Wahrung der ersten Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist durch Klageerhebung
Veröffentlicht am 29th Jun 2016
Für die Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist innerhalb derer ein Anspruch geltend gemacht werden muss, reicht es nicht aus, dass das Anspruchsschreiben vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen ist und dem Anspruchsgegner später zugestellt wird. Es kommt allein auf den Zugang bei dem Anspruchsgegner selbst an. § 167 ZPO findet nach dem Bundesarbeitsgericht keine Anwendung auf die Wahrung einer einfachen tariflichen Ausschlussfrist bei der außergerichtlichen Geltendmachung (BAG, Urteil vom 16. März 2016 – 4 AZR 421/15).
Der Sachverhalt
Der Kläger hat mit seiner Klage die Zahlung einer Entgeltdifferenz für den Monat Juni 2013 begehrt. Er hat den Zahlungsanspruch erstmals mit seiner bei dem Arbeitsgericht am 18. Dezember 2013 eingegangenen Klage geltend gemacht. Die Zustellung der Klage bei der Beklagten durch das Arbeitsgericht verzögerte sich und erfolgte erst am 7. Januar 2014. Auf das Arbeitsverhältnis war der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) anwendbar. Nach § 37 TV-L war eine Ausschlussfrist von sechs Monaten einzuhalten, innerhalb derer der Kläger den Anspruch bei dem beklagten Land schriftlich hätte geltend machen müssen. Die Ausschlussfrist endete im konkreten Fall mit Ablauf des 30. Dezember 2013.
Der Kläger war der Ansicht, dass er die Ausschlussfrist durch Einreichen der Klage bei dem Arbeitsgericht am 18. Dezember 2013 gewahrt hatte. § 167 ZPO sei auch auf die Einhaltung tariflicher Ausschlussfristen anzuwenden. Die Beklagte vertrat die Ansicht, es komme bei außergerichtlichen Fristen ausschließlich auf den tatsächlichen Zugang des Schreibens an, mit dem ein Anspruch geltend gemacht wird.
Die beiden ersten Instanzen haben dem Kläger Recht gegeben und das beklagte Land zur Zahlung verurteilt. Die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht hatte jedoch Erfolg.
Die Entscheidung
Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat entschieden, dass § 167 ZPO auf tarifliche Ausschlussfristen, die durch eine bloße schriftliche Geltendmachung gewahrt werden können, nicht anwendbar ist.
Nach der bislang ausschließlich vorliegenden Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts begründet das Gericht seine Entscheidung insbesondere damit, dass sich der Gläubiger einer Forderung den Zeitverlust durch die Inanspruchnahme des Gerichts selbst zurechnen lassen muss, da diese in der Sache nicht zwingend erforderlich war.
Zur Fristwahrung reicht es nicht aus, dass das Anspruchsschreiben vor Ablauf der Ausschlussfrist bei Gericht eingegangen ist und dem Anspruchsgegner gegebenenfalls später zugestellt wird. Da für die Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist ein schriftliches Anspruchsschreiben ausgereicht hätte, wäre eine Klage vor Gericht nicht zwingend erforderlich gewesen. Wenn sich der Gläubiger einer Forderung dennoch zur Übermittlung seines Anspruchsscheibens des Gerichts bedient, muss er sich den durch die verzögerte Zustellung entstandenen Zeitverlust zurechnen lassen. Da die Klage dem Arbeitgeber erst am 7. Januar 2014 zugestellt worden ist, war die Geltendmachung des Anspruchs verspätet.
Hinweise für die Praxis
Die Entscheidung entspricht der langjährigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der sich der Gläubiger einer Forderung, die einer außergerichtlichen tariflichen Ausschlussfrist unterliegt, den Zeitverlust durch die Inanspruchnahme des Gerichts selbst zuzurechnen hat.
Zahlreiche Tarifverträge sowie Arbeitsverträge enthalten ein- oder zweistufige Ausschlussfristen. Nach diesen verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist dem Anspruchsgegner gegenüber schriftlich (1. Stufe) und gegebenenfalls innerhalb einer weiteren Frist nach Ablehnung oder Nichtäußerung gerichtlich (2. Stufe) geltend gemacht werden. Für die Wahrung der ersten Stufe einer solchen Ausschlussfrist ist nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts § 167 ZPO nicht anwendbar.
In der Praxis ist damit zu beachten, dass für die Wahrung einer einfachen Ausschlussfrist die rechtzeitige Zustellung bei dem Anspruchsgegner maßgeblich ist. Gegebenenfalls muss das Anspruchsschreiben direkt an den Anspruchsgegner übermittelt werden. Wird die Ausschlussfrist nicht gewahrt, scheidet eine Leistungspflicht regelmäßig aus.