stellen wir regelmäßig spannende Entscheidungen des EPG vor und bereiten die wesentlichen Kernaspekte verständlich auf.

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EPG (Lokalkammer Hamburg), Entscheidungen vom 17. November 2023, UPC_CFI_559935/202 u. vom 25. Januar 2024, UPC_CFI_559935/202

In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit gleich zwei Entscheidungen der Lokalkammer Hamburg des EPG, welche sich mit grundlegenden prozessualen Fragen auseinanderzusetzen hatte. 

Den Entscheidungen des EPG vorausgegangen war ein Rechtsstreit der beteiligten Parteien vor dem Landgericht Düsseldorf. In diesem Verfahren hatte das Landgericht insbesondere festgestellt, dass die Beklagte zur Leistung von Schadensersatz an die Klägerin wegen Verwirklichung des von ihr geltend gemachten Patentanspruchs verpflichtet ist (Schadensersatz dem Grunde nach).

Entscheidung durch nationale Gerichte formell bindend – nicht aber materiell (Entscheidung v. 17. November 2023, UPC_CFI_559935/2023)

Mit diesem Ausgangspunkt klagte die Patentinhaberin nunmehr vor dem EPG auf Zahlung von Schadensersatz (Schadensersatz der Höhe nach). Die Beklagte legte gem. Regel 19.1 lit. an der Verfahrensordnung des EPG (VerfO) Einspruch gegen die Klageerhebung ein. Der Einspruch nach Regel 19 VerfO stellt eine prozessuale Besonderheit der Verfahren vor dem EPG dar und eröffnet dem Beklagten die Möglichkeit, bereits die Zulässigkeit der Klageerhebung – etwa mit dem Einwand der Unzuständigkeit – anzugreifen. 

Das EPG folgte dem Einspruch mit Entscheidung vom 17. November 2023. Grund hierfür: Der Schadensersatzantrag der Klägerin falle nicht in den Zuständigkeitsbereich des EPG. 

Die Klägerin stützte die Zuständigkeit des EPG in erster Linie auf Art. 32 Abs. 1 lit. a) des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ). Demnach ist das EPG ausschließlich zuständig für „Klagen wegen tatsächlicher oder drohender Verletzung von Patenten und ergänzenden Schutzzertifikaten und zugehörige Klageerwiderungen, einschließlich Widerklagen in Bezug auf Lizenzen“. Allerdings konnte das EPG eine „tatsächliche Verletzung“ eines Patents i.S.d. Art. 32 Abs. 1 lit. a) EPGÜ – unter welches grds. auch europäische Patente ohne Opt-out fallen – nicht annehmen. Das vor dem Landgericht erstrittene Urteil ist nach Auffassung des EPG insgesamt keine taugliche Grundlage für Folgeentscheidungen des EPG. Das EPG behandelt die Prüfung des Schadensersatzanspruchs als gerichtliche Annexkompetenz zur Feststellung der Patentverletzung. Das Schadensersatzurteil folgt dem Urteil über die Patentverletzung. Beides müsse durch das EPG erfolgen. Dies entspräche auch dem Sinn und Zweck der Schaffung eines Einheitlichen Patentgerichts, was sich insbesondere in den Erwägungsgründen zur EPGÜ widerspiegele. Notwendig sei daher die originäre Feststellung einer Verletzung durch das EPG selbst. Eine solche könne aber nunmehr nicht (erneut) erfolgen, da dem EPG durch die Entscheidung des Landgerichts dahingehend die Zuständigkeit entzogen wurde. Denn ein Urteil durch die ordentliche Gerichtsbarkeit entfalte nach Auffassung des EPG zwar nicht in materieller jedoch in formeller Hinsicht Rechtskraft, mit der Folge, dass eine erneute Entscheidung durch das EPG nicht möglich sei, soweit über den nationalen Teil des europäischen Patents in einem bestimmten Land bereits die Entscheidung eines nationalen Gerichtes vorliegt. Dieses Verständnis habe auch keine ungewollte Regelungslücke zur Folge, da Rechtsschutz in einer derartigen Konstellation noch problemlos über die nationalen Gerichte möglich sei. 

Überprüfungsantrag unzulässig (Entscheidung v. 25. Januar 2024, UPC_CFI_559935/2023)

Die zweite Entscheidung in gleicher Sache betrifft Fragen der Verfahrensordnung. Die mit dem Ergebnis unzufriedene Klägerin wollte eine Überprüfung der durch die Berichterstatterin entschiedenen Klageabweisung durch den gesamten Spruchkörper erreichen.

Den Überprüfungsantrag stützte die Klägerin maßgeblich auf Regel 333.1 VerfO (analog), wonach auf Antrag einer Partei verfahrensleitende Anordnungen des Berichterstatters durch den Spruchkörper des Gerichts zu überprüfen sind. 
Auch der Überprüfungsantrag der Klägerin wurde jedoch mit Entscheidung vom 25. Januar 2024 als unzulässig zurückgewiesen. Regel 333.1 VerfO sei weder direkt noch analog anwendbar. 

Die Entscheidung über die Unzuständigkeit des EPG sei nicht verfahrensleitend, sondern vielmehr verfahrensbeendend. Damit sei die verfahrensleitende Entscheidungen betreffende Regel 333.1 VerfO nicht berührt. Dass damit eine Klage durch den Berichterstatter auf einen Einspruch hin abgewiesen werden kann, ohne dass eine erneute Überprüfung durch den gesamten Spruchkörper erfolgt, entspreche der gesetzlich vorgesehenen Kompetenzverteilung. Entgegen den Ausführungen der Klägerin ergäben sich auch aus der Gesetzgebungshistorie keine Anhaltspunkte dafür, dass Regel 333.1 VerfO auf eine solche Entscheidung entsprechend anzuwenden sei.

Fazit und Ausblick

Das EPG stellt klar, dass es eigene Entscheidungen über Patentverletzung und sämtliche Folgeansprüche trifft. Schadensersatzfeststellungsverfahren sind insoweit als „Anhängsel“ zum eigentlichen Patentverletzungsverfahren konzipiert. Auch eine national bereits festgestellte Rechtsverletzung ist damit praktisch unbeachtlich. Urteile eines Mitgliedstaates bilden ein partielles Prozesshindernis für die Verletzungsklage vor dem EPG, nämlich im Umfang des nationalen Teils des Mitgliedstaates des Bündelpatentes, der Grundlage des nationalen Urteils war. Verfahrensrechtlich ist zu beachten, dass die Entscheidung über die Frage der Zuständigkeit im Rahmen eines Einspruchs durch den jeweiligen Berichterstatter getroffen werden kann und mit der Berufung nach Regel 220 Abs. 1 lit a) VerfO anzugreifen ist, nicht dagegen mit einem Überprüfungsantrag gemäß Regel 333.1 VerfO (analog).  
 

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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