Kartellrecht in Deutschland – einfach erklärt (Teil 1)
Veröffentlicht am 28th Aug 2024
Kartellrecht – was ist das eigentlich? In unserer neuen Artikel-Serie gehen wir dem Thema Kartellrecht in Deutschland auf den Grund. Im ersten Teil klären wir die Grundlagen des Kartellrechts in Deutschland.
Tragende Säule des Kartellrechts ist das Kartellverbot, welches dem Schutz des freien und unverfälschten Wettbewerbs dient. Dadurch werden Verbraucher vor Preisabsprachen geschützt und das Wirtschaftswachstum langfristig gefördert. Die Preisbildung im Wettbewerb nimmt damit eine zentrale Steuerungsfunktion ein und sichert Qualität und Innovationen. Doch auf welchen legislativen Rahmen beziehen wir uns dabei?
Welche Gesetze sind im deutschen Kartellrecht relevant?
Die relevanten Vorschriften für Verstöße gegen das Kartellverbot sind § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und bei Beeinträchtigungen des Handels zwischen EU-Mitgliedstaaten zusätzlich Artikel 101 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
Wann liegt ein Verstoß gegen das Kartellverbot vor?
Im Einklang mit dem europäischen Wettbewerbsrecht verbietet das GWB Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken. Wettbewerbsbeschränkende Absprachen kann es dabei nicht nur im Verhältnis zwischen Wettbewerbern, sondern auch im Verhältnis zwischen Lieferanten und ihren Abnehmern geben.
Muss es Auswirkungen auf dem Produktmarkt gegeben haben?
Vereinbarungen können bereits nach ihrem Inhalt, den darin verfolgten Zielen und dem wirtschaftlichen Zusammenhang, in dem sie stehen, den Wettbewerb beschränken, ohne dass die nachteiligen Auswirkungen auf dem jeweiligen Markt gesondert nachgewiesen werden müssen.
Einer Analyse der Auswirkungen auf dem betroffenen Markt bedarf es somit nur, wenn der wettbewerbsbeschränkende Zweck der Vereinbarung nicht eindeutig feststellbar ist.
Gibt es Ausnahmen vom Kartellverbot?
Ausnahmsweise können Verhaltensweisen vom Kartellverbot freigestellt sein, wenn sie Effizienzgewinne herbeiführen und zu erwarten ist, dass diese in angemessenem Umfang an die Verbraucher weitergegeben werden. Effizienzvorteile können dabei beispielsweise Kosteneinsparungen oder qualitative Verbesserungen sein. Unternehmen sind grundsätzlich verpflichtet selbständig mithilfe ihrer Rechtsberater zu bewerten, ob im Einzelfall eine sogenannte Freistellung vom Kartellverbot in Betracht kommt. Die Kartellbehörden stellen keine „Freibriefe“ aus, allerdings gibt es zahlreiche Verordnungen und Leitlinien, die die Voraussetzungen einer Freistellung näher konkretisieren.
Außerdem gibt es weitere Ausnahmeregelungen für Kooperationen von kleinen und mittleren Unternehmen und in bestimmten Wirtschaftsbereichen wie der Landwirtschaft oder dem Verlagswesen.
Welche Behörden verfolgen Kartelle?
In Deutschland werden Kartelle vom Bundeskartellamt (BKartA) verfolgt, welches seinen Sitz in Bonn hat. Das BKartA beschäftigt mehr als 400 Mitarbeiter, darunter Juristen, Ökonomen sowie IT-Spezialisten und ist im internationalen Vergleich finanziell und personell besonders gut aufgestellt.
Darüber hinaus gibt es die Landeskartellbehörden, die zuständig sind, wenn sich die Wettbewerbsbeschränkungen nur auf das Gebiet eines Bundeslandes auswirken. Bei der Kartellverfolgung spielen die Landeskartellbehörden in der Praxis nur eine untergeordnete Rolle. Die deutschen Kartellbehörden können grundsätzlich auch tätig werden, wenn das Unternehmen seinen Sitz im Ausland hat. Maßgeblich für die Anwendung der kartellrechtlichen Vorschriften des GWB ist nur, dass die Verhaltensweisen im Inland Auswirkungen haben, bzw. dort „Wellen schlagen“ (Auswirkungsprinzip).
Die Europäische Kommission wird erst tätig, wenn die Kartellverstöße Auswirkungen in mehr als drei EU-Mitgliedstaaten haben.
Welche Sanktionen können die Behörden verhängen?
Bei weniger gravierenden Verstößen kann das BKartA zunächst ein Verwaltungsverfahren einleiten. Dabei stehen dem BKartA insbesondere die folgenden Instrumente zur Verfügung:
- Abstellungsverfügung: Das BKartA untersagt das kartellrechtswidrige Verhalten mit einer formellen Verfügung. Die Behörde kann ferner dazu verpflichten alle notwendigen Maßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Verstöße wirksam abgestellt werden.
- Vorteilsabschöpfung: Darüber hinaus kann das BKartA zur Abschöpfung erlangter wirtschaftlicher Vorteile dem Unternehmen die Zahlung eines entsprechenden Geldbetrags auferlegen.
- vorläufige Maßnahmen: Schließlich können vorläufige Maßnahmen (z.B. Lieferverpflichtung) angeordnet werden, wenn diese zum Schutz des Wettbewerbs oder aufgrund einer drohenden ernsthaften Schädigung eines anderen Unternehmens erforderlich sind.
Bei schwerwiegenden Verstößen gegen das Kartellverbot, kann das BKartA ein Kartellbußgeldverfahren einleiten. Dies trifft insbesondere bei Hardcore-Kartellen, d.h. Absprachen über Preise oder Mengen, sowie die Aufteilung von Absatzgebieten oder Kundengruppen zu. Nach Abschluss des Verfahrens kann ein Bußgeld verhängt werden. Für die Höhe des Bußgeldes gelten folgende Maßstäbe:
- Die Geldbuße für eine natürliche Person ist auf 1 Million Euro begrenzt.
- Für Unternehmen kann die Geldbuße bis zu 10 % des weltweiten Gesamtkonzernumsatzes betragen. Dabei wird der Umsatz auf der Grundlage des Umsatzes der „wirtschaftlichen Einheit“, d.h. der gesamten Unternehmensgruppe berechnet.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit anderen Ermittlungsbehörden aus?
- Auf nationaler Ebene arbeitet das BKartA insbesondere bei Absprachen im Zusammenhang mit öffentlichen Ausschreibungen eng mit der Staatsanwaltschaft zusammen, da diese als Submissionsbetrug in Deutschland unter Strafe gestellt sind. Neben der Bebußung des Unternehmens kann es daher auch zu einer strafrechtlichen Verurteilung von natürlichen Personen kommen.
- Auf europäischer Ebene arbeiten die nationalen Wettbewerbsbehörden eng über das European Competition Network (ECN) zusammen, das regelmäßig Treffen zu verschiedenen Branchen organisiert, um einen kontinuierlichen Austausch zu gewährleisten. Es ist üblich, dass sich die nationalen Wettbewerbsbehörden gegenseitig über mögliche Kartelle informieren, die die Märkte in den Mitgliedstaaten der EU betreffen.
- Auf internationaler Ebene arbeitet das BKartA mit Wettbewerbsbehörden weltweit zusammen. Das „International Competition Network“ (ICN) wird derzeit vom Präsidenten des BKartA, Andreas Mundt, geleitet.
In Teil 2 unserer Serie beleuchten wir die wesentlichen Abschnitte eines Kartellverfahrens: Jetzt weiterlesen!
Alle Informationen gesammelt finden Sie in einem Q&A unserer Kartellrechtsexperten für Legal500. Jetzt weiterlesen (auf Englisch).