Zur Abgrenzung der Zuständigkeit von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat
Veröffentlicht am 13th Dez 2017
Die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. I Satz 1 BetrVG bezieht sich auf die Behandlung einer Angelegenheit. Betreffen Regelungsmaterien unterschiedliche Mitbestimmungstatbestände, folgt aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die eine Angelegenheit keine solche für die andere (Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 18.07.2017 – 1 ABR 59/15).
Zugrundeliegender Sachverhalt
Die Antragstellerin bietet bundesweit Post- und Finanzdienstleistungen in ihren Filialen an. Im Unternehmen existiert ein Tarifvertrag gemäß § 3 BetrVG, nach welchem bei der Antragstellerin 12 regionale Betriebe und der Betrieb Management bestehen, in denen jeweils ein Betriebsrat gewählt wird. Zudem existiert ein Gesamtbetriebsrat. Mit diesem hatte die Antragstellerin eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Unternehmensbekleidung geschlossen. Diese enthält beispielsweise Vorschriften zum Tragen einzelner Bekleidungsstücke, wie Hemd/Bluse, Hose/Rock und Krawatte.
Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um den für den regionalen Betrieb Stuttgart gebildeten Betriebsrat der Antragstellerin. Für den Betrieb Stuttgart wurde außerdem eine Einigungsstelle gebildet, die Regelungen zum Thema „Gesundheitsschutz / Raumklima“ treffen sollte. Sie beschloss die „Betriebsvereinbarung Klima“, die Maßnahmen zur Verringerung der Belastungen am Arbeitsplatz durch Hitze und Kälte enthält. Auch enthielt die Betriebsvereinbarung Regelungen bezüglich des Lockerns von Krawatten bei Hitze oder des zusätzlichen Tragens von Westen und Pullovern bei Kälte.
Die Antragstellerin beantrage die Feststellung der Unwirksamkeit der die Dienstkleidung betreffenden Regelungen, da die Regelungszuständigkeit auch unter Einbeziehung des Gesundheitsschutzes ausschließlich dem Gesamtbetriebsrat zukomme. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das Landesarbeitsgericht wies sie hingegen ab. Auch vor dem BAG hatte die Antragstellerin keinen Erfolg.
Die Entscheidung
Mit Urteil vom 18. Juli 2017 hat das BAG entschieden, dass die streitbefangenen Regelungen des Einigungsstellenspruchs wirksam sind.
Das BAG befand zum einen, dass die Einigungsstelle befugt gewesen sei über die streitgegenständlichen Bestimmungen des Gesundheitsschutzes eine Regelung zu treffen. Die Regelungen aus der „Betriebsvereinbarung Klima“ fielen unter das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Es handele sich konkret um Regelungen, welche die unter § 3a Abs. 1 Satz 1 ArbStättV näher ausgestalteten Verpflichtungen des Arbeitgebers konkretisiere. Die Bestimmung verpflichte den Arbeitgeber dazu, dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden werden und verbleibende Gefährdungen möglichst gering gehalten werden. Die Bestimmung unter § 3a Abs. 1 Satz 1 ArbStättV sei eine ausfüllungsbedürftige, die Mitbestimmung des Betriebsrats auslösende Rahmenvorschrift im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Die Mitbestimmung sei dabei nicht, wie von der Antragstellerin angenommen, lediglich auf eine konkrete Gefahrenlage beschränkt, sondern knüpfe vielmehr an vorliegende oder festgestellte Gefährdungen im Sinne von § 3 ArbStättV i.V.m. § 5 ArbSchG an.
Darüber hinaus befand das BAG, dass eine Zuständigkeit des bei der Antragstellerin gebildeten Gesamtbetriebsrates nur dann in Betracht komme, wenn die Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes eine überbetriebliche Angelegenheit betreffen und diese nicht durch die einzelnen Betriebsräte geregelt werden können. Im Vorliegenden sei hierfür nichts ersichtlich gewesen. Eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats könne auch nicht aus einer Zuständigkeit für Regelungen in Bezug auf die Arbeitskleidung abgeleitet werden, denn bei den Regelungen der „Betriebsvereinbarung Klima“ und den in Bezug auf die Arbeitskleidung getroffenen Regelungen handele es sich nicht um „dieselbe Angelegenheit“ i.S.v. § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Nur weil der Gesamtbetriebsrat für eine Regelungsmaterie zuständig sei, folge daraus keine Zuständigkeit für eine andere. Da das Raumklima typischerweise eine Angelegenheit sei, die mit den konkreten Gegebenheiten der einzelnen Arbeitsräumen auf betrieblicher Ebene verknüpft sei, liege gerade auch keine überbetriebliche Angelegenheit vor, die eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründen könne.
Hinweise für die Praxis
Das BAG betont mit seiner Entscheidung nochmals die Reichweite des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats im Rahmen des Gesundheitsschutzes: Der Mitbestimmung unterliegen Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden, die Rahmenvorschriften konkretisieren. Eines solche Rahmenvorschrift ist beispielsweise § 3a Abs. 1 Satz ArbStättV.
Zudem stellt das BAG klar, dass der Anwendungsbereich von § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eng zu fassen ist. Voraussetzung ist, dass eine überbetriebliche Angelegenheit vorliegt und diese nicht durch die einzelnen lokalen Betriebsräte geregelt werden kann. Es muss also ein zwingendes Erfordernis für eine überbetriebliche Regelung vorliegen. Außerdem ist genau zwischen einzelnen Angelegenheiten zu trennen und die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates jeweils separat getrennt zu beurteilen.