Wie Herr Weselsky Mitarbeiter des Monats bei SIXT werden konnte
Veröffentlicht am 26th May 2015
Ab und zu erscheinen Werbungen, in denen Personen abgebildet oder deren Namen genannt werden, ohne dass die betroffenen Personen um Ihre Erlaubnis gefragt worden sind. Im Zuge der Lokführerstreiks wurde der Gewerkschaftsführer der GDL, Herr Weselsky, von der Autovermietung SIXT mit einer großformatigen Portraitaufnahme als „Mitarbeiter des Monats“ präsentiert.
Das (für seine häufig provokante Werbung bekannte) Unternehmen SIXT wirbt regelmäßig mit den Bildnissen von bekannten Personen und thematisiert darin geradezu spöttisch deren aktuellen – eher unglücklichen – Schicksale. Um Erlaubnis werden die Personen nicht gefragt.
Gestohlener Dienstwagen und Amtsrücktritt
Zum Beispiel warb das Unternehmen dafür, dass es seine Mietwagen doch auch in Alicante gebe. Unmittelbar zuvor war bekannt geworden, dass der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ihr Dienstwagen in Alicante gestohlen wurde.
Kurz nach Amtsantritt als Bundefinanzminister trat der damalige Parteivorsitzende der SPD, Oscar Lafontaine, wieder zurück. SIXT Leasing teilte daraufhin in einer Werbekampagne mit, dass es auch Autos für Mitarbeiter in der Probezeit verlease.
In beiden Anzeigen wurden Portraits der betroffenen Politiker großformatig abgebildet.
Musikproduzent und Hochadel
In zwei anderen Fällen hatte die Zigarettenmarke Lucky Strike mit den Vornamen bekannter Persönlichkeiten geworben. Auch dort wurde jeweils satirisch auf aktuelle Geschehnisse um diese beiden Persönlichkeiten (Veröffentlichung eines Buches von Dieter Bohlen bzw. die „Prügelattacke“ von Prinz Ernst August von Hannover) Bezug genommen. Bildnisse wurden in diesen Werbungen nicht verwendet.
Werbung in dieser Form auch ohne Einwilligung erlaubt?
Eine solche (Aus-)Nutzung der – jedenfalls zum Zeitpunkt der Werbung – prominenten Personen ist zulässig, auch wenn die Personen damit nicht einverstanden sind.
Bildnisse einer Person dürfen grundsätzlich nur mit deren Einwilligung genutzt werden. Das ist ausdrücklich gesetzlich in § 22 Kunsturhebergesetz (KUG) geregelt und gilt insbesondere für die Nutzung in der Werbung. Auch der Name einer Person ist gesetzlich durch § 12 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geschützt. Mit der Lizenzierung dieser besonderen Persönlichkeitsrechte können prominente Personen viel Geld verdienen. Umgekehrt ist es kostspielig, solche Personen als Werbegesicht zu verpflichten, so dass es besonders reizvoll ist, einen Weg zu finden, dieses Geld zu sparen.
Das ist möglich, wenn man sich an die von der Rechtsprechung in den letzten Jahren herausgearbeiteten Grundsätze hält. Danach werden die Interessen des werbenden Unternehmens und der Öffentlichkeit gegen die Interessen der betroffenen Person abgewogen. Geschützt sind nämlich nicht nur die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Person, die als Grundrechte in Art. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes (GG) verbrieft und von der Gerichten zu achten sind. Es genießen dagegen auch die Meinungsfreiheit des werbenden Unternehmens sowie das Informationsinteresse der Öffentlichkeit grundrechtlichen Schutz (Art. 5 GG).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich der Schutz des Art. 5 GG auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen und auf reine Wirtschaftswerbung, die einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat. Auch durch unterhaltende Beiträge kann nämlich Meinungsbildung stattfinden; solche Beiträge können die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen und beeinflussen als sachbezogene Informationen.
Für die Verbreitung von Bildnissen enthält § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine ausdrückliche Ausnahme vom Zustimmungserfordernis dann, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Dann ist die Nutzung auch ohne Einwilligung der Abgebildeten Person erlaubt, wenn die berechtigten Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
Zeitgeschichtliche Ereignisse sind dabei nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung oder spektakuläre und ungewöhnliche Vorkommnisse, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse.
Nutzung von Namen und Bildnissen in der Werbung ist auch ohne Einwilligung möglich
Für die Nutzung von Namen oder Bildnissen in der Werbung ist vor diesem Hintergrund entscheidend, dass nicht der Image- oder Werbewert der betroffenen Person auf das beworbene Produkt übertragen wird. Die Werbung darf auch nicht den Eindruck erwecken, dass die betroffene Person das Produkt empfehle. Beides ist in der Regel dann nicht der Fall, wenn die Auseinandersetzung mit den Geschehnissen in ironischer, satirischer oder gar spöttischer Form erfolgt.
Aktuell: EGMR weist Klagen von Dieter Bohlen und Prinz Ernst August von Hannover gegen die Bundesrepublik Deutschland ab
Diese Grundsätze wurden jüngst vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gebilligt (EGMR, Entscheidungen v. 19. Februar 2015, Az. 53495/09 und 53649/09). Dieter Bohlen sowie Prinz Ernst August von Hannover hatten dort gegen die Bundesrepublik Deutschland geklagt, nachdem der Bundesgerichtshof ihre Klagen gegen British American Tobacco auf Schadensersatz abgewiesen hatte (BGH Urteile v. 5. Juni 2008, Az. I ZR 223/05 und I ZR 96/07).
Nutzung des Bildnisses von Herrn Weselsky ebenfalls zulässig
Der ehemalige Bundesfinanzminister ist damals ebenfalls mit seiner Zahlungsklage gescheitert. Mit seiner Klage auf Zahlung von DM 250.000,00 für die Nutzung seines Bildnisses ist er – zu Recht gescheitert.
Auch Herr Weselsky wird sich weder gegen die aktuelle Nutzung seines Bildnisses wehren noch dafür Schadensersatz verlangen können, weil sein Bildnis zulässig genutzt wurde:
Es handelte sich um eine aktuelle, ironisch-satirische Auseinandersetzung mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis und es wurde weder der Image- oder Werbewert von Herrn Weselsky auf das Produkt übertragen noch wurde der Eindruck erweckt, dass Herr Weselsky Mietwagen von SIXT empfehle.
Achtung: Risiko hoher Schadensersatzforderungen
Wenn eine solche Kampagne schief geht und die Vorgaben für eine erlaubnisfreie Nutzung nicht eingehalten worden sind, kann die Sache allerdings sehr teuer werden:
Der zu leistende Schadensersatz wird in der Regel danach berechnet, was die abgebildete Person bekommen hätte, wenn sie einen entsprechenden Vertrag mit dem werbenden Unternehmen geschlossen hätte. Zum Beispiel sind dem ehemaligen Außenminister Joschka Fischer oder Boris Becker von Gerichten wegen der Nutzung ihrer Bildnisse in der Werbung (für die Welt kompakt bzw. die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) EUR 200.000,00 bzw. sogar EUR 1,2 Millionen zugesprochen worden. Ob diese Beträge tatsächlich gezahlt wurden oder man sich außergerichtlich auf niedrigere Zahlungen geeinigt hat, ist zwar nicht bekannt. Dennoch zeigen diese Fälle, mit welchen Schadensersatzforderungen realistisch zu rechnen ist.
Kreativität und Schnelligkeit sind entscheidend
Die Herausforderung in der Praxis liegt – neben der kreativen Auseinandersetzung mit dem Thema – insbesondere darin, eine entsprechende Werbung sehr schnell zu produzieren und zu schalten, damit der zwingend erforderliche tagesaktuelle Bezug besteht.