Digitalisierung im Wohnungseigentum: Das neue Gesetz zur virtuellen Versammlung
Veröffentlicht am 23rd Okt 2024
Zukünftig dürfen Eigentümerversammlungen auch rein online durchgeführt werden, wenn dies in der Wohnungseigentümergemeinschaft mit drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschlossen wird. Einer entsprechenden Gesetzesänderung, die der Bundestag im Juli beschlossen hatte, hat nun auch der Bundesrat am 27. September 2024 zugestimmt.
Die COVID-19-Pandemie hat viele Aspekte des täglichen Lebens verändert, einschließlich der Art und Weise, wie Wohnungseigentümerversammlungen abgehalten werden. Eigentümerversammlungen können nach der bisherigen Rechtslage nur als Videokonferenz stattfinden, wenn sich alle Eigentümer und Eigentümerinnen darauf verständigt haben. Andernfalls finden sie in Präsenz oder in hybrider Form statt. Zukünftig dürfen Eigentümerversammlungen auch rein online durchgeführt werden, wenn dies in der Wohnungseigentümergemeinschaft mit drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschlossen wird. Einer entsprechenden Gesetzesänderung, die der Bundestag im Juli beschlossen hatte, hat nun auch der Bundesrat am 27. September 2024 zugestimmt.
Die Änderungen und Ergänzungen im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) durch das Gesetz zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen schaffen die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung virtueller Versammlungen. Hier sind die wichtigsten Normen, die durch das Gesetz geändert oder ergänzt werden:
- Die bisher schon nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG bestehende Möglichkeit, die Online-Teilnahme an Präsenzversammlungen zu ermöglichen ("hybride Wohnungseigentümerversammlungen"), bleiben unverändert bestehen. Die Wohnungseigentümer haben künftig gemäß dem neu eingeführten § 23 Abs. 1a WEG die Wahl, Eigentümerversammlungen in Präsenz, hybrid oder rein virtuell durchzuführen. Die virtuelle Versammlung muss allerdings hinsichtlich der Teilnahme und Rechtsausübung mit einer Präsenzversammlung vergleichbar sein.
- Einige Präsenzversammlung wird es trotz der neuen Möglichkeiten wohl trotzdem geben. Wohnungseigentümer, die bis Ende 2027 einen Beschluss zur virtuellen Versammlung fassen, müssen bis einschließlich 2028 mindestens einmal jährlich eine Präsenzversammlung abhalten; hierauf kann aber durch einstimmigen Beschluss verzichtet werden, siehe § 48 Abs. 6 WEG. Die Übergangsregelung erfasst nicht solche Beschlüsse, die schon vor der neuen Regelung auf einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer beruhen.
Das neue Gesetz, dessen vollständiger Name "Gesetzes zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen" lautet, sieht neben der eben erläuterten Regelung von Online-Eigentümerversammlungen auch vor, dass Mieter und Wohnungseigentümer Steckersolargeräte, sogenannte Balkonkraftwerke, leichter errichten können: Steckersolargeräte werden in der Liste der nach § 20 Abs. 2 WEG privilegierten baulichen Veränderungen aufgenommen, auf die Wohnungseigentümer einen Anspruch haben. Im Mietrecht wird in § 554 Abs. 1 BGB die Aufzählung der baulichen Maßnahmen, auf deren Gestattung Mieter einen Anspruch haben, entsprechend ergänzt.
Praxishinweis
Diese gesetzliche Neuerung bringt sowohl Vorteile als auch Herausforderungen mit sich.
Ein wesentlicher Vorteil virtueller Versammlungen ist die erhöhte Flexibilität und ein einfacherer Zugang zu Versammlungen. Eigentümer, die aus beruflichen oder persönlichen Gründen nicht physisch anwesend sein können, haben nun die Möglichkeit, online teilzunehmen. Dies kann die Beteiligung und das Engagement der Eigentümergemeinschaft insgesamt erhöhen. Darüber hinaus können virtuelle Versammlungen kosteneffizienter sein, da keine Ausgaben für Raummiete, Verpflegung oder Reisekosten anfallen.
Ein weiterer Pluspunkt ist die Zeitersparnis. Virtuelle Meetings können effizienter ablaufen, da sie oft strukturierter sind und weniger Raum für informelle Gespräche bieten. Dies kann dazu beitragen, dass Entscheidungen schneller getroffen werden und die Versammlungen insgesamt kürzer dauern.
Trotz dieser Vorteile gibt es auch erhebliche Herausforderungen. Technische Probleme stellen eine der größten Hürden dar. Nicht alle Eigentümer verfügen über die notwendige technische Ausstattung oder das Know-how, um an virtuellen Versammlungen teilzunehmen. Dies kann zu einer digitalen Kluft innerhalb der Eigentümergemeinschaft führen und bestimmte Mitglieder ausschließen.
Ein weiteres Problem ist die rechtliche Sicherheit und Verbindlichkeit der Beschlüsse, die in virtuellen Versammlungen gefasst werden. Obwohl das Gesetz zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen die rechtliche Grundlage für eine Zulässigkeit schafft, bleibt die Frage der Nachweisbarkeit und Dokumentation von Abstimmungen und Beschlüssen kritisch. Hier müssen klare Regelungen und technische Lösungen gefunden werden, um die Integrität des Abstimmungsprozesses zu gewährleisten.
Insgesamt stellt das Gesetz zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen eine wichtige zeitgemäße Anpassung an die modernen Kommunikationsmöglichkeiten dar und bietet eine flexible Alternative zu traditionellen Präsenzversammlungen. Es schafft rechtliche Klarheit und definiert die Rahmenbedingungen, unter denen virtuelle Versammlungen stattfinden können. Gleichzeitig stellt es sicher, dass die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer gewahrt bleiben. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert daher sowohl technische als auch organisatorische Maßnahmen, um sicherzustellen, dass alle Eigentümer gleichberechtigt teilnehmen können und die Beschlüsse rechtlich bindend sind.