IT-Recht & Datenschutz

Herausforderung Metaverse: Wie verändert sich die europäische Regulierung?

Veröffentlicht am 25th Aug 2022

Eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Diensts des Europäischen Parlaments über die mögliche Anpassung bereits existierender Rahmenverordnungen für die digitale Sphäre

Wie wollen wir künftig mit den Herausforderungen, die das Metaverse mit sich bringt, umgehen? Nachdem sich bereits im März 2022 der Rat der Europäischen Union mit dieser Frage beschäftigt hat, behandelte nun auch das Europäische Parlament mittels seines wissenschaftlichen Diensts (auf Englisch European Parliamentary Research Service, kurz EPRS) das Thema. Am 28. Juni 2022 organisierte der EPRS eine Diskussionsrunde mit Experten aus Politik, Wissenschaft und Industrie, um zu diskutieren: Ist das Metaverse eine einzigartige Chance für Wachstum und Innovation? Oder eher ein gefährliches Paralleluniversum?

Als Ergänzung dazu veröffentlichte der EPRS ein Briefing-Dokument über Chancen, Risiken und mögliche gesetzliche Auswirkungen, die eine zunehmende Verbreitung des Metaverse mit sich bringt. Das Fazit ist allerdings: Das Ausmaß der konkreten Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft sind derzeit noch nicht absehbar.  

Anwendungsfälle des Metaverse

In diesem Positionspapier untersucht der Wissenschaftliche Dienst zunächst, welche Bereiche überhaupt durch mögliche Anwendungsfälle des Metaverse betroffen sind. Und zwar zahlreiche: vom Gaming (etwa Virtual-Reality-Spiele) über Events, Arbeitsorganisation und -Besprechungen bis hin zu virtuellen Therapien oder aus der Ferne durchgeführten Operationen . Wie der EPRS beschreibt, ist das Metaverse „eine immersive und konstant virtuelle 3D-Welt, in der Menschen mit Hilfe eines Avatars interagieren, um ein breites Spektrum an Aktivitäten durchzuführen. Diese Aktivitäten können von Freizeit und Spielen bis hin zu beruflichen und kommerziellen Interaktionen, finanziellen Transaktionen oder sogar gesundheitlichen Eingriffen wie Operationen reichen“. 

Trotz der Darstellung, welchen Nutzen das Metaverse durch sein breites Spektrum an Anwendungsbereichen beispielsweise im Gesundheitswesen, für Aus- und Weiterbildungen sowie für die Industrie eröffnet, konzentriert sich die Stellungnahme in sieben Kernthesen eindeutig auf Risiken und Herausforderungen.

Risiken und Herausforderungen

Neben den Themen Finanztransaktionen, Cybersicherheit, Gesundheit, Zugänglichkeit und Inklusion fokussiert sich der EPRS besonders auf die folgenden Aspekte:

  • Wettbewerb: Insbesondere Fragen zu Standardisierung und Kompatibilität, aber auch zum Aufkauf von Wettbewerbern, Fusionskontrollen und kartellrechtliche Bedenken werden behandelt. Relevant werden diese z. B. wenn einem Wettbewerber der Zugang zum Metaverse verweigert wird.
  • Datenschutz: Eine zentrale Herausforderung für im Metaverse aktive Unternehmen ist es, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für Datenschutz zu definieren, was durch eine Vielzahl von Akteuren und unklare Rollenzuschreibungen erschwert wird. Hinzu kommt, dass die Kompatibilität verschiedener Metaverse und die damit bedingte Mehrfachnutzung von Usern Fragen über die gemeinsame Nutzung und Portabilität von Daten aufwirft. Besonderes Augenmerk gilt einer effektiven Altersüberprüfung potenzieller Nutzer auch im Sinne des Jugendschutzes, sowie dem Schutz personenbezogener Daten gemäß dem Grundsatz der Datensparsamkeit
  • Haftung: Im Metaverse ist nicht immer klar, wer (nur) Infrastruktur und wer (auch) Inhalte anbietet, und wer lediglich Nutzer ist – und oft überschneiden sich diese Rollen auch noch, beispielsweise wenn Unternehmen oder Einzelpersonen eine eigene Präsenz auf einer größeren Plattform unterhalten. Dieses Verwischen von Rollen und Beziehungen erschwert es, verschiedenen Akteuren eindeutig Verantwortlichkeiten und Haftungen zuzuordnen. Deshalb sind konkrete Richtlinien nötig, die Klarheit darüber schaffen, mit wem Nutzer interagieren, Daten austauschen oder Verträge abschließen.

Für jeden dieser Punkte untersucht der EPRS möglichen Folgen, die von der Anpassung von Vorschriften und dem Einführen von Interoperabilitätsstandards über die Verbesserung des Datenschutzes und der Instrumente für gemeinsame Datennutzung bis hin zu Blockchain-Regulierung und neuen Regeln zur Content-Moderation reichen.

Insbesondere das Teilen von Daten wird vermutlich für viel Diskussion sorgen, da die große Mehrheit der Technologieunternehmen bereits auf datengetriebene Geschäftsmodelle setzt und eine Verordnung dazu bereits im Gespräch ist, um den Wettbewerb zu befeuern.  

Unsere Einschätzung  

Wie von dem EPRS bereits erwähnt, betreffen einige vorhandene EU-Gesetze auch den Bereich Metaverse, jedoch müssen sie dahingehen überprüft und aktualisiert werden. Insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wurde nicht für all die komplexen Aspekte des Metaverse konzipiert. Dasselbe gilt für den Digital Services Act oder den Entwurf für eine Verordnung über Künstliche Intelligenz, die beide das Thema Virtual Reality außen vor lassen. Abgesehen von der anstehenden Überarbeitung der Gesetzgebung muss auch die Umsetzung in einer länderübergreifenden digitalen Welt mitgedacht werden.

Jedoch: Das Positionspapier ist weder ein konkreter Gesetzesentwurf noch formuliert es eine klare politische Zielsetzung. Vielmehr sollen die Abgeordneten des Europäischen Parlaments Denkanstöße für anstehende Gesetzgebungsverfahren erhalten. Wie MdEP Axel Voss bei der Diskussionsrunde anmerkte: „Als Gesetzgeber müssen wir jetzt darüber nachdenken, wie wir bereits etwas regulieren, was noch nicht existiert, oder zumindest nur in einer wesentlich kleineren Dimension.“

Mit seinen zahlreichen Quellen ist das EPRS-Paper eine interessante Lektüre – eine willkommene Ergänzung des jüngsten Metaverse-Berichts des EU-Rats und unseres eigenen Metaverse-Reports aus dem Oktober letzten Jahres.
 

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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