Bank- und Finanzrecht

Utility Token nach MiCAR

Veröffentlicht am 5th Nov 2024

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Die MiCAR verfolgt das Ziel, einen harmonisierten europäischen Regulierungsrahmen für Kryptowerte zu schaffen, der Innovationen fördert und die Nutzung des Potenzials von Kryptowerten unter Wahrung des Anlegerschutzes, der Marktintegrität und Finanzstabilität ermöglicht. Dabei unterscheidet die MiCAR zwischen den Tätigkeiten des Primärmarktes, d.h. der Emission von Kryptowerten und den Dienstleistungen des Sekundärmarktes, den sogenannten Kryptowerte-Dienstleistungen „crypto-asset services“. Im Einzelnen regelt die MiCAR Transparenz- und Offenlegungspflichten für die Emission und den Handel mit Kryptowerten, die Zulassungspflicht von und die Aufsicht über Kryptowerte-Dienstleister (Crypto Asset Service Provider – CASP) und Emittenten von Kryptowerten, die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation von Kryptowerte-Emittenten sowie Kryptowerte-Dienstleistern, Investoren- und Verbraucherschutzvorschriften für die Emission, den Handel und die Verwahrung von Kryptowerten sowie Vorschriften zur Bekämpfung von Marktmissbrauch auf Kryptowert Handelsplätzen.

„Kryptowert“ ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 MiCAR die digitale Darstellung eines Werts oder eines Rechts, der bzw. das elektronisch übertragen und gespeichert werden kann. Grundlage hierfür bildet die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) oder eine ähnliche Technologie. Neben dem Oberbegriff Kryptowert definiert die MiCAR drei spezifische Kategorien von Kryptowerten: „E-Geld-Token/E-Money-Token“ (EMT, Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 MiCAR), „vermögenswertreferenzierte Token/Asset-referenced Token“ (ART, Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 MiCAR) und sogenannte „andere Kryptowerte“, einschließlich Utility Token. 

Utility Token“ sind gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 MiCAR Kryptowerte, die ausschließlich dazu bestimmt sind, Zugang zu einer Ware oder Dienstleistung zu verschaffen, die von ihrem Emittenten bereitgestellt wird. Sie werden teilweise als „digitale Gutscheine“ verstanden. Ein Utility Token könnte beispielsweise, ähnlich einem QR-Code basierten Eintrittskartensystem, den physischen Zugang zu einer Veranstaltung durch den Nachweis einer Berechtigung ermöglichen, etwa in Form einer Signatur derjenigen Wallet, die den Zugangstoken erwarb und nach wie vor über diesen verfügt. Soweit vom Emittenten gewünscht, kann über eine Identifizierung des Erwerbers ein Wiederverkauf ausgeschlossen werden, auch unter Implementierung eines Mechanismus zur berechtigten Übertragung der Zugangsberechtigung. Der elektronische Zugang zu einem digitalen Produkt im Sinne von § 327 Abs. 1 BGB könnte ebenfalls diesem Prinzip folgen.

Darüber hinaus kann etwa eine erworbene Ware oder Dienstleistung durch den Transfer des Berechtigungstoken erlangt werden. Bspw. erhalten die ersten 10.000 Erwerber eines neuen Smartphones in einer integrierten Kryptowallet einen Token, der wahlweise physisch beim Händler gegen passende Kopfhörer oder elektronisch gegen einen 12-monatigen Cloud Speicher an eine Wallet des Unternehmens zurückübertragen werden kann. In diesem Beispiel etwa dient der Utility Token als eine Werbemaßnahme. 

Enthält der Token darüber hinausgehende Funktionen (Hybride Token) sind diese bereits aufgrund der Erforderlichkeit der „Ausschließlichkeit“ schon begrifflich keine Utility Token im Sinne der MiCAR.

Das öffentliche Angebot von Utility Token erfordert grundsätzlich die Erfüllung der in Art. 4 Abs. 1 lit. a) – g) und Art. 14 MiCAR genannten Pflichten. Insbesondere muss der Anbieter gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a) MiCAR eine juristische Person sein sowie gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. b), c) und d) MiCAR ein Kryptowert-Whitepaper erstellen, notifizieren und auf seiner Website veröffentlichen (zusammen die „Whitepaper-Pflicht“).

Gemäß Art. 4 Abs. 3 MiCAR findet Titel II der MiCAR (einschließlich der Whitepaper-Pflicht) in bestimmten Konstellationen jedoch insgesamt keine Anwendung, etwa wenn der Kryptowert kostenlos angeboten wird, das Angebot einen Utility Token betrifft, der Zugang zu bereits existierenden Waren oder Dienstleistungen bietet, oder der Inhaber des Kryptowerts berechtigt ist, diesen Kryptowert nur für den Tausch gegen Waren und Dienstleistungen in einem begrenzten Netz von Händlern mit vertraglichen Vereinbarungen mit dem Anbieter zu nutzen. 

Dabei ist die Rückausnahme von Art. 4 Abs. 4 MiCAR zu beachten, wonach die zuvor beschriebenen Ausnahmetatbestände des Art. 4 Abs. 2 und 3 MiCAR dann keine Anwendung finden, wenn der Anbieter die Absicht bekundet, „die Zulassung zum Handel“ zu beantragen. Aus Art. 1 Abs. 2 lit. a) MiCAR lässt sich ableiten, dass mit der „Zulassung zum Handel“ die Zulassung zum Handel auf einer „Handelsplattform für Kryptowerte“ gemeint ist.

Der „Betrieb einer Handelsplattform für Kryptowerte“ wird wiederum in Art. 3 Abs. 1 Nr. 18 MiCAR definiert als „die Verwaltung eines oder mehrerer multilateraler Systeme, die die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Kryptowerten — im System und gemäß dessen Regeln — auf eine Weise zusammenführen oder deren Zusammenführung erleichtern, dass ein Vertrag über den Tausch von Kryptowerten entweder gegen einen Geldbetrag oder den Tausch von Kryptowerten gegen andere Kryptowerte zustande kommt“. 

Gängige Exchanges (z.B. Coinbase Deutschland¹ oder Bitvavo Hyphe Deutschland²) stellen regelmäßig keine Handelsplattformen für Kryptowerte im Sinne der MiCAR dar, da sie kein multilaterales System betreiben, sondern als Eigenhändler auf eigene Rechnung Kryptowerte kaufen und verkaufen bzw. tauschen und dabei selbst unmittelbarer Vertragspartner des Nutzers werden. 

Folglich greift die Rückausnahme des Art. 4 Abs. 4 MiCAR nicht und es ist durchaus möglich, Utility Token ohne ein Whitepaper an solchen nicht als multilaterale Systeme ausgestalteten Exchanges zum Handel zuzulassen. Zu einem abweichenden Ergebnis käme man nur dann, wenn man solche Utility Token, die auf bilateralen Handelssystemen gelistet werden sollen, schon begrifflich mangels des ausschließlichen Zwecks nicht als Utility Token einordnen würde. Wünschenswert wäre hier eine entsprechende Klarstellung des Verordnungsgebers bzw. Auslegungshinweise der BaFin zur Anwendung der MiCAR auf Utility Token in diesen Fällen.

¹ Gemäß Abschnitt 5 der Deutschen AGB ist Coinbase ein „Kryptowährungswechseldienst“ bei dem Coinbase Vertragpartner ist, Coinbase.com/de/legal/user_agreement/Ireland_germany, aufgerufen am 10.10.2024 um 16:04.

² Nach Abschnitt 4 der Deutschen AGB ist Hyphe der direkte Handels- und Vertragspartner des Nutzers, bitvavo.com/de/hyphe/agb, aufgerufen am 10.10.2024 um 19:04. 

 

Vielen Dank an die Autoren dieses Artikels:
Dr. Robert Oppenheim | Eric Romba (Osborne Clarke)
Marius Bauer | Sebastian Liebscher (FinPlanet) 

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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