Arbeitsrecht

Die Neufassung der Betriebsratsvergütung

Veröffentlicht am 23rd Sep 2024

Im Blickpunkt: Das Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungs­gesetzes

Business planning meeting, photo of people's hands holding pens and going over papers

Nach dem medienwirksamen Urteil des Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10.01.2023 (6 StR 133/22), in dem die vorinstanzlichen Freisprüche des Landgerichts für die angeklagten Mitglieder der Geschäftsführung des VW-Konzerns vom Vorwurf der Untreue aufgehoben wurden, rückte die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern immer mehr in den Fokus. Am 28.06.2024 beschloss der Bundestag nun einstimmig das „Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“ (BetrVG), um eine angemessene Vergütung von Betriebsratsmitgliedern sicherzustellen und zugleich Rechtssicherheit für Arbeitgeber zu ­schaffen. Das Gesetz ist am 25.07.2024 in Kraft getreten.

Hintergrund

Anfang 2023 urteilte der 6. Strafsenat, dass die Gewährung einer überhöhten Vergütung an Betriebsratsmitglieder den strafrechtlichen Tatbestand der Untreue erfüllen kann. Hierauf reagierten viele Arbeitgeber und stuften die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern vorsichts­halber herunter. So wollten sie sicherstellen, das Risiko einer strafrechtlichen Sanktionierung wegen einer zu hohen Vergütung weitgehend zu minimieren. Viele Betriebsratsmitglieder wehrten sich hiergegen.

Es folgten, unter anderem, zwei Urteile vom Arbeits­gericht Braunschweig vom 05.07.2023 (siehe hierzu den Beitrag im Deutschen AnwaltSpiegel 19/2023). Nach Klagen zweier Betriebsräte wurde gemäß diesen Urteilen der Arbeitgeber zum Ausgleich einer Vergütungsdifferenz, die infolge des vorgenannten Urteils des BGH gekürzt worden war, verurteilt. Das Arbeitsgericht Braunschweig schloss sich damit der gängigen Praxis an, die Vergütung des Betriebsratsmitglieds in der Höhe zu gewähren, die es auch ohne die Betriebsratstätigkeit erhalten hätte („hypothetische Karriere“). Aus den Urteilen des Arbeitsgerichts Braunschweig und des Bundesgerichtshofs ist deutlich geworden, dass ein Spannungsfeld zwischen arbeitsrechtlich Gebotenem und strafrechtlich Verbotenem, zwischen Betriebsratsbegünstigung und -benachteiligung entstanden war.

Bisherige Bemessung des Freistellungslohns von Betriebsratsmitgliedern

Bei der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied handelt es sich gemäß § 37 Abs. 1 BetrVG um ein unentgeltliches ­Ehrenamt. Sie darf also grundsätzlich nicht vergütet ­werden. Betriebsratsmitglieder sind jedoch von ihrer ­beruflichen Tätigkeit ohne eine Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist (§ 37 Abs. 2 ­BetrVG). Die Fortzahlung des Arbeitsentgelts erfolgt in diesem Fall nach dem Lohnausfallprinzip. Es handelt sich daher bei der Vergütung, die ein Betriebsratsmitglied erhält, ­lediglich um einen Freistellungslohn als Teil des Arbeits­entgelts. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG konkretisiert die Höhe der Vergütung. Diese darf nicht geringer ausfallen als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit einer betriebsüblichen Berufsentwicklung. § 78 Satz 2 BetrVG legt ergänzend fest, dass ein Betriebsratsmitglied wegen seiner Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden darf.

Es muss daher fortlaufend und einzelfallbezogen untersucht werden, in welcher Höhe der Lohn gezahlt worden wäre, wenn keine Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit wegen der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied statt­gefunden hätte.

Die Neuregelung

Das „Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“ fügt zunächst an § 37 Abs. 4 BetrVG die Sätze 3 bis 5 an. Die Neuregelungen sollen das Lohnausfallprinzip näher konkretisieren. Dies gilt zunächst für die zum Zeitpunkt der Bestimmung der vergleich­baren ­Arbeitnehmer. Insofern ist nach § 37 Abs. 4 Satz 3 ­BetrVG auf die Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen, ­soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neu­bestimmung vorliegt. Das Gesetz selbst konkretisiert nicht, wann ein sachlicher Grund vorliegt. In der Gesetzesbegründung wird als Beispiel der beruf­liche Aufstieg eines Betriebsratsmitglieds genannt, das die Anforderungen einer freien höher dotierten Stelle erfüllt und mit dem Arbeitgeber einen entsprechenden Änderungsvertrag schließt. Im Anschluss daran ist die Vergleichsgruppe neu zu bestimmen. Gleiches gilt für die Vereinbarung einer geringer dotierten Stelle (zum Beispiel im Anschluss an eine Änderungskündigung). Lehnt aber das Betriebsratsmitglied ein entsprechendes Vertragsangebot des Arbeitgebers unter Hinweis auf die Fortführung seiner Betriebsratstätigkeit ab, verbleibt es bei seiner bisherigen Vergleichsgruppe, denn die ­Tätigkeit, an der die Vergleichsgruppenbildung ­anknüpft, ­ändert sich nicht.

Die Regelung in § 37 Abs. 4 Satz 4 und 5 BetrVG soll für die Betriebsparteien Anreize setzen, die Vergleichbarkeit transparent im Voraus festzulegen. Die jeweiligen ­Parteien können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer ­regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in ­einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Fest­legung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.

Angesichts der Vielfalt betrieblicher Stellenanforderungen und -bewertungen werden den Betriebsparteien ­keine konkreten Kriterien zur Bestimmung der jeweiligen Vergleichsvorgaben gemacht. Es genügt eine Orien­tierung an dem gesetzlichen Leitbild, wie es durch die Rechtsprechung konkretisiert worden ist. Demgemäß sind vergleichbar diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleichermaßen qualifizierte Tätigkeiten wie der entsprechende Amtsträger ausführten und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren.

Grob fehlerhaft ist die Konkretisierung der jeweiligen Vergleichbarkeitsmerkmale in der Betriebsvereinbarung daher nur, wenn sie sich nicht an diesen Kriterien orientiert, sachwidrige weitere Kriterien benennt, wesentliche Kriterien unberücksichtigt lässt oder diese Kriterien im Verhältnis zueinander eindeutig unzureichend oder mit eindeutig verfehlter Gewichtung berücksichtigt.

Neu eingefügt wurde zudem § 78 Satz 3 BetrVG. ­Danach liegt eine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das ­Betriebsratsmitglied in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen ­Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. Hierdurch sollen die durch die Rechtsprechung vorgezeichneten Voraussetzungen einer „fiktiven Beförderung“ beziehungsweise „hypothetischen Karriere“ konkretisiert werden. Dabei knüpft der fiktive Beförderungsanspruch nach der Rechtsprechung stets an die Besetzung einer konkreten Stelle an.

Ausweislich der Gesetzesbegründung können bei der Stellen­besetzung auch während der Amtstätigkeit ­er­wor­bene Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen berücksichtigt werden, soweit sie im Unternehmen für die jeweilige Stelle karriere- und vergütungsrelevant sind. Der bloße Zuwachs an Kompetenzen, Kenntnissen und Fähigkeiten während der Ausübung des Betriebsrats­amts ­begründet hingegen ohne Bezug zu einer konkreten Stelle im Betrieb und deren Anforderungsprofil keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung. Nicht berücksichtigungsfähig ist daher, dass ein Betriebsratsmitglied „komplexe Aufgaben“ wahrnimmt oder in „unternehmerische Entscheidungskomplexe eingebunden“ ist. Diese Maß­stäbe knüpfen in unzulässiger Weise an die Betriebsrats­tätigkeit an und finden keine Stütze im Betriebsverfassungsgesetz.

Praxishinweis

Die Neuregelungen sollen endlich Rechtssicherheit ­bezüglich der Höhe der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern bringen und die Praxis, Vergütungen im Zweifel zu niedrig zu bemessen und von den Arbeitsgerichten „korrigieren“ zu lassen, beenden.

Allerdings wird die Berechnung des Freistellungslohns nunmehr an einer weiteren Fiktion gemessen. Denn es muss im Verlauf der Betriebsratstätigkeit stets kontrolliert werden, ob der Freistellungslohn des Betriebsratsmitglieds zu erhöhen ist. Die Karriereentwicklung ist aber eben nur hypothetischer Natur. Die Betriebsparteien sind insofern gut beraten, zeitnah von der Möglichkeit zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung betreffend das Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer Gebrauch zu ­machen. Hierbei wird ihnen durch die Begrenzung der Überprüfungsmöglichkeit ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt.

Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte auf der Webseite Deutscher AnwaltSpiegel.

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* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

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