Vollurlaubsanspruch erst nach mehr als sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses
Veröffentlicht am 1st Aug 2016
Wird ein Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 1. Juli eines Jahres begründet, kann der Arbeitnehmer in diesem Jahr nach § 4 BurlG keinen Vollurlaubsanspruch erwerben. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Formulierung „nach sechsmonatigem Bestehen“ in § 4 BUrlG zeigt, dass der volle Urlaubsanspruch nicht bereits „mit dem sechsmonatigen Bestehen“ erworben wird und der Ablauf der Wartezeit und das Entstehen des Vollurlaubsanspruchs damit nicht zusammenfallen (BAG, Urteil vom 17. November 2015 – 9 AZR 179/15).
Der Sachverhalt
Der Kläger war vom 1. Juli 2013 bis zum 2. Januar 2014 bei der Beklagten in einer Sechstagewoche beschäftigt. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Manteltarifvertrag standen dem Kläger 26 Tage Urlaub pro Jahr zu. Im Manteltarifvertrag war weiterhin bestimmt, dass neu eintretende und/oder ausscheidende Arbeitnehmer so viel Zwölftel des ihnen zustehenden Jahresurlaubs erhalten, wie sie volle Monate im laufenden Kalenderjahr beschäftigt waren. Die Zwölftelung soll nach dem Manteltarifvertrag nur in den Grenzen des § 5 BUrlG erfolgen.
Während der Beschäftigung hatte der Kläger keinen Urlaub. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt der Kläger von der Beklagten Urlaubsabgeltung für 13 Urlaubstage ausgezahlt.
Hiergegen erhob der Kläger Klage vor dem Arbeitsgericht und machte die Abgeltung von 13 weiteren Urlaubstagen geltend. Er vertrat die Auffassung, dass im Jahr 2013 für ihn der komplette Jahresurlaub entstanden sei.
Das Arbeitsgericht Rheine hatte der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die arbeitsgerichtliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision vor dem Bundesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg.
Die Entscheidung
Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat entschieden, dass es zum Entstehen des vollen Jahresurlaubsanspruchs nicht ausreicht, wenn der Arbeitnehmer genau sechs Monate im Betrieb beschäftigt gewesen ist.
Das Bundesarbeitsgericht begründet seine Entscheidung insbesondere damit, dass nach der Vorschrift des § 4 BUrlG der volle Urlaubsanspruch erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen erworben werde. Die Formulierung „nach sechsmonatigem Bestehen“ zeige, dass der volle Urlaubsanspruch nicht bereits „mit dem sechsmonatigen Bestehen“ erworben werde und der Ablauf der Wartezeit und das Entstehen des Vollurlaubsanspruchs damit nicht zusammenfallen.
Darüber hinaus entstehe nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG ein Teilurlaubsanspruch nur, wenn der Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide. Dies umfasse nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch ein Ausscheiden mit Ablauf des 30. Juni eines Kalenderjahres. Da sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe, gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln (Art. 3 Abs. 1 GG), könne auch bei einem Arbeitsverhältnis, das am 1. Juli begonnen hat, mit Ablauf des 31. Dezember kein Vollurlaubsanspruch entstehen.
Schließlich ordne § 1 BUrlG i.V.m. § 3 Abs. 1 BUrlG an, dass jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 24 Werktage bezahlten Erholungsurlaub habe. Die gesetzliche Regelung gehe damit nicht davon aus, dass ein Arbeitnehmer, der bei einem Arbeitgeber vom 1. Januar bis zum 30. Juni und bei einem anderen Arbeitgeber vom 1. Juli bis zum 31. Dezember desselben Jahres beschäftigt war, zweimal einen vollen Urlaubsanspruch im Umfang von jeweils 24 Werktagen erwerbe.
Hinweise für die Praxis
Das Bundesarbeitsgericht hat mit der Entscheidung vom 17. November 2015 nach vielen Jahren der Rechtsunsicherheit für Klarheit gesorgt:
Das Urteil stellt fest, dass Arbeitnehmern, die entweder vom 1. Januar bis zum 30. Juni oder vom 1. Juli bis zum 31. Dezember eines Jahres bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, nur ein anteiliger Urlaubsanspruch von 1/12 je Beschäftigungsmonat zusteht.
Das Bundesarbeitsgericht stellt darüber hinaus ausdrücklich klar, dass es an seiner Entscheidung vom 26. Januar 1967 (5 AZR 395/66) nicht mehr festhält, soweit diesem zu entnehmen sei, dass der volle Urlaubsanspruch bereits mit Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit entstehe.