Bank- und Finanzrecht

Wider dem Greenwashing – Neue ESG-Veröffentlichungspflichten für Kryptowerte

Veröffentlicht am 28th Jan 2025

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In den letzten Jahren hat sich der Markt für Kryptowerte schnell entwickelt. Mit der Entwicklung sind auch die Versprechungen vieler Anbieter gewachsen, ihre Produkte als nachhaltig und umweltfreundlich zu positionieren. Diese Behauptungen sind oft nicht durch konkrete Daten untermauert. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass einige Anbieter behaupten, ihre Kryptowährungen seien „grün“ oder „klimafreundlich“, ohne jedoch die tatsächlichen Energieverbräuche ihrer Konsensmechanismen offenzulegen. Ein weiteres Beispiel ist die Werbung mit einer geringen Umweltbelastung durch den Einsatz von Proof-of-Stake anstelle von Proof-of-Work, ohne dabei die gesamte ökologische Bilanz zu berücksichtigen.

Diskrepanz zwischen Marketing und Realität

Ein prominentes Beispiel für Greenwashing im Kryptosektor ist die Behauptung der Original Ethereum Vision, dass der energieintensive Proof-of-Work-Mechanismus in Wirklichkeit ein Segen für die Umwelt und Menschheit sei.[1] Auch die Bitcoin-Mining-Industrie versucht, Bitcoin einen grünen Anstrich zu verpassen.[2] Solche irreführenden Narrative werden von Experten als klassisches Greenwashing entlarvt.[3]

Diese Diskrepanz zwischen Marketing und Realität hat die Regulierungsbehörden auf den Plan gerufen. Mit der Einführung der Markets in Crypto Assets Regulation (MiCAR) werden nun umfassende Verpflichtungen für Emittenten und Crypto Asset Service Provider (CASPs) eingeführt. Diese verpflichten zur transparenten Offenlegung der Umweltauswirkungen ihrer Konsensmechanismen, um Greenwashing zu verhindern und eine verlässliche Informationsbasis für Investoren und andere Marktteilnehmer zu schaffen.

Für die Marktteilnehmer bedeutet dies, dass sie ihre bisherigen Praktiken kritisch hinterfragen und anpassen müssen. Die Verhinderung von Greenwashing wird künftig gesetzlich geregelt und kann empfindliche Sanktionen nach sich ziehen. Es sind transparente und nachvollziehbare Informationen gefragt, die es Investoren ermöglichen, fundierte Entscheidungen zu treffen.

Regulatorische Anforderungen im Überblick

Die MiCAR richtet sich direkt an die Akteure des Krypto-Marktes, insbesondere an die Emittenten von Kryptowerten und die Anbieter von Dienstleistungen rund um Kryptowerte (sogenannte Crypto-Asset Service Provider „CASP“). Je nach Kryptowert müssen bestimmte Akteure ab dem 30. Juni 2024, spätestens jedoch ab dem 30. Dezember 2024, eine Reihe von Vorschriften erfüllen, die zum Schutz der Anleger und zur Eindämmung der mit Kryptowerten und Dienstleistungen verbundenen Risiken beitragen sollen. Ein Kernstück der MiCAR ist die verpflichtende Erstellung eines sogenannten Whitepapers. Dieses soll der Aufklärung potenzieller Kunden und damit dem Anleger- und Verbraucherschutz dienen. Dazu gehören auch Angaben zur Nachhaltigkeit.

Die MiCAR beinhaltet daher Regelungen über die Identifizierung und Offenlegung negativer Umwelt- und Klimaauswirkungen, die durch die Konsensmechanismen zur Validierung von Transaktionen in Kryptowerten entstehen können. Diese Mechanismen, wie beispielsweise Proof-of-Work oder Proof-of-Stake, haben potenziell erhebliche Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt.[4] In dem Erwägungsgrund 7 der MiCAR heißt es:

„die für die Validierung von Transaktionen mit Kryptowerten herangezogenen Konsensmechanismen könnten schwerwiegende nachteilige Auswirkungen auf das Klima und andere umweltbezogene nachteilige Auswirkungen nach sich ziehen. Diese Konsensmechanismen sollten daher umweltschonendere Lösungen vorsehen und sicherstellen, dass ihre etwaigen Auswirkungen angemessen ermittelt und von den Emittenten von Kryptowerten und den Anbietern von Kryptowerte-Dienstleistungen offengelegt werden.“

Daher müssen Emittenten und CASPs nach den Regelungen der MiCAR sicherstellen, dass diese Auswirkungen adäquat identifiziert und offengelegt werden.

Verpflichtungen für Emittenten und CASPs

Die MiCAR adressiert das Thema Nachhaltigkeit durch einen Mix aus Regulierung und Transparenz. So müssen Emittenten von Kryptowerten und Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen die nachteiligen Auswirkungen auf das Klima und andere umweltbezogene nachteilige Auswirkungen angemessen ermitteln und offenlegen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. j) MiCAR muss ein Whitepaper die negativen Umweltauswirkungen des Konsensmechanismus enthalten. Die Pflicht gilt für Emittenten und Anbieter von vermögenswertereferenzierten Token (Asset Referenced Token – ART) und E-Geld Token (E-Money Token – EMT) bereits seit dem 30. Juni 2024 (Art. 19 Abs. 1 lit. h) und Art. 51 Abs. 1 lit. g) MiCAR). CASPs müssen hinsichtlich ihrer angebotenen Kryptowerte an gut sichtbarer Stelle auf ihrer Website die Informationen über prinzipiell nachteilige Umwelt- und Klimaauswirkungen des Konsensmechanismus, welcher für die Emission des jeweiligen Kryptowertes zur Anwendung kam, öffentlich zugänglich machen (Art. 66 Abs. 5 MiCAR). Diese Informationen dürfen aus den Whitepapers stammen.

Konkretisierung durch die ESMA

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat das Mandat (siehe z.B. Art. 6 Abs. 12 MiCAR), die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsindikatoren weiter zu konkretisieren. Dies umfasst die Entwicklung von technischen Regulierungsstandards (RTS) zur Bestimmung des Inhalts, der Methoden und der Darstellung der Informationen über Nachhaltigkeitsindikatoren in Bezug auf nachteilige Klima- und Umweltaspekte.

Die RTS sollen sicherstellen, dass die Offenlegungen von Emittenten und CASPs kohärent sind. Bei der Ausarbeitung der technischen Regulierungsstandards berücksichtigt die ESMA die verschiedenen Arten von Konsensmechanismen, die bei der Validierung von Transaktionen mit Kryptowerten zum Einsatz kommen, deren Anreizstrukturen und die Nutzung von Energie, Energie aus erneuerbaren Quellen und natürlichen Ressourcen, die Erzeugung von Abfällen und Treibhausgasemissionen.

Bei der Bewertung, ob nachteilige Auswirkungen schwerwiegend sind, sollten der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Größe und das Volumen des emittierten Kryptowerts sowie die verschiedenen Arten von Konsensmechanismen zur Validierung von Transaktionen berücksichtigt werden.

Konkrete Indikatoren und der „1 + 5 Ansatz“

In der finalen angenommenen Fassung der RTS[5] legt die ESMA wichtige Meilensteine für die Entwicklung konsistenter Nachhaltigkeitsangaben für Kryptowerte fest, die auf etablierten Indikatoren und Methoden basieren. Waren im ersten Entwurf der RTS noch Emittenten wie Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen verpflichtet, eine Reihe von obligatorischen Indikatoren offenzulegen, wurde nunmehr ein neuer Proportionalitätsschwellenwert basierend auf dem jährlichen Energieverbrauch des Konsensmechanismus eingeführt und die Anzahl der obligatorischen Indikatoren reduziert.

Besonderes Augenmerk wird auf die Schlüsselindikatoren Energieverbrauch, Energieintensität und Treibhausgas (THG)-Emissionen gelegt. Es sollten Schlüsselindikatoren verwendet werden, um die Auswirkungen der Konsensmechanismen auf das Klima und andere umweltbezogene Auswirkungen auf leicht verständliche Weise darzustellen.

Als verbindlicher Schlüsselindikator, der das Bewusstsein der Anleger für die Auswirkungen der Konsensmechanismen am besten fördert, wird der jährliche Energieverbrauch festgelegt. Für Kryptowerte, deren Konsensmechanismus weniger als 500.000 kWh pro Jahr verbraucht, ist nur noch ein obligatorischer Schlüsselindikator für den Energieverbrauch erforderlich. Für Kryptowerte mit einem höheren jährlichen Energieverbrauch werden als zusätzliche Schlüsselindikatoren der jährliche Anteil des Verbrauchs an erneuerbaren Energien, der durchschnittliche Energieverbrauch pro Transaktion, die THG-Emissionen pro Transaktion und die jährlichen THG-Emissionen im Zusammenhang mit der Nutzung direkter und indirekter Energiequellen festgelegt.

Zusätzlich zu den Schlüsselindikatoren sollten Personen, die Whitepaper erstellen, und CASP die Möglichkeit haben, in einem speziellen Teil ihrer Offenlegungen freiwillig Informationen über Klima- und andere umweltbezogene Indikatoren aufzunehmen, die möglicherweise komplexer zu bewerten sind oder für die es schwieriger sein kann, relevante Daten zu finden, beispielsweise in Bezug auf die Abfallproduktion und die Nutzung natürlicher Ressourcen.

Der sog. „1 + 5 Ansatz“ der ESMA zielt darauf ab, den Aufwand für die Berichterstattung erheblich zu reduzieren. Für Kryptowerte, die unterhalb des Energieverbrauchsschwellenwerts liegen, ist nur ein obligatorischer Schlüsselindikator erforderlich, während für Kryptowerte, die diesen Schwellenwert überschreiten, detaillierte Offenlegungen mit fünf ergänzenden Schlüsselindikatoren erforderlich sind.

Herausforderung: Beschaffung der Daten

Die Herausforderung besteht darin, aufgrund des dezentralen Charakters der Technologie genaue und zuverlässige Informationen hinsichtlich der Verwendung von (erneuerbarer) Energie, Ressourcen sowie Treibhausemission zu erhalten. Die ESMA erkennt selbst an, dass Nachhaltigkeitsdaten in Bezug auf Konsensmechanismen zum Zeitpunkt der Anwendung von MiCAR möglicherweise nicht vollständig verfügbar sind. Daher sollen sich Dienstleister, die der Offenlegungspflicht unterliegen, zusätzlich zur Best-Effort-Klausel auf Schätzungen stützen können, wenn Daten nicht verfügbar sind.

Das Gute ist, dass es bereits erste Marktteilnehmer ,wie z.B. Crypto Risk Metrics gibt, die entsprechende Lösungen anbieten.

Allerdings bleibt in Ermangelung aufsichtsrechtlicher Praxis bisher unklar, wie die im Rahmen der RTS festgelegten Schwellenwerte überprüft und festgestellt werden sollen bzw. wie oft darauf basierend Aktualisierungen erforderlich sind. Besonders bemerkenswert ist im Kontext von Whitepaper und verfügbaren Informationen folgender Satz der ESMA[6]:

„In the way, ESMA anticipates that the white papers (including the information on sustainability impacts) that a CASP operating a trading platform will draw up pursuant to Article 5(2) of MiCA where no white paper already exists, can also be used by other CASPS to fulfil their website disclosure requirements.”

Aus urheberrechtlicher Sicht dürfte dies sehr kritisch sein, denn sowohl die Whitepaper in Inhalt und Gestaltung wie die für die ESG-Disclosure erforderlichen Daten dürften Schutzrechten unterliegen. Letztlich soll dann die Verantwortung für den Inhalt bei dem CASP bleiben, der das Whitepaer nutzt. Daraus ergibt sich dann aber die Notwendigkeit, die Inhalte und deren Veränderung laufend zu überwachen.

Innerhalb 36 Monaten nach Inkrafttreten der MiCAR soll die Europäische Kommission dann einen Bericht über die Umweltauswirkungen von Kryptowerten und die Einführung verbindlicher Mindestnachhaltigkeitsstandards für Konsensmechanismen, einschließlich des Proof-of-Work, vorlegen (Art. 140 Abs. 2 lit. y) MiCAR).

Fazit

Die ESG-Anforderungen an Kryptowerte stehen im Einklang mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit, der auf dem gesamten Finanzmarkt vorherrscht. Die Strategie "Information statt Intervention" ermöglicht es Anlegern, fundierte Entscheidungen zu treffen, anstatt ihnen Regeln oder gar Verbote aufzuerlegen. Die MiCAR-Regulierung respektiert die Autonomie der Anleger und stärkt gleichzeitig das Vertrauen in ein nachhaltiges Krypto-Ökosystem. Die Strategie, die auf Aufklärung und Transparenz setzt, könnte genau der richtige Ansatz sein, um Krypto und Europa auf einen gemeinsamen, nachhaltigen Weg zu bringen.

In jedem Fall sollte die Branche beherzigen: Die Regelungen sind da, sie gehen nicht weg. Anstatt dagegen zu sein, sollten sie sich an die Spitze der Bewegung stellen. Denn dies hilft, die Akzeptanz von Krypto und den ESG-Footprint deutlicher zu machen.


 


[1] Siehe zusammenfassend https://time.com/6193004/crypto-climate-impact-facts/; konkret: https://ethereumclassic.org/blog/2023-10-26-proof-of-work-is-good-for-humanity, zuletzt aufgerufen am 23.01.2025.

[2] Siehe https://storage.googleapis.com/planet4-usa-stateless/2024/11/9ab435fe-bankrolling-bitcoin-report-2024.pdf, S. 10f., zuletzt aufgerufen am 23.01.2025.

[3] Siehe https://storage.googleapis.com/planet4-usa-stateless/2024/11/9ab435fe-bankrolling-bitcoin-report-2024.pdf, S. 10f., zuletzt aufgerufen am 23.01.2025.

[4] Siehe https://storage.googleapis.com/planet4-usa-stateless/2024/11/9ab435fe-bankrolling-bitcoin-report-2024.pdf, zuletzt aufgerufen am 23.01.2025.

[5] Delegierte Verordnung der Kommission vom 17.12.2024 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2023/1114 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung des Inhalts, der Methoden und der Darstellung von Informationen über Nachhaltigkeitsindikatoren in Bezug auf nachteilige Auswirkungen auf das Klima und andere umweltbezogene nachteilige Auswirkungen; abrufbar unter https://webgate.ec.europa.eu/regdel/#/delegatedActs/2463?lang=de, zuletzt abgerufen am 23.01.2025.

[6] ESMA, Final Report - Draft Technical Standards specifying certain requirements of the Markets in Crypto Assets Regulation (MiCA) – second package, 3 July 2024, ESMA 75-453128700-1229, abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/2024-07/ESMA75-453128700-1229_Final_Report_MiCA_CP2.pdf, zuletzt abgerufen am 23.01.2025.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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