Aktuelles aus dem Energierecht im Februar
Veröffentlicht am 20th Feb 2024
Neue Entwicklungen der EnWG-Novelle, Urteile des OLG Düsseldorf, OVG Magdeburg und LG Bayreuth uvm.
EnWG-Novelle passt Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen an
Am 09.02.2024 trat das Gesetz zur Änderung der Vorschriften des EnWG zu Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen in Kraft. [1] Das Änderungsgesetz dient, wie schon das erste Gesetz zur Änderung des EnWG zur Einführung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen (sog. Gasspeichergesetz), das am 30.04.2022 in Kraft getreten war, zuvörderst der Sicherstellung der Versorgungssicherheit.
Anknüpfend an das erste Änderungsgesetz, das als Reaktion auf die durch die russische Aggression in der Ukraine befeuerte Energiekrise in Deutschland beschlossen worden war, bewertet das zweite Änderungsgesetz die Situation nun neu, in dem es einige der ursprünglichen Krisenelemente verlängert oder gar permanent installiert werden. Im Kern regelt das Änderungsgesetz die zeitliche Verlängerung der Vorschriften des Teils 3a des EnWG zu den Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen und Gewährleistung der Versorgungssicherheit vom 01.04.2025 bis zum 01.04.2027. Zudem wurde der regulatorische Rahmen für die Ausgestaltung von strategischen Optionen zur Vorhaltung von Gas nach § 35c EnWG angepasst, um alternative Ausschreibungsmodalitäten zu ermöglichen. Die Mindestfüllstände wurden angepasst und liegen nun gemäß § 35b Abs. 1 Nr. 3 EnWG bei 30 Prozent (statt bei 40 Prozent). Damit passt der deutsche Gesetzgeber die Regeln dem europäischen Mindeststandard an.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens kam es im Ausschuss für Klimaschutz und Energie zur Streichung eines im ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung noch vorgesehenen Ausspeicherungsverbots und einer deutlichen Reduzierung eines zuvor in umfänglichem Maße vorgesehenen Berichtspflicht für Gaskraftwerkbetreiber. Das Ausspeicherungsverbot wurde vor dem Hintergrund gekippt, dass es zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit weiter möglich bleiben müsse, Gas, wenn unbedingt notwendig, ausspeichern und nutzbar zu machen, da andererseits künstliche Mangelsituationen geschaffen werden könnten. Die Berichtspflicht wurde reduziert, um den mit ihr einhergehenden Bürokratieaufwand mit ihrem Nutzen, der Überwachung der Machtposition, die sich für Unternehmen aus dem Handel mit dem kritischen Energieträger Gas ergibt, in ein ausgewogeneres Verhältnis zu setzen.[2]
OLG Düsseldorf zum Baukostenzuschuss für Batteriespeicher
Mit Beschluss vom 20.12.2023 erklärte das OLG Düsseldorf Baukostenzuschüsse („BKZ“) für netzgekoppelte Energiespeicher, die anhand des sog. Leistungspreismodells errechnet wurden, für diskriminierend im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 EnWG.[3]
Der Entscheidung liegt ein Netzanschlussbegehren der Beschwerde führenden Speicherbetreiberin zugrunde. Sie plant die Errichtung und den Betrieb eines netzgekoppelten Batteriespeichers, also eines Speichers, der vor Ort abgesehen von seinem Eigenverbrauch keinerlei Strom verbraucht. Die weitere Beteiligte, die Betreiberin des angrenzenden Verteilernetzes, hatte der Beschwerdeführerin die Bereitstellung von Netzanschlusskapazität auf Ebene der Mittelspannung zugesagt. Gleichzeitig forderte sie die Zahlung eines Baukostenzuschusses, den sie auf Basis des sog. Leistungspreismodells berechnete. Das Leistungspreismodell fußt auf einem Positionspapier der BNetzA zur Erhebung von Baukostenzuschüssen aus dem Jahr 2009.[4] Es basiert auf der Annahme, dass die dauerhafte Bereitstellung von Anschlusskapazität ein vermögenswertes Gut ist, welches in privatwirtschaftlichen Verhältnissen üblicherweise nur gegen Entgelt zur Verfügung gestellt wird.[5] Nach dem Leistungspreismodell hängt die Höhe des Baukostenzuschusses davon ab, wie viel Anschlussleistung vertraglich zur Verfügung gestellt wurde und wie die konkrete Netzsituation vor Ort ist. Gegen die BKZ-Forderung der Netzbetreiberin leitete die Beschwerdeführerin ein Missbrauchsverfahren gemäß § 31 EnWG bei der BNetzA ein. Sie beantragte, der Beteiligten die Forderung des BKZ dem Grunde und hilfsweise der Höhe nach zu untersagen. Die BNetzA wies den Antrag zurück, woraufhin die Speicherbetreiberin Beschwerde zum OLG Düsseldorf einlegte.
Die Begründung des OLG Düsseldorf
Das OLG Düsseldorf gab der Beschwerde teilweise statt und verpflichtete die BNetzA zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats. Nach Ansicht des Senats liegt in der unterschiedslosen Gleichbehandlung von netzgekoppelten Batteriespeichern mit anderen Letztverbrauchern bei der Berechnung des Baukostenzuschusses eine Diskriminierung im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 EnWG. Die Erhebung eines Baukostenzuschusses sei zwar bei rein netzgekoppelten Batteriespeichern grundsätzlich möglich.[6] Netzgekoppelte Batteriespeicher würden sich aber sowohl in tatsächlicher Hinsicht als auch nach normativer Beurteilung von anderen Letztverbrauchern unterscheiden.[7] Die Unterschiedlichkeit sei bei der Berechnung des Baukostenzuschusses unberücksichtigt geblieben, sodass ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EnWG vorliege.
Dem Leistungspreismodell liege die Annahme zugrunde, dass durch jedes weitere Kilowatt angeschlossener Leistung die Netzkosten stiegen. Denn, sofern der Baukostenzuschuss – wie üblich – einen Netzanschluss mit dauerhafter Entnahmemöglichkeit betreffe, könne auch die volle Kapazität dauerhaft genutzt werden. Speicheranlagen hätten diese Möglichkeit der dauerhaften Energieentnahme aufgrund ihrer begrenzten Kapazität dagegen nicht. Sei diese erreicht, müsse als Zwischenakt zwingend wieder Strom in das Netz eingespeist werden, bis eine weitere Entnahme möglich sei. Dieser Umstand sei bei der Berechnung des Baukostenzuschusses durch den beteiligten Netzbetreiber nicht berücksichtigt worden. Er sei jedoch relevant, weil die dauerhafte Bereitstellung von Einspeisekapazität einerseits nach üblicher Praxis, andererseits auch nach den Netzanschlussbedingungen der Beteiligten nicht mit einem Baukostenzuschuss verbunden sei.[8]
Weiterhin greife auch der Zweck von Baukostenzuschüssen, die angefragte Anschlusskapazität zu steuern (sog. Lenkungs- und Steuerungsfunktion), um einer Überdimensionierung des Verteilernetzes entgegenzuwirken,[9] nicht. Stattdessen wirkten die Baukostenzuschüsse beim Netzanschluss von rein netzgekoppelten Batteriespeichern in erster Linie standortsteuernd.[10] Insofern komme der Baukostenzuschussforderung faktisch eine neuartige, wesentlich andere Wirkung zu, von der die Beschwerdeführerin hier betroffen sei.[11]
Der Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 EnWG ergebe sich (jedenfalls) aus einer unionsrechtskonformen Auslegung der Norm. Bei der unterschiedslosen Gleichbehandlung von Batteriespeichern mit anderen Anschlusspetenten seien wesentliche Vorgaben und Zielsetzungen des Unionsgesetzgebers unberücksichtigt geblieben: Erstens sei aus zahlreichen unionsrechtlichen Vorschriften zu schlussfolgern, dass die Einspeiseseite, die bei der Berechnung nach dem Leistungspreismodell ausgenommen wird, mit einzuberechnen.[12] Zweitens werde der Energiespeicherung durch den Unionsgesetzgeber eine besondere Bedeutung bei der Energiewende beigemessen.[13] Indem die BNetzA die Leistungspreismethode ohne Differenzierung nach „Entnahmetypen“ angewendet und die Netzdienlichkeit von Batteriespeichern unbeachtet gelassen habe, handele sie unionsrechtswidrig.[14] Auch nach nationalem Recht sei Zurückhaltung geboten, Energiespeicheranlagen beim Netzanschluss schematisch entweder als Letztverbraucher oder als Erzeuger einzuordnen. Vielmehr seien sie aufgrund der Definition in § 3 Nr. 15d EnWG als eigene Einheit zu betrachten.[15]
Ausblick
Die BNetzA hat gegen den Beschluss Rechtsbeschwerde zum BGH eingelegt. Mit einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Positionspapiers ist damit erst in ein bis zwei Jahren zu rechnen. Es ist zu vermuten, dass die BNetzA mit einer Neufestlegung von BKZ-Forderungen für Speicherbetreiber bis zum Beschluss des BGH abwartet. Eine ausdrückliche Festlegungskompetenz in dieser Hinsicht hat der Gesetzgeber ihr in dem zum 29.12.2023 in Kraft getretenen § 17 Abs. 4 EnWG eingeräumt. Nach der Speicherstrategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz ist sie bereits jetzt aufgefordert, die Zweckmäßigkeit eines Verfahrens zur Neufestlegung von BKZ für Stromspeicher zu prüfen.[16]
Zur Vermeidung von Rechts- und Investitionsunsicherheit wäre die zügige Einleitung eines Festlegungsverfahrens wünschenswert. Während aktuell einige Speicherbetreiber auf die Erhebung von BKZ bis zur Entscheidung des BGH vollständig verzichten, halten andere an der BKZ-Forderung fest, verpflichten sich unter Verzicht auf die Einrede der Verjährung jedoch in Abhängigkeit von dem Verfahrensausgang beim BGH zur Rückerstattung.
Eine zügige Neufestlegung wäre nicht zuletzt im Interesse der Netzbetreiber wünschenswert. Denn diesen hat das OLG Düsseldorf einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 EnWG und damit gegen Energiekartellrecht bescheinigt, der bei schuldhaften Verhalten Schadensersatzansprüche nach § 32 EnWG auslösen kann. Schäden auf Seiten der Speicherbetreiber sind jedenfalls als Verzögerungsschäden denkbar. Allen Beteiligten und nicht zuletzt der Energiewende wäre damit mit zeitnaher Rechtssicherheit geholfen.
OVG Magdeburg und VG Düsseldorf zu erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in der Schutzgüterabwägung
Zwei jüngere Entscheidungen aus der Rechtsprechung zeigen einmal mehr den grundlegenden Paradigmenwechsel, der durch die Neufassung des § 2 EEG vom 29.07.2022 in der Schutzgüterabwägung bei Errichtung und Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ausgelöst wurde.[17]
Erneuerbare Energien gehen dem Denkmalschutz vor
Das VG Düsseldorf stellte in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung in einem Urteil vom 30.11.2023 klar, dass nach dem Inkrafttreten des § 2 EEG erneuerbaren Energien im Rahmen einer Schutzgüterabwägung nunmehr als vorrangiger Belang einzubringen seien, sodass der Denkmalschutz nur noch im Ausnahmefall aufgrund besonderer Umstände dem Ausbau erneuerbarer Energien entgegenstehen könne.[18]
Die Klägerin begehrte im Ausgangspunkt eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis, um auf ihrem Hausdach eine Photovoltaikanlage errichten zu können, was von der Beklagten jedoch teilweise mit Verweisen auf verschiedene Belange des Denkmalschutzes abgelehnt wurde. Die hiergegen gerichtete Verpflichtungsklage der Klägerin hatte Erfolg. Nach Ansicht des VG Düsseldorf stand ihr ein Anspruch auf Erlaubniserteilung aus § 9 Abs. 3 DSchG NRW zu, da ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlange, welches sich wiederum aus § 2 Satz 2 EEG ergebe.[19] Dem stünde auch nicht entgegen, dass die Gesetzgebungskompetenz für das Denkmalschutzrecht dem jeweiligen Landesgesetzgeber obliege, da der in § 2 EEG normierte Gewichtungsvorrang erneuerbarer Energien nur mittelbar das Denkmalschutzrecht als Fachrecht berühre und letztlich Ausformung des Klimaschutzgebotes aus Art. 20a GG sei, welchem hier Vorrang gebühre.[20]
Vorrang erneuerbarer Energien auch im einstweiligen Rechtsschutz
Dass der Vorrang erneuerbarer Energien aus § 2 EEG sogar über eine rein materiell-rechtliche Wirkung hinausgehe, konstatierte das OVG Magdeburg in seinem Beschluss vom 21.11.2023.
Im zugrunde liegenden Verfahren war die Antragstellerin aufgrund eines Planfeststellungsbeschlusses zur Errichtung einer Wasserkraftanlage berechtigt, wogegen ein Naturschutzverband klagte. Die Antragstellerin beantragte sodann vom Antragsgegner vergeblich die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Auch das Verwaltungsgericht lehnte eine Anordnung nach §§ 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO ab. Da eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu keinem abschließenden Ergebnis führte, hatte das Verwaltungsgericht allein anhand der Interessenlage der Beteiligten unter Berücksichtigung der Folgen des Vollzugs- und Suspensiveffekts zu entscheiden, was das OVG auf die spätere Beschwerde der Antragstellerin hin auch nicht beanstandete.[21]
Das Verwaltungsgericht vertrat allerdings noch die Auffassung, dass die Antragstellerin u.a. deswegen kein Interesse aus § 2 EEG herleiten könne, da sich der dort normierte Vorrang erneuerbarer Energien ausschließlich in einer materiell-rechtlichen Wirkung bei Abwägungsentscheidungen erschöpfe, darüber hinaus jedoch keine prozessuale Wirkung entfalte.[22] Dieser Auffassung erteilte das OVG auf die Beschwerde der Antragstellerin hin jedoch eine Absage: Das überragende öffentliche Interesse an der Errichtung und dem Betrieb Erneuerbarer-Energie-Anlagen sei nicht lediglich materiell-rechtlicher Natur, sondern sei auch bei Interessenabwägungen im vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz zu berücksichtigen.[23]
Hierzu stützte sich der Senat auf die Rechtsprechung des BVerfG, nach welcher eine Pflicht des Gesetzgebers aus Art. 20a GG und dem Grundrechtsschutz bestehe, Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels zu ergreifen, obgleich hieraus noch kein „absoluter Anwendungsvorrang“ von Maßnahmen zur CO2-Reduktion folge.[24] Eine stärkere Gewichtung erneuerbarer Energien ergebe sich jedoch ausweislich des Willens des Gesetzgebers aus der Neufassung des § 2 EEG, welcher die Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien in allen Rechtsbereichen anstrebe: Dieses betreffe zwar in erster Linie Schutzgüterabwägungen im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens, sei dieses jedoch bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen, könne der vom Gesetzgeber gewollten Beschleunigung grundsätzlich nur noch im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes Genüge getan werden.[25] Jene Intention könne auch am Rechtsgedanken des § 80c Abs. 4 VwGO festgemacht werden, welcher zwar für das hiesige Verfahren nicht anwendbar war, aber nach Ausführung des OVG für den Fall von gerichtlichen Vollzugsfolgenabwägungen jene Vorhaben bevorzuge, denen durch ein Bundesgesetz – wie § 2 EEG eines ist – eine solche gehobene Bedeutung beigemessen werde.[26]
LG Bayreuth zur Reichweite des StromPBG
Mit Urteil vom 30.11.2023 entschied das LG Bayreuth, dass auch Stromlieferanten, die ihre Kunden mittels sog. integrierter Stromlieferungsverträge beliefern, Elektrizitätsversorgungsunternehmen i. S. d. § 2 Nr. 6 StromPBG sind.[27] Sie hätten daher gegenüber dem Übertragungsnetzbetreiber Anspruch auf Erstattung der an ihre Kunden geleisteten Entlastungsbeträge sowie auf entsprechende Vorauszahlungen.
Das StromPBG dient der finanziellen Entlastung von Letztverbrauchern angesichts stark steigender Stromkosten. Nach § 4 Abs. 1 StromPBG müssen Elektrizitätsversorgungsunternehmen Letztverbrauchern eine Absenkung der Stromkosten in Höhe des monatlichen Entlastungsbetrags gewähren. Elektrizitätsversorgungsunternehmen wiederum haben Anspruch auf Erstattung dieser Entlastungsbeträgen gegenüber dem jeweiligen Übertragungsnetzbetreiber (§ 20 StromPBG).
In der dem Urteil zugrunde liegenden Konstellation verkaufte die Klägerin an ihre Kunden Strom mittels sog. „intergrierter“ Stromlieferungsverträge. Diese Verträge umfassen neben der Stromlieferung auch die Abwicklung der Netznutzung bis zur Entnahmestelle. Die Klägerin bezieht den Strom wiederum von Zwischenhändlern. Auch diese übernehmen nach der vertraglichen Vereinbarung die Abwicklung der Netznutzung bis zur Entnahmestelle, sodass dies nicht durch die Klägerin selbst vorgenommen wird. Ein separater Vertrag mit dem Netzbetreiber über die Netznutzung liegt folglich nicht vor; vielmehr ist dieser Aspekt bereits im Vertrag mit dem Zwischenhändler integriert.
Die Klägerin gewährte ihren Kunden Entlastungsbeträge nach § 4 StromPBG und beantragte eine Vorauszahlung nach §§ 20, 22a StromPBG bei der Beklagten, einer Übertragungsnetzbetreiberin. Die Forderung lehnte die Beklagte jedoch ab, da die Klägerin kein Elektrizitätsversorgungsunternehmen i.S.d. § 2 Nr. 6 StromPBG sei. Aus Sicht der Beklagten beliefere die Klägerin ihre Kunden– aufgrund der geschilderten Vertragsgestaltung – nämlich nicht über ein Netz, sondern erst ab der Entnahmestelle. Die Stromlieferung bis zur Entnahmestelle erfolge stattdessen durch die von der Klägerin beauftragten Zwischenhändler. Die Beklagte sah die Klägerin daher als Letztverbraucherin i.S.d. § 2 Nr. 12 StromPBG und nicht als Elektrizitätsversorgungsunternehmen i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 1 StromPBG.
Dieser Argumentation folgte das LG Bayreuth nicht. Es stufte die Klägerin vielmehr als Elektrizitätsversorgungsunternehmen nach § 2 Nr. 6 StromPBG ein,[28] also als „natürliche oder juristische Person, die Strom über ein Netz an Letztverbraucher liefert“. Der beantragte Zahlungsanspruch wurde zugesprochen.
Ausschlaggebend war insbesondere die Annahme des Gerichts, dass die Stromlieferung der Klägerin an Letztverbraucher „über ein Netz“ erfolge.[29] Entscheidend sei, dass der Gesetzgeber mit der Einschränkung in § 2 Nr. 6 StromPBG auf die Lieferung „über ein Netz“ lediglich Liefersachverhalte innerhalb von Kundenanlagen ausschließen wollte.[30] Dies entspreche auch der Gesetzesbegründung,[31] die ebenfalls keine Vorgaben enthalte, wie der Strom zur Netzentnahmestelle gelangen müsse. Dies spreche dafür, dass eine Lieferung über Zwischenhändler über integrierte Stromverträge, wie im vorliegenden Fall, nicht ausgenommen seien.[32] Das LG Bayreuth ging zudem davon aus, dass der Gesetzgeber die hier zugrundeliegende Konstellation vom Erstattungsanspruch nach § 20 StromPBG (bzw. vom Anspruch auf Vorauszahlung nach § 22a StromPBG) ausdrücklich ausgenommen hätte.[33] Für eine Einstufung der Klägerin als Elektrizitätsversorgungsunternehmen und damit die Zuerkennung des Erstattungsanspruchs spreche auch, dass die tatsächlichen Endverbraucher sonst keinen eigenen Anspruch auf den Entlastungsbetrag nach § 4 StromPBG hätten, obwohl gerade sie von stark steigenden Stromkosten betroffen seien und geschützt werden sollen (§ 1 Satz 1 StromPBG).[34]
BNetzA zur Neuordnung des Regulierungsrahmens für Strom- und Gasnetzbetreiber
Nach dem Urteil des EuGH vom 02.09.2021, mit dem dieser feststellte, dass die durch den deutschen Gesetz- und Verordnungsgeber vorstrukturierte „normative“ Regulierung gegen eine europarechtlich geforderte ausschließliche Zuständigkeit und Unabhängigkeit der BNetzA verstoße[35] und nach dessen Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber mit der EnWG-Novelle vom 28.12.2023,[36] legte die BNetzA am 18.01.2024 ein Eckpunktepapier zur Weiterentwicklung des Regulierungsrahmens für Strom- und Gasnetzbetreiber vor.[37] Zudem gründete sie auf der Grundlage von § 59 Abs. 3 EnWG eine Große Beschlusskammer.
Große Beschlusskammer
Die der Regulierung durch die BNetzA bisher zugrundeliegenden Verordnungen, GasNEV, StromNEV, GasNZV, StromNZV und ARegV werden nach einer Übergangsphase außer Kraft treten[38] und die BNetzA wird sodann in eigener Zuständigkeit Festlegungen zu den Bedingungen und Methoden für den Netzzugang und zu den Bedingungen und Methoden zur Ermittlung der dafür erhobenen Entgelte treffen. Sie muss folglich künftig den Regulierungsrahmen eigenständig entwickeln und im Rahmen von Festlegungsverfahren unter fachlichen Gesichtspunkten eigenständig begründen. Grundlage hierfür werden vor allem die wenigen Grundprinzipien des Europarechts sowie des nationalen Rechts darstellen, aus denen die BNetzA ein ausdifferenziertes Regelwerk ableiten muss.
Um diesen Regulierungsanforderungen gerecht zu werden sieht § 59 Abs. 3 EnWG die Bildung einer Großen Beschlusskammer vor. Sie besteht aus dem Präsidium, den sachlich zuständigen Vorsitzenden der Beschlusskammern 4, 6 bis 9 und den Abteilungsleitungen der Abteilungen 3 (Internationales), 6 (Energie) und 8 (Netzausbau).[39] Sie trifft bundesweit einheitliche Festlegungen zu den Bedingungen und Methoden für den Netzzugang und zu den Bedingungen und Methoden zur Ermittlung der dafür erhobenen Entgelte gemäß §§ 20 bis 23a, 24 bis 24b sowie 28o Abs. 3 EnWG. Ihre Entscheidungen trifft die Große Beschlusskammer in der Besetzung des Präsidenten oder seiner Vertretung als Vorsitzenden und fünf Beisitzenden, mit der Mehrheit der zur jeweiligen Entscheidung stimmberechtigten Mitglieder; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
Nach Auffassung der BNetzA sind alle Festlegungen aus dem Bereich der Kosten- bzw. Erlösermittlung und Anreizregulierung, die den bisherigen Verordnungsrahmen ersetzen und damit Nachfolgeregelungen für die bisherige ARegV, StromNEV und GasNEV darstellen, als „bundesweit einheitliche Festlegungen“ einzustufen und daher bei der Großen Beschlusskammer angesiedelt.[40] Vorgesehen sind „Rahmenfestlegungen“, die von der Großen Beschlusskammer erlassen werden und die Bestimmungen des Regulierungssystems in ihren wesentlichen Elementen zum Gegenstand haben sollen, wie zum Beispiel die abstrakte Ausgestaltung der Dauer der Regulierungsperiode, Vorgaben eines individuellen Effizienzvergleichs oder eines generellen sektoralen Produktivitätsfaktors.[41] Daneben soll die Große Beschlusskammer sog. „Methodenfestlegungen“ treffen, die die konkrete Ausgestaltung der wesentlichen Elemente des in der Rahmenfestlegung bestimmten Regulierungssystems zum Gegenstand haben sollen, wie etwa Bestimmungen dazu, nach welchen Grundsätzen und Methoden die Effizienzwerte der kalkulatorische Eigenkapitalzins ermittelt wird.[42] Zudem sind „Einzelfestlegungen“ vorgesehen, die wie bisher in die Zuständigkeiten der einzelnen Beschlusskammern fallen sollen und die unternehmens- oder periodenbezogen getroffen wurden, beispielsweise zur Bestimmung der individuellen Erlösobergrenzen, des konkreten Eigenkapitalzinssatzes, des Effizienzwertes und des Produktivitätsfaktors. Diese sollen jeweils aus den Methodenfestlegungen und der in der Rahmenfestlegung beschriebenen Gesamtsystematik abgeleitet werden.[43]
Eine zeitliche Grobstrukturierung sieht eine grundlegende Ausgestaltung des Regulierungssystems, d. h. der Rahmenfestlegungen, bis Ende 2025 vor sowie die Ausgestaltung einzelner Methodenfestlegungen ebenfalls bis Ende 2025 vor. Einzelfestlegungen sollen dann bis zum jeweiligen Beginn der 5. Regulierungsperiode Gas Anfang 2028 bzw. Strom Anfang 2029 erfolgen.[44]
Eckpunktepapier
In der Zäsur durch die Entscheidung des EuGH sieht die BNetzA Anlass, das bestehende Regulierungssystem einer inhaltlichen Überprüfung zu unterziehen.[45] Hierzu stellt sie in ihrem Eckpunktepapier erste Überlegungen an, die die Grundlage der in den Jahren 2024 und 2025 durchzuführenden Festlegungsverfahren sein sollen. Das Eckpunktepapier soll insofern den Startpunkt für den sich anschließenden Umsetzungsprozess der Neuordnung der BNetzA bilden. Es enthält 15 Thesen für eine Weiterentwicklung des Regulierungsrahmens. Hierzu fand zudem am 02.02.2024 eine Auftaktveranstaltung statt, zu der die BNetzA Vertreter der Netzbetreiber, der Energiebranche, der Wissenschaft, Behörden, Gerichtsbarkeit und Arbeitnehmervertreter geladen hatte. Rückmeldungen erbat sie bis zum 29.02.2024.[46]
Hintergrund der Neuordnung des Regulierungsrahmens sind die geänderten Rahmenbedingungen im Zuge der Energiewende. Hatte die Regulierung in der Anfangsphase den Fokus, die Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes umzusetzen, d. h., Wettbewerb im Erzeugungs- und Handelsmarkt zu ermöglichen sowie bestehende Ineffizienzen aus der Vergangenheit zu identifizieren und abzuschöpfen, so rückte mit der Energiewende insbesondere im Strombereich schon in der Vergangenheit verstärkt auch die Begleitung des Netzausbaus in den Fokus. Damit einher ging etwa die Implementierung der Erweiterungsfaktoren und der Investitionsbudgets sowie die Einführung volatiler Kosten und des Kapitalkostenabgleichs.
Das energiewirtschaftliche Umfeld hat sich für die Netzbetreiber innerhalb der letzten Jahre massiv geändert. Das im Klimaschutzgesetz verankerte Ziel, bis zum Jahr 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen, führt im Strombereich zu einer deutlichen Ausweitung der erneuerbaren Stromerzeugung und einer Ausweitung des Strom- statt Gas-, Kohle- oder fossilen Kraftstoffverbrauchs in vielen Sektoren. Erforderlich wird ein massiver Ausbau und eine Ertüchtigung der Netze für den Anschluss und die Einspeisung von Strom aus zahlreichen erneuerbarer Erzeugungsanlagen sowie für den Anschluss und den Energiebezug zahlreicher zusätzlicher Verbraucher (bspw. Wärmepumpen und Elektroautos).[47] Damit einher gehen massiver Investitionsbedarf sowie ein starker Bedarf an Digitalisierung und Standardisierung. Im Gasbereich setzt eine gegensätzliche Entwicklung ein: Im Zuge der Elektrifizierung wird die Bedeutung von Erdgas in vielen Sektoren abnehmen. Teile des Erdgasnetzes werden perspektivisch für den Transport von Wasserstoff genutzt, der deutlich überwiegende Teil wird jedoch über das Jahr 2045 hinaus nicht mehr genutzt und stillgelegt werden. Dies macht im Gasbereich eine kurzfristige Umgestaltung der Netze auf den Transport von Wasserstoff sowie neue Transportrichtungen und Einbindung von LNG-Terminals erforderlich.[48]
Nach den Thesen der BNetzA soll die Grundkonzeption der Anreizregulierung beibehalten werden, da diese sich nach Ansicht der BNetzA bewährt hat.[49] Um den Netzbetreibern die Möglichkeit zu geben, starke Kostenänderungen im Bereich der OPEX kurzfristiger in die Bestimmung der Erlösobergrenze einbringen zu können, sieht die BNetzA jedoch eine Verkürzung der Regulierungsperiode von fünf auf drei Jahre als sinnvoll an.[50] Weitere Thesen betreffen wichtige Einzelaspekte der Anreizregulierung, wie etwa die Definition dauerhaft nicht beeinflussbarer Kosten,[51] eine Weiterentwicklung des Effizienzvergleichs,[52] Anpassungen bei der Festlegung des Eigenkapitalzinssatzes[53] oder eine Erweiterung der Qualitätsregulierung um Anreize zur Steigerung der „Energiewendekompetenz“[54]. Mit letzterem sollen diejenigen Netzbetreiber belohnt werden, die bei der Transformation ihrer Stromnetze in der Energiewende eine besonders hohe Kompetenz zeigen.
EuG zum Beihilfencharakter der KWKG-Förderung
Mit Urteil vom 24.01.2024 entschied das EuG, dass der im KWKG geregelte Förderungsmechanismus keine Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt.[55] Die Europäische Kommission stufte diesen Mechanismus am 03.06.2021 als staatliche Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV ein, da die Förderung aus staatlichen Mitteln finanziert werde. Dagegen erhob die Bundesrepublik Deutschland Klage. Sie wendete sich gegen die Feststellung, dass die Förderung aus staatlichen Mitteln gewährt worden sei.[56] Wie auch bereits der EuGH zur EEG-Umlage,[57] entschied nun auch das EuG, dass die KWKG-Förderung keine Beihilfe darstelle, weil die durch den Fördermechanismus entstandenen Mehrkosten nur in der Praxis und nicht ipso iure an die Endkunden abgewälzt werden. Damit Gelder als „staatliche Mittel“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen werden könnten, seien sie durch eine Steuer oder andere obligatorische Abgaben aufzubringen.[58] Die Europäische Kommission habe bei ihrer Entscheidung vom 03.06.2021 die Rechtsprechung, welche die Kriterien einer Steuer oder anderer obligatorischer Abgaben festlegt, verkannt.[59] Es reiche nicht aus, dass die mit der Abgabe verbundene finanzielle Last de facto von einer bestimmten Personengruppe getragen wird. Die Abgabe müsse nämlich nach nationalem Recht verpflichtend sein. Das sei mit Blick auf den vorliegenden Mechanismus aber nicht der Fall.
Zu guter Letzt
Mit Veröffentlichung der Stromspeicher-Strategie[60] am 08.12.2023 möchte das BMWK den aktuell zu beobachtenden Hochlauf von Stromspeichern unterstützen und deren optimale Integration in das Stromsystem erreichen. In dem Papier stellt das BMWK sein zukünftig beabsichtigtes Vorgehen in Bezug auf Stromspeicher dar. Bis zum 16.01.2024 hatten Branchenverbände die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben. Nach einer Darstellung der wesentlichen Anknüpfungspunkte im aktuell geltenden Rechtsrahmen identifiziert das BMWK im Rahmen einer Hemmnisanalyse verschiedene Bereiche, in denen rechtspolitischer Handlungsbedarf besteht. Zwar handelt es sich bei dem Papier – etwa mit Blick auf die noch immer unzureichend ausgestaltete Marktrolle von Stromspeichern im Regulierungsrahmen – nicht um einen regulatorischen Rundumschlag. Dennoch werden viele bekannte Forderungen der Branche aufgegriffen. Das BMWK thematisiert die erst kürzlich vorgenommene Verlängerung der Netzentgeltbefreiung für Großspeicher gemäß § 118 Abs. 6 EnWG bis 2029. Auch zeigt es die Folge der aktuell zur Anwendung kommenden Netzentgeltsystematik auf, welche die Wirtschaftlichkeit von Kleinspeichern beim Netzbezug einschränkt. Des Weiteren stellt das BMWK das noch immer für Stromspeicher geltende Ausschließlichkeitsprinzip in Frage. Aktuell geht der Förderanspruch aus dem EEG für Stromspeicher, die neben Grünstrom auch Graustrom speichern, verloren. Das BMWK prüft daher die Möglichkeit, die Förderung zumindest für den gespeicherten Grünstrom-Anteil aufrechtzuerhalten. Weitere Maßnahmen der Strategie umfassen die transparente und einheitliche Gestaltung von Baukostenzuschüssen, die Förderung marktgestützter Beschaffungssysteme zur Steigerung der Systemstabilität und die Aktivierung der Potenziale des bidirektionalen Ladens von Elektromobilen. Nicht zuletzt sollen genehmigungsrechtliche Hürden abgebaut und die lokale Akzeptanz von Großspeichern vorangebracht werden. Insgesamt zeigt die Stromspeicher-Strategie den politischen Willen, den Ausbau von Stromspeichern zu fördern. Die dargelegten Maßnahmen zur Anpassung des Rechtsrahmens sind überwiegend erfreulich und werden dazu beitragen, den Markthochlauf von Stromspeichern weiter zu beschleunigen. Mit Blick auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 20.12.2023, nach der zumindest die Berechnung von Baukostenzuschüssen nach dem Leistungspreismodell gegen das Diskriminierungsverbot nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EnWG verstoße,[61] sollte der Gesetzgeber möglichst schnell Rechtssicherheit schaffen.
Am 05.02.2024 einigten sich Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner auf eine Kraftwerksstrategie für Deutschland.[62] Kern der Strategie ist der Ausbau von Kraftwerkskapazitäten in Höhe von bis zu viermal 2,5 Gigawatt als „H2-ready“-Gaskraftwerke. Damit soll einerseits ein Rahmen für Investitionen in moderne und klimafreundliche Kraftwerke geschaffen und andererseits die Versorgungssicherheit und Systemstabilität gewährleistet werden. Die Kraftwerke sollen an systemdienlichen Standorten errichtet und zunächst mit Erdgas betrieben werden. Sie sollen jedoch „H2-ready“ sein, d.h. in Zukunft auf den Betrieb mit grünem, klimafreundlichem Wasserstoff umgestellt werden können. Nach den Plänen der Bundesregierung soll die Umstellung zwischen 2035 und 2040 abgeschlossen sein. In Abkehr vom bisherigen Strommarktdesign sollen die neuen Kraftwerke vollständig in einen marktbasierten, technologieneutralen Kapazitätsmechanismus integriert werden, der im Rahmen in einem zukünftigen Strommarktdesigns neu geschaffen werden soll. Der Handel soll demnach nicht mehr mit erzeugten und verbrauchten Strommengen, sondern mit vorgehaltener Leistung und Kapazität erfolgen. Eine politische Verständigung über die Ausgestaltung eines solchen Kapazitätsmechanismus soll nach Angaben der Bundesregierung bis spätestens Sommer 2024 erfolgen, das Konzept bis spätestens 2028 operativ umgesetzt sein. Die geplanten Gaskraftwerke sollen lediglich eine unterstützende Funktion haben und nur dann zum Einsatz kommen, wenn die erneuerbaren Energien nicht genügend Strom liefern. Damit der Ausbau dennoch wirtschaftlich realisiert werden kann, sieht die Kraftwerksstrategie eine staatliche Ausbauförderung in noch unbekannter Höhe vor. Die Verteilung soll über Ausschreibungen erfolgen, um die sich Unternehmen bereits ab 2024 bewerben können sollen. Die Einigung zur Kraftwerksstrategie wurde von der Energiewirtschaft überwiegend begrüßt. Trotzdem sind wesentliche Fragen noch offen. So liegt beispielsweise noch kein Konzept für die geplanten Ausschreibungen vor. Auch die Konditionen der staatlichen Förderung sind noch unklar. Im Raum steht ein zweistelliger Milliardenbetrag, der aus dem Klima- und Transformationsfond stammen soll. Unklar ist auch, ob ein Ausbau in Höhe von 10 GW ausreichend ist, um die Versorgungssicherheit ab 2030 gewährleisten zu können. Die geplante Kraftwerksstrategie soll nunmehr mit der EU-Kommission in Brüssel beraten und anschließend mit der Öffentlichkeit konsultiert werden.
Aktuell wird in Berlin und Brüssel über die Berücksichtigung sog. „Resilienzkriterien“ für Solaranalgen-betreiber diskutiert. Hintergrund ist die Befürchtung, dass die deutsche und europäische Solarindustrie im internationalen Wettbewerb zukünftig nicht bestehen kann. Für die betroffenen Unternehmen bestehen wegen des niedrigeren Skalierungsgrades und der höheren Herstellungskosten signifikante Kostennachteile gegenüber der Importkonkurrenz aus China. Genauso existiere in den USA mit dem „Inflation Reduction Act“ eine sehr starke Förderkulisse.[63] Es steht zu befürchten, dass in Deutschland produzierende Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern. Verbände fordern den deutschen Gesetzgeber daher auf, mit dem sich im Gesetzgebungsverfahren befindenden „Solarpaket 1“[64] auch sogenannte Resilienzboni einzuführen.[65] Sie sollen deutsche Solaranlagen-Betreiber zum Kauf von Modulen und Zellen aus europäischer Fertigung anregen. Betreiber von Solarsystemen, die nicht zur Teilnahme an Ausschreibungen berechtigt sind, aber Anlagen mit europäischer Wertschöpfungstiefe betreiben, sollen den Forderungen zufolge eine erhöhte EEG-Förderung erhalten. Diese Forderung wird kontrovers diskutiert. Parallel hierzu wird voraussichtlich die Netto-Null-Industrie-Verordnung („NNIV“) bis März 2024 vom Europäischen Parlament verabschiedet.[66] Der Rechtsakt sieht vor, dass zukünftig im Rahmen von PV-Ausschreibungen auch Resilienzkriterien relevant werden.
[1] BT-Drs. 20/9094, 20/9612 und 20/10094.
[2] Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 20/9094; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Klimaschutz und Energie, BT-Drs. 20/10094; Videoaufnahme der Debatte im Bundestag zum Gesetzesentwurf vom 18.01.2024, abrufbar unter www.bundestag.de.
[3] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2023 - 3 Kart 183/23.
[4] BNetzA, Positionspapier zur Erhebung von Baukostenzuschüssen (BKZ) für Netzanschlüsse im Bereich von Netzebenen oberhalb der Niederspannung, Az.: BK6p-06-003.
[5] BNetzA, Positionspapier, S. 1.
[6] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2023 - 3 Kart 183/23, Rn. 53.
[7] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2023 - 3 Kart 183/23, Rn. 77 ff.
[9] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2023 - 3 Kart 183/23, Rn. 55, 82, 98 m.w.N.; BNetzA, Positionspapier, S. 2.
[11] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2023 - 3 Kart 183/23, Rn. 87, 95.
[12] Insbesondere werde die Energiespeicherung in zahlreichen Vorschriften neben oder in engem Zusammenhang mit der Energieerzeugung genannt, ebd., Rn. 96.
[13] Verweis auf Art. 3 RL (EU) 2019/944, dessen Abs. 1 ein Investitionsbehinderungsverbot explizit (auch) für Energiespeicherung regelt und welcher für eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EnWG heranzuziehen sei, Rn. 97, 106.
[14] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2023 - 3 Kart 183/23, Rn. 98, 106.
[15] Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2023 - 3 Kart 183/23, Rn. 85 mit Verweis auf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.02.2022 – VI-3 Kart 37/21 [V], Rn. 130 ff.
[16] BMWK, Stromspeicherstrategie, Stand: Dezember 2023, S. 15, abrufbar unter: www.bmwk.de (letzter Abruf: 15.02.2024).
[17] Zur Neufassung des § 2 EEG vgl. BT-Drs. 20/1630, S. 139, 158 ff.
[18] VG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2023 – 28 K 8865/22, Rn. 21, 23 – juris.
[19] VG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2023 – 28 K 8865/22, Rn. 27 – juris.
[20] VG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2023 – 28 K 8865/22, Rn. 29 ff. – juris.
[21] Vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 21.11.2023 – 2 M 40/23, Rn. 21 f., 40 ff. – juris.
[22] OVG Magdeburg, Beschl. v. 21.11.2023 – 2 M 40/23, Rn. 24 – juris.
[23] OVG Magdeburg, Beschl. v. 21.11.2023 – 2 M 40/23, Rn. 53 f. – juris.
[24] OVG Magdeburg, Beschl. v. 21.11.2023 – 2 M 40/23, Rn. 52 – juris mit Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 23.03.2022 – 1 BvR 1187/17, Rn. 105 ff. – juris.
[25] OVG Magdeburg, Beschl. v. 21.11.2023 – 2 M 40/23, Rn. 53 – juris; vgl. auch BT-Drs. 20/1630, S. 139.
[26] OVG Magdeburg, Beschl. v. 21.11.2023 – 2 M 40/23, Rn. 55 – juris.
[27] LG Bayreuth, Urt. v. 30.11.2023 – 1 HKO 30/23, BeckRS 2023, 36540.
[28] LG Bayreuth, Urt. v. 30.11.2023 – 1 HKO 30/23, Rn. 28.
[29] Dazu, dass die Klägerin trotz Einsatz von Zwischenhändlern Strom an Letztverbraucher liefert, LG Bayreuth, Urt. v. 30.11.2023 – 1 HKO 30/23, Rn. 30.
[30] § 2 Nr. 6 StromPBG, Rn. 35; zustimmend Eder, IR 2024, 21.
[31] BT-Drs. 20/4685, S. 76.
[32] LG Bayreuth, Urt. v. 30.11.2023 – 1 HKO 30/23, Rn. 41.
[33] Vgl. auch Eder, IR 2024, 21.
[34] LG Bayreuth, Urt. v. 30.11.2023 – 1 HKO 30/23, Rn. 42.
[35] EuGH, Urt. v. 02.09.2021 – C-718/18.
[36] Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts an unionsrechtliche Vorgaben und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 20/7310 v. 19.06.2023, geändert durch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Klimaschutz und Energie v. 08.11.2023, BT-Drs. 20/9187.
[37] BNetzA, Eckpunktepapier Netze. Effizient Sicher. Transformiert v. 18.01.2024, abrufbar auf der Internetseite der BNetzA: www.bundesnetzagentur.de.
[38] BT-Drs. 20/7310, 49.
[39] BNetzA, Große Beschlusskammer, Internetseite www.bundesnetzagentur.de.
[40] BNetzA, Organisation der Großen Beschlusskammer, Auftaktveranstaltung Eckpunktepapier Netze. Effizient. Sicher. Transformiert, 02.02.2024, Folie 8, abrufbar auf der Internetseite der BNetzA: www.bundesnetzagentur.de.
[41]BNetzA, Organisation der Großen Beschlusskammer, Auftaktveranstaltung Eckpunktepapier, 02.02.2024, Folie 10, abrufbar auf der Internetseite der BNetzA: www.bundesnetzagentur.de
[42] BNetzA, Organisation der Großen Beschlusskammer, Auftaktveranstaltung Eckpunktepapier, 02.02.2024, Folie 10, abrufbar auf der Internetseite der BNetzA: www.bundesnetzagentur.de.
[43] BNetzA, Organisation der Großen Beschlusskammer, Auftaktveranstaltung Eckpunktepapier, 02.02.2024, Folie 10.
[44] BNetzA, Organisation der Großen Beschlusskammer, Auftaktveranstaltung Eckpunktepapier, 02.02.2024, Folie 12, 13, 14.
[45] BNetzA, Eckpunktepapier Netze. Effizient. Sicher. Transformiert v. 18.01.2024, S. 3.
[46] BNetzA, Große Beschlusskammer, Internetseite www.bundesnetzagentur.de.
[47] BNetzA, Eckpunktepapier Netze. Effizient. Sicher. Transformiert v. 18.01.2024, S. 8 f., abrufbar auf der Internetseite der BNetzA: www.bundesnetzagentur.de.
[48] BNetzA, Eckpunktepapier v. 18.01.2024, S. 8 f.
[49] BNetzA, Eckpunktepapier v. 18.01.2024, S. 12.
[50] BNetzA, Eckpunktepapier v. 18.01.2024, S. 13.
[51] BNetzA, Eckpunktepapier v. 18.01.2024, S. 14f.
[52] BNetzA, Eckpunktepapier v. 18.01.2024, S. 15f.
[53] BNetzA, Eckpunktepapier v. 18.01.2024, S. 21f.
[54] BNetzA, Eckpunktepapier v. 18.01.2024, S. 16f.
[55] EuG, Urt. v. 24.01.2024 – T‑409/21.
[56] EuG, Urt. v. 24.01.2024 – T‑409/21, Rn. 33.
[57] EuGH, Urt. v. 28.03.2019 – C-405/16 P.
[58] EuGH, Urt. v. 12.01.2023 – C‑702/20 und C‑17/21, Rn. 35 m.w.N.
[59] EuG, Urt. v. 24.01.2024 – T‑409/21, Rn. 63.
[60] BMWK, Stromspeicher-Strategie, Handlungsfelder und Maßnahmen für eine anhaltende Ausbaudynamik und optimale Systemintegration von Stromspeichern, Stand 08.12.2023, abrufbar hier: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/S-T, zuletzt abgerufen im Feb. 2024.
[61] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.2023 - 3 Kart 183/23.
[62] Vgl. Gemeinsame Pressemitteilung der Bundesregierung zur Einigung zur Kraftwerksstrategie vom 05.02.2024, abrufbar unter www.bmwk.de, zuletzt abgerufen am 14.02.2024; Pressemitteilung der Bundesregierung zur Kraftwerksstrategie für wasserstofffähige Kraftwerke vom 05.02.2024, abrufbar unter /www.bundesregierung.de, zuletzt abgerufen am 14.02.2024.
[63] Pv magazin, Ein Jahr nach Verabschiedung des IRA hat die Renaissance der Solarindustrie in den USA begonnen, 18.08.2023, abrufbar unter: www.pv-magazine.de, (zuletzt abgerufen am 14.02.2024).
[64] BT-Drs. 20/8657.
[65] Siehe etwa Stellungnahme des Bundesverbandes Solarwirtschaft e.V. zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie am 15.11.2023 zum Gesetzentwurf zur Umsetzung des Solarpakets I, S. 57, abrufbar unter: www.solarwirtschaft.de (zuletzt abgerufen am 14.02.2024).