Patente

EPG-Gericht erster Instanz entscheidet Grundsatzfrage eines europäischen Vorbenutzungsrechts

Veröffentlicht am 23rd Sep 2024

Das zum 1. Juni 2023 übernational eingerichtete Einheitliche Patentgericht (EPG) urteilt zu Verletzungs- und Rechtsbestandsfragen von Einheitspatenten und europäischen Patenten. Seitdem wird die Klärung prozessualer Grundsatzfragen und die Entwicklung richterlicher Leitlinien aufmerksam verfolgt. In dieser Beitragsreihe stellen wir in regelmäßigen Abständen spannende Entscheidungen des EPG vor und bereiten die wesentlichen Kernaussagen verständlich auf.

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EPG (Lokalkammer Düsseldorf), UPC_CFI_7/2023 vom 3.7.2024, EP 3 375 337 B1

In einem kürzlich ergangenen Urteil hat das Gericht erster Instanz des EPG (Lokalkammer Düsseldorf) einen Streit über die Verletzung eines europäischen Patents entschieden und sich unter anderem zu der Frage geäußert, ob Art. 28 des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) ein europäisches Vorbenutzungsrecht gewährt.

Streitgegenständlich war ein Patent, das eine Sanitärwanneneinrichtung, die durch spezielle Profilleisten aus Kunststoff-Hartschaum gekennzeichnet ist, schützt. Der Entscheidung lag der Vorwurf zugrunde, die Beklagte würde das der Klägerin zustehende Patent in mehreren Vertragsmitgliedstaaten verletzen. Die Beklagte griff den Rechtsbestand des Patents an und berief sich auf ein ihr im Sinne des Art. 28 EPGÜ in Deutschland entstandenes Vorbenutzungsrecht. 

Das Gericht entschied, dass die Beklagte das Klagepatent mittelbar und unmittelbar verletzt habe und sich in diesem Fall nicht auf ein Vorbenutzungsrecht berufen könne.

Nationales Vorbenutzungsrecht nach Art. 28 EPGÜ

Grundsätzlich spricht Art. 28 (EPGÜ) demjenigen, der in einem Vertragsmitgliedstaat ein Vorbenutzungsrecht oder ein persönliches Besitzrecht an einer Erfindung erworben hätte, wenn ein nationales Patent für diese Erfindung erteilt worden wäre, in diesem Vertragsmitgliedstaat die gleichen Rechte zu.

Die Frage nach einem europäischen Vorbenutzungsrecht

Strittig war vorliegend insbesondere, ob das in Deutschland entstandene Vorbenutzungsrecht auch eine europäische Wirkung entfaltet. Die Beklagte war, entgegen der Klägerin, der Auffassung, dass ein ihr in Deutschland entstandenes Vorbenutzungsrecht auch in den anderen Vertragsmitgliedstaaten Berücksichtigung finden müsse. Es sei ihrer Meinung nach nicht sachgerecht, ein in einem Mitgliedstaat des EPG entstandenes Vorbenutzungsrecht nur in diesem Land nach Art. 28 EPGÜ zu berücksichtigen, da ein solches Verständnis an der Realität und den Notwendigkeiten einer einheitlichen Patentgerichtsbarkeit vorbeiginge.

Bisher wurde ein internationales Vorbenutzungsrecht nicht anerkannt. Da jedoch das Einheitliche Patentgericht mittlerweile seine Arbeit aufgenommen hat und sich europäische Patente mit einheitlicher Wirkung etabliert haben, stand die Frage im Raum, ob diesbezüglich vom EPG nun eine andere Wertung erfolgen würde.

Das Gericht stellte nun jedoch klar, dass sich der Vorbenutzer der erfindungsgemäßen Technologie nach Art. 28 EPGÜ nur auf diejenigen Rechte berufen könne, die ihm die jeweiligen nationalen Regelungen der Vertragsmitgliedstaaten zubilligen. Ein unionsweites Vorbenutzungsrecht würde den effektiven europäischen Patentschutz andernfalls über Gebühr einschränken. Ein Vorbenutzungsrecht müsse daher für jeden geschützten Vertragsstaat unter dessen Bedingungen einzeln nachgewiesen werden, was das EPG insbesondere mit dem eindeutigen Wortlaut der Norm begründet. Die Norm sehe ein europäisches Vorbenutzungsrecht nicht vor, sondern es handele sich vielmehr um eine gleitende Verweisung auf das jeweilige nationale Recht. 

Diesen Anforderungen kam die Beklagte nach Meinung des EPG nicht nach, es fehle insoweit an ausreichendem Vortrag. Die Beklagte habe allenfalls zum Erfindungsbesitz und dessen Betätigung innerhalb Deutschlands vorgetragen, nicht aber zu den im Verfahren streitgegenständlichen Vertragsmitgliedstaaten. 

Fazit und Ausblick

Die Entscheidung erteilt der Idee eines europäischen Vorbenutzungsrechts eine Absage. Sie unterstreicht die Bedeutung der nationalen Regelungen bei der Geltendmachung von Vorbenutzungsrechten im Rahmen des EPGÜ. Unternehmen, die patentgeschützte Technologien  in mehreren europäischen Ländern nutzen und sich dabei auf ein Vorbenutzungsrecht berufen möchten, sollten sicherstellen, dass sie die jeweiligen nationalen Anforderungen an Vorbenutzungsrechte erfüllen und entsprechend nachweisen können, um ihre Rechte zu wahren. Die Entscheidung ist noch nicht endgültig. Das Berufungsgericht könnte die Reichweite des Vorbenutzungsrechts, auch wenn dies eher unwahrscheinlich ist, anders beurteilen. Der weitere Verfahrensablauf bleibt aufgrund der Relevanz dieser Grundsatzfrage abzuwarten. Eine Folgefrage dürfte sein, inwieweit die unter einem (nationalen) Vorbenutzungsrecht hergestellten Produkte dem (europäischen) Erschöpfungsgrundsatz des Art. 29 EPGÜ bzw. Art. 6 EPVO unterfallen. Das wird insbesondere dann relevant, wenn sich z.B. Abnehmer in anderen europäischen Vertragsmitgliedstaaten auf das national entstandene Vorbenutzungsrecht des Herstellers berufen möchten, damit die unter dem Vorbenutzungsrecht hergestellte Ware europaweit verkehrsfähig bleibt. Konsequenterweise müsste das EPG auch hier eine landesbezogene Betrachtung vornehmen, denn eine Zustimmung des Patentinhabers zum (europaweiten) Inverkehrbringen liegt in diesen Fällen gerade nicht vor.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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