Wettbewerbsregister: Pflicht zur Berücksichtigung bei Ausschreibungen öffentlicher Auftraggeber ab dem 1. Juni 2022
Veröffentlicht am 31st May 2022
Ab 1. Juni 2022 müssen öffentliche Auftraggeber vor (fast) jeder Vergabeentscheidung im neu geschaffenen, zentralen deutschen Wettbewerbsregister prüfen, ob vergaberelevante Eintragungen für den für die Vergabeentscheidung favorisierten Bieter vorliegen, die ggf. einen Ausschluss vom Vergabeverfahren fordern. Im schlimmsten Fall, bedeutet dies für Bieter einen Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren über einen Zeitraum von mehreren Jahren und im gesamten Bundesgebiet. Die wichtigsten Eckpunkte hierzu in Kürze:
Worum geht es?
Das Wettbewerbsregister ist eine zentrale, bundesweite Datenbank, die vom Bundeskartellamt geführt und die von öffentlichen Auftraggebern sowie Konzessions- und Sektorenauftraggebern genutzt wird. Im Wettbewerbsregister eingetragen werden Informationen zu vergaberelevanten Gesetzesverstößen, die es Vergabestellen ermöglichen sollen, den Ausschluss von Bietern vom Vergabeverfahren zu prüfen.
Die rechtliche Grundlage für die Einführung des Wettbewerbsregisters wurde bereits 2017 geschaffen, die Einführung verzögerte sich seitdem immer wieder. Nach nunmehr erfolgter Einführung müssen mitteilungspflichtige Behörden bereits seit 1. Dezember 2021 registerrelevante Verstöße zum Wettbewerbsregister melden. Nach einer Übergangszeit von sechs Monaten sind ab 1. Juni 2022 dann auch öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, vor der Vergabe öffentlicher Aufträge Informationen über Bieter im Wettbewerbsregister abzufragen – und Bieter ggf. auf dieser Basis auszuschließen.
Das Wettbewerbsregister soll auf lange Sicht das Gewerbezentralregister sowie die von einigen Bundesländern geführten Landesvergabe- bzw. Korruptionsregister ablösen. Bestimmte Verstöße wurden jedenfalls in den meisten Bundesländern auch in der Vergangenheit bereits registriert. Bisher sehen die entsprechenden Landesgesetze jedoch allenfalls Zuständigkeit der Registerbehörden und Abfragepflicht innerhalb des eigenen Bundeslands vor.
Ab dem 1. Juni 2022 besteht nunmehr erstmalig die Pflicht Daten bundesweit aus einem umfassenden Register über vergaberelevante Gesetzesverstöße abzufragen.
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Für wen ist die Neuregelung relevant?
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Relevant ist die Neuregelung für alle Unternehmen, die sich an öffentlichen Vergabeverfahren beteiligen oder beteiligen wollen. Für Vergabeverfahren ab einem Volumen von bereits EUR 30.000 besteht künftig eine Abfragepflicht – auch im Unterschwellenbereich. Wird in Bietergemeinschaft angeboten, werden Daten für alle Mitglieder der Bietergemeinschaft separat abgefragt.
Für Konzessions- und Sektorenauftraggebern entsteht eine Abfragepflicht zwar erst bei Erreichen der Schwellenwerte von derzeit EUR 428.000 (Sektoren) bzw. EUR 5.350.000 (Bau- und Dienstleistungskonzessionen), für diese gilt jedoch, wie im Übrigen für andere öffentliche Auftraggeber auch, eine freiwillige Abfragemöglichkeit der Vergabestelle auch unterhalb der genannten Schwellenwerte.
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Was wird im Register eingetragen?
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Das Wettbewerbsregister wird beim Bundeskartellamt geführt und soll alle relevanten Verstöße und Straftaten von Unternehmen bzw. solcher Personen, deren Verhalten dem Unternehmen zuzurechnen ist, enthalten. Dabei werden nicht alle Verstöße per se erfasst, sondern nur besonders vergaberelevante, die das Gesetz abschließend aufzählt. Dazu zählen beispielsweise:
- Geldwäsche, § 261 StGB, Terrorismusfinanzierung, § 89c StGB;
- Betrug, § 263 StGB und Subventionsbetrug, § 264 StGB, wenn er sich gegen öffentliche Haushalte richtet;
- Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr bzw. Gesundheitswesen (§§ 299 ff. StGB); Vorteilsgewährung und Bestechung (§§ 333 f. StGB);
- Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB;
- Steuerhinterziehung nach § 370 AO;
- Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen, § 298 StGB (sog. Submissionsbetrug) und kartellrechtliche Bußgelder ab einer Bußgeldhöhe von EUR 50.000;
- Verstöße gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und andere arbeitsrechtliche Vorschriften.
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Wer erhält Zugang zum Wettbewerbsregister?
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Das Wettbewerbsregister ist kein frei zugängliches Register. Abgefragt werden können Daten konkret zu benennender Unternehmen nur durch öffentliche Auftraggeber.
Die Informationen über Eintragungen sind vertraulich und dürfen nur für Vergabeentscheidungen genutzt werden. Das muss die abfragende Vergabestelle durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen.
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Ist die Behörde bei jeder Eintragung verpflichtet, ein Unternehmen vom Verfahren auszuschließen?
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Nach den Vorschriften des deutschen Vergaberechts führt nicht jeder Gesetzesverstoß automatisch zum Ausschluss vom Vergabeverfahren (Vergabesperre).
Nur bei besonders gravierenden Verfehlungen, v.a. bei Straftaten wie etwa Betrug, Geldwäsche oder Bestechung oder bei Nichtentrichtung von Steuern oder Sozialabgaben hat die Vergabestelle Bieter zwingend auszuschließen, § 123 GWB. In diesen Fällen wird der öffentliche Auftraggeber daher in aller Regel keine andere Wahl haben, als einen Bieter mit einer entsprechenden Eintragung auszuschließen.
Anders ist dies in Fällen, in denen der Ausschluss vergaberechtlich möglich, aber nicht zwingend ist, § 124 GWB: hier steht der Vergabestelle ein Entscheidungsspielraum zu, ob sie aufgrund der Eintragung ausschließt oder nicht.
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Wie können Eintragungen im Wettbewerbsregister geprüft werden?
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Vor jeder Eintragung in das Wettbewerbsregister erhalten Unternehmen eine Information in Textform über den Inhalt der geplanten Eintragung. Das betroffene Unternehmen kann hierzu binnen zwei Wochen Stellung nehmen und etwa unrichtige Daten korrigieren lassen. Hier empfiehlt sich sorgsame Prüfung, denn andernfalls bleibt nur der Rechtsweg – währenddessen die Eintragung allerdings voll wirksam bleibt.
Ab 1. Juni 2022 besteht für interessierte Unternehmen außerdem erstmalig die Möglichkeit, einen Antrag auf Auskunft über Eintragungen zum eigenen Unternehmen zu stellen (gebührenpflichtig). Künftig kann eine solche Auskunft einmal pro Jahr beantragt werden.
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Wann werden Einträge im Wettbewerbsregister gelöscht bzw. lässt sich dies beschleunigen?
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Einträge im Wettbewerbsregister werden je nach Schwere der Verfehlung grundsätzlich nach drei bzw. fünf Jahren aus dem Register gelöscht.
Eine vorzeitige Löschung aus dem Register kommt in Betracht bei Nachweis erfolgreicher Selbstreinigung (§ 125 GWB) durch das Unternehmen.
Eine Löschung wegen Selbstreinigung setzt neben dem Ausgleich etwaiger Schäden durch das Unternehmen bzw. seiner Verpflichtung hierzu, eine Mithilfe bei der Aufklärung durch aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und dem öffentlichen Auftraggeber sowie das Ergreifen konkreter Maßnahmen, um erneutes Fehlverhalten zu vermeiden (Compliance-System) voraus.
Die ergriffenen Maßnahmen sind im Antrag auf Löschung ausführlich darzustellen. Das Bundeskartellamt hat Leitlinien zur Selbstreinigung erlassen.
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Was ist nun zu tun?
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Der beste Schutz für ein Unternehmen ist ein funktionierendes, maßgeschneidertes und aktiv gelebtes Compliance-System, um Gesetzesverstöße zu verhindern und damit auch entsprechende Eintragungen im Wettbewerbsregister. Stellen Sie daher sicher, dass die Compliance-Strukturen in Ihrem Unternehmen diesen Anforderungen entspricht.
Sollte ein Verstoß bereits im Register eingetragen sein bzw. steht dieser bevor, empfiehlt es sich umgehend mit der Möglichkeit und den Voraussetzungen der Selbstreinigung zu befassen und einen entsprechenden Antrag auf vorzeitige Löschung aus dem Wettbewerbsregister beim Bundeskartellamt zu stellen.
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