Werbung mit Nachhaltigkeit: Was Unternehmen bei „Sustainability Claims“ rechtlich beachten müssen, um „Greenwashing“ zu vermeiden
Veröffentlicht am 27th Jan 2022
Der Trend zu Nachhaltigkeit bei den Konsumenten führt zu immer mehr Werbeaussagen rund um Klimaneutralität. Wettbewerber und staatliche Stellen haben darauf ein genaues Auge. Um Risiken zu vermeiden, müssen Unternehmen steigende Anforderungen beachten.
Nachhaltigkeit ist der wichtigste Trend unter Konsumenten für das Jahr 2022 in Deutschland. Das hat zum Jahreswechsel ein datenbasierter Ausblick der GfK ergeben. Demnach fordern über zwei Drittel der Deutschen (68 Prozent) von Unternehmen, sich möglichst umweltbewusst zu verhalten, etwa durch den Einsatz umweltfreundlicher Materialien. Gerade für die junge Zielgruppe, so die GfK weiter, werde auch soziale Nachhaltigkeit ein immer wichtigerer Faktor. Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit werden also in der Kommunikation von Unternehmen mit ihrer jeweiligen Zielgruppe in aller Munde sein. Zugleich gewinnen bei dieser Werbung mit der Nachhaltigkeit von Produkten oder des ganzen Unternehmens auch rechtliche Fragen stark an Bedeutung.
Warum immer mehr rechtliche Risiken bei „Sustainability Claims“ wie „nachhaltig“ und „klimaneutral“ lauern
Denn „Sustainability Claims“ und ihre rechtliche Zulässigkeit kommen immer mehr in den Fokus von Wettbewerbern und Behörden. Im Zentrum steht dabei die Frage, was als Werbeaussage zulässig ist und wo ein Claim gegen das Verbot der irreführenden Werbung aus § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstößt, weil sich ein Unternehmen damit „grüner“ darstellt, als es ist und sog. „Greenwashing“ betreibt.
Obwohl der Grundsatz des Verbots der irreführenden Werbung als solcher nicht neu ist, zeichnet sich der Trend ab, dass es bei dieser Irreführung nicht mehr nur um Preisangaben oder Produkt-Features, sondern immer häufiger um „Greenwashing“ geht und die rechtlichen Risiken bei Claims im Bereich von Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit steigen. Das hat gleich mehrere Gründe.
Je wichtiger Konsumenten die Nachhaltigkeit von Unternehmen und ihren Produkten ist, desto größer wird auch ihre Bedeutung im Wettbewerb. Das deutsche Wettbewerbsrecht gibt Unternehmen die Möglichkeit, Wettbewerber unter anderem auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn sie (vermeintlich) wettbewerbswidrig handeln. Begründet wird das damit, dass derjenige, der im Unterschied zu seinen Wettbewerbern die regulatorischen Vorgaben missachtet, sich im Wettbewerb einen „Vorsprung durch Rechtsbruch“ verschafft. Mit dem Anstieg der wirtschaftlichen Bedeutung von Nachhaltigkeit für den Erfolg von Produkten und Unternehmen ist somit auch das Risiko gestiegen, dass ein Wettbewerber hieran – zu Recht oder zu Unrecht – Anstoß nimmt und mithilfe des UWG und des Verbots irreführender Werbung versucht, dass ein Gericht mit einem Urteil oder einer einstweiligen Verfügung den Wettbewerber beschränkt.
Prüfung von Nachhaltigkeitsaussagen durch staatliche Stellen in der ganzen EU und UK
Hinzu kommt die Tendenz, dass staatliche Einrichtungen selbst die Initiative ergreifen und Nachhaltigkeits-Claims von Unternehmen überprüfen. So hat das europäische Verbraucherschutz-Netzwerk CPC (Consumer Protection Cooperation) Anfang 2021 344 Nachhaltigkeitsaussagen überprüft und in 42 Prozent der Fälle irreführende Angaben festgestellt, also Verstöße gegen das Verbot irreführender Werbung, die verfolgt werden können. Für Deutschland war das Bundesamt für Justiz (BfJ) mit seiner „Prüfgruppe Verbraucherschutz“ an dieser EU-weiten Prüfung von „Greenwashing“ beteiligt. Der nächste Schritt war dann, dass das BfJ Unternehmen ersuchte, diese Verstöße zu beenden (sog. Durchsetzungsersuchen). Die CPC-Verordnung ((EU) 2017/2394) zusammen mit dem deutschen Gesetz zur Durchführung dieser Verordnung, dem EU-Verbraucherschutzdurchsetzungs-Gesetz (EU-VSchDG) bieten dem Bundesamt für Justiz als gem. § 2 Nr. 1 EU-VSchDG zuständiger Behörde dabei mehrere Möglichkeiten: Es kann die Sache an den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die Wettbewerbszentrale abgeben (§ 7 EU-VSchDG) , es kann aber auch selbst die Durchsetzung betreiben und die Anordnung aussprechen, einen Verstoß einzustellen, aber auch zu Geldbußen und Zwangsgeldern greifen. Das wirft rechtlich neue Fragen auf, da sich Unternehmen plötzlich – anders als in Deutschland gewohnt – nicht der Abmahnung eines Wettbewerbers gegenübersehen, sondern einer staatlichen Stelle.
Dass dies nur der Anfang ist, zeigt ein Blick nach Großbritannien: Dort hat am 10. Januar 2022 die dortige Wettbewerbsbehörde „Competition and Markets Authority“ (CMA) mitgeteilt, dass eine Überprüfung von Umweltangaben im Fashion Retail Sector (Modeeinzelhandel) eingeleitet wurde. Zuvor hatte sie bereits einen Leitfaden für umweltbezogene Angaben zu Waren und Dienstleistungen veröffentlicht. Zugleich hat die CMA angekündigt, nach dem Fashion Retail Sector weitere Sektoren zu untersuchen. Wenn Unternehmen nach Ansicht des CMA „Greenwashing“ betreiben, werde die Behörde entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Spezifische „Greenwashing“-Rechtsprechung entwickelt sich: Wann ist ein Produkt „klimaneutral“?
Aus der steigenden Zahl rechtlicher Auseinandersetzung rund um umweltbezogene Aussagen von Unternehmen entwickelt sich derzeit eine Art spezifische „Greenwashing“-Judikatur. Zwar gelten die allgemeinen Grundsätze und Anforderungen der Rechtsprechung zur Vermeidung von Irreführungen auch im Bereich der Nachhaltigkeits-Begrifflichkeiten. Allerdings gehen mit spezifischen Begriffen aus dem Bereich der „Sustainability Claims“ wie etwa „nachhaltig“ oder „klimaneutral“ ganz spezifische Fragen einher, die einer Klärung durch die Gerichte bedürfen. So stellt sich die Frage, ob ein Produkt nur dann als „klimaneutral“ beworben werden darf, wenn es emissionsfrei hergestellt wurde oder auch, wenn Klimaneutralität durch Ausgleichsmaßnahmen hergestellt wurde. Eine auch rechtlich relevante Folgefrage würde in diesem Fall lauten, ob und in welcher Form der Verbraucher im Rahmen der Werbung darüber aufgeklärt werden muss, welche Ausgleichsmaßnahmen ein Unternehmen zur Herstellung der Klimaneutralität unternommen hat.
Das Landgericht Kiel hat hierzu in einem Urteil vom 2. Juli 2021 (Az.: 14 HKO 99/20) zur Klimaneutralität von Müllbeuteln Leitlinien vorgegeben, die sich auch auf andere Produkte und Branchen übertragen lassen. Aus Sicht des Gerichts sei allgemein bekannt, dass „klimaneutral“ nicht mit „emissionsfrei“ gleichzusetzen sei. Daraus folgt, dass grundsätzlich auch dann mit Klimaneutralität geworben werden darf, wenn diese durch Ausgleichsmaßnahmen erreicht wird. Allerdings sei dann wesentlich, so das Gericht, dass der Verbraucher „beim Kauf unproblematisch Informationen darüber erhalten kann, auf welche Weise die Klimaneutralität erreicht werden soll“. Nur so sei der Verbraucher gegebenenfalls in der Lage, zu entscheiden, ob er die ergriffenen Maßnahmen für unterstützenswert hält und ob sie überhaupt plausibel sind. Damit legt das Gericht den Fokus auf einfach auffindbare Informationen über die Maßnahmen zur Klimaneutralität. Dafür kann etwa auch die Angabe einer Website oder ein QR-Code eingesetzt werden – woran es im zu entscheidenden Fall gefehlt hatte.
Ähnliche Fragen stellen sich für andere umweltschutzbezogene Begriffe wie etwa „nachhaltig“, „klimaschonend“ oder „grün“.
Unsere Einschätzung
Es ist damit zu rechnen, dass weitere Entscheidungen den rechtlichen Rahmen für „Sustainability Claims“ weiter konkretisieren. Grundsätzlich sind die Anforderungen der Rechtsprechung für zulässige Werbeclaims relativ streng. Unternehmen, die sich selbst oder einzelne Produkte mit einem umweltbezogenen Claim bewerben möchten, ist zu empfehlen, sich von Anfang an möglichst genau an diesen Anforderungen zu orientieren. Andernfalls kann rechtlich selbst dann der Vorwurf des „Greenwashings“ drohen, wenn das Unternehmen oder sein Produkt einen sinnhaften Ansatz zum Umweltschutz verfolgt, der Verbraucher aber nicht ausreichend darüber informiert wird und nicht beurteilen kann, inwieweit er selbst den Ansatz für unterstützenswert hält.