Upload-Filter, Pre-Flagging und Snippets: Urheberrechtsreform steht unmittelbar bevor
Veröffentlicht am 10th Feb 2021
Anfang Juni 2021 läuft die Umsetzungsfrist für die viel debattierte Urheberrechtsreform ab. Das Urheberrecht soll dadurch an das Internet-Zeitalter angepasst werden. Der Regierungsentwurf vom 3. Februar 2021 zeigt, was sich konkret in Deutschland ändern soll.
Bis zum 7. Juni 2021 müssen die EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, die Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt („DSM-Richtlinie“) in nationales Recht umsetzen. Am 3. Februar 2021 hat die deutsche Bundesregierung sich nun auf einen Regierungsentwurf geeignet, sodass die Reform kurz vor ihrem Abschluss steht.
Ein zentrales Ziel dieser großen EU-Urheberrechtsreform ist die Anpassung des Urheberrechts an die technologischen Entwicklungen der letzten beiden Jahrzehnte, insbesondere ein neuer urheberrechtlicher Umgang mit Upload-Plattformen im Internet, auf denen von Nutzern hochgeladene Inhalte (User Generated Content) zum Abruf bereitgehalten werden. Vor Inkrafttreten der DSM-Richtlinie im Jahr 2019 hatte die geplante Reform auch außerhalb der juristischen Fachwelt für erhebliche Proteste gesorgt. Kritiker befürchteten insbesondere, dass Upload-Filter seitens der Plattformen die Freiheit des Internets gefährdeten. Knapp zwei Jahre nach den Protesten zeigt der Regierungsentwurf nun, wie der deutsche Gesetzgeber das Urheberrecht konkret ändern will.
Das UrhDaG als eigenes Gesetz für Plattformen
Im Mittelpunkt der Reform steht das neu geschaffene „Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz“ (UrhDaG). In § 1 Abs. 3 des Regierungsentwurfs für dieses Gesetz (UrhDaG-E) ist geregelt, dass den Plattformen künftig die urheberrechtliche Verantwortlichkeit für die bei ihnen abrufbaren Inhalte zugewiesen wird. Bislang können sich alle Host-Provider auf das Haftungsprivileg aus § 10 S. 1 TMG berufen, wonach sie für fremde Informationen grundsätzlich nicht verantwortlich sind. Für Diensteanbieter im Sinne von § 2 Abs. 1 UrhDaG-E gilt dieses Privileg nach dem Regierungsentwurf künftig nicht mehr.
Dieser neuen urheberrechtlichen Verantwortlichkeit kann sich ein Diensteanbieter gem. § 1 Abs. 2 UrhDaG-E nur unter neu geschaffenen Voraussetzungen entziehen: Er muss zum einen nach § 4 Abs. 1 UrhDaG-E „bestmögliche Anstrengungen“ unternehmen, Lizenzen für die urheberrechtlich geschützten Inhalte zu erwerben, die man bei ihm abrufen kann. Damit will der Gesetzgeber die Position der Rechteinhaber und Verwertungsgesellschaften gegenüber den Plattformen stärken. Zum anderen müssen Diensteanbieter gem. §§ 7, 8 UrhDaG-E sicherstellen, dass keine unerlaubten Wiedergaben auf der Plattform geschehen, und entsprechende Inhalte sperren.
Lösungsversuch der Bundesregierung bei Upload-Filtern
Ein technischer Mechanismus von Plattformen, um solche unerlaubten Wiedergaben zu verhindern, sind sogenannte Upload-Filter, also Software, die die hochgeladenen Inhalte vor Veröffentlichung auf Urheberrechtsverstöße durchleuchtet. Die seit 2019 hitzig diskutierte Frage, ob solche Upload-Filter Bestandteil der deutschen Richtlinienumsetzung sein würden, beantwortet der Regierungsentwurf im Ergebnis mit Ja. Er sieht vor, dass „automatisierte Verfahren“ zur Inhalte-Prüfung nach § 7 Abs. 2 UrhDaG-E grundsätzlich genutzt werden dürfen; das verweist in der Sache auf die genannten Upload-Filter, ohne dass dieser Begriff im Gesetzesentwurf genannt wird.
Der Kritik, dass ein solcher Upload-Filter viele Uploads zu Unrecht blockieren könnte, weil die Software etwa das Zitatrecht und die Parodiefreiheit nicht erkennen und deshalb solche legalen Nutzungen nicht treffsicher von illegalen unterscheiden könnte, versucht der Gesetzgeber mit einer kleinteiligen Regelung zu „mutmaßlich erlaubten Inhalten“ in §§ 9 ff. UrhDaG-E zu begegnen. Mutmaßlich erlaubt soll ein Upload dann sein, wenn er weniger als die Hälfte eines fremden Werks enthält und dieses Werk mit anderen Inhalten kombiniert. Darüber hinaus muss die Nutzung entweder geringfügig sein (sog. Bagatellgrenze in § 10 UrhDaG-E) oder der Uploader den Inhalt als zulässig gekennzeichnet haben, etwa weil es sich um eine Parodie handelt (sog. Pre-Flagging in § 11 UrhDaG-E). Gekoppelt ist die mutmaßliche Erlaubtheit an ein Beschwerdeverfahren (§§ 14 ff, UrhDaG-E), mit dem sowohl Uploader als auch Rechteinhaber die Entscheidung der Plattform angreifen können sollen.
Schutz der Presseverleger konkretisiert
Neben der Einführung des UrhDaG sieht der Regierungsentwurf auch für das Urhebergesetz (UrhG) selbst zahlreiche Änderungen vor: So soll etwa das Leistungsschutzrecht für Presseverleger in §§ 87f ff. UrhG-E reformiert werden. Neu gefasst werden etwa die Grenzen des Leistungsschutzrechts in § 87g Abs. 2 UrhG-E: Frei und ohne weiteres möglich bleiben demnach die Wiedergabe der in einer Presseveröffentlichung enthaltenen Tatsachen, die private oder nicht kommerzielle Nutzung durch einzelne Nutzer sowie Hyperlinks auf einen online verfügbaren Pressebeitrag, außerdem die Nutzung „einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge“ aus einem Presseartikel (sog. Snippet-Ausnahme).
Geändert werden soll auch die Beteiligung von Verlegern an pauschalen Vergütungsansprüchen. Die langjährige Praxis, dass pauschale Vergütungen, wie sie etwa beim Kopieren in Copyshops oder beim Kauf von Computern, Druckern und Speichermedien anfallen, von den Verwertungsgesellschaften zwischen Autoren und Verlagen geteilt wurde, hatte der Europäische Gerichtshof im Jahr 2015 gekippt. Mit § 63a Abs. 2 UrhG-E soll nun ein gesetzlicher Beteiligungsanspruch des Verlegers eingeführt werden, sodass Verleger wie in der Zeit vor dem EuGH-Urteil wieder an pauschalen Vergütungsansprüchen beteiligt werden.
Urhebervertragsrecht weiter verschärft
Die bereits seit 2002 im deutschen Urhebervertragsrecht enthaltenen weitreichenden Regelungen zugunsten der Urheber auf angemessene Vergütung findet sich in ähnlicher Konstruktion in der DSM-Richtlinie wieder. Insoweit wird ein weitreichender Schutz der Urheber nunmehr auch in allen EU-Mitgliedstaaten eingeführt werden. In seinem Regierungsentwurf geht der deutsche Gesetzgeber freilich teilweise noch über die Richtlinienumsetzung hinaus und verschärft das geltende Urhebervertragsrecht nochmals zu Lasten der Verwerter urheberrechtlich geschützter Werke.
Auf der anderen Seite ziehen neue Regelungen weite Grenzen für die Auswertung großer Text- und Datenbestände mittels Text- und Data-Mining. Schließlich werden neue Schranken für die Werknutzung zu kulturellen und zu Lehrzwecken eingeführt und die vom EuGH (C-476/17 – Pelham u.a.) 2019 für teilweise europarechtswidrig erklärte Regelung über die freie Benutzung von Werken wird neu gefasst.
So geht es mit dem Regierungsentwurf weiter
Der Entwurf wird nun in Bundestag und Bundesrat weiter beraten. Dabei geht die rechtspolitische Diskussion auch außerhalb des Parlaments lebhaft weiter, weil von verschiedener Seite Kritik an dem Entwurf geübt wird. Selbst wenn die Urheberrechtsreform dann in der Form des jetzigen Regierungsentwurfs verabschiedet würde, bleiben zudem zahlreiche Fragen für die praktische Rechtsanwendung offen. Dies beginnt schon damit, wer überhaupt als „Diensteanbieter“ im Sinne des UrhDaG-E zu verstehen ist. Gehören zu den vom Gesetz genannten kommerziellen Anbietern mit dem Hauptweck, „eine große Menge an von Dritten hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Inhalten zu speichern und öffentlich zugänglich zu machen“, außer reinen Upload-Plattformen auch soziale Netzwerke? Was gilt für Mischformen, und wie können gerade kleinere Diensteanbieter die gesetzlichen Vorgaben zur Haftung umsetzen? Beim Presseverlegerrecht wird zu klären sein, wie kurz die „sehr kurzen Auszüge“ sein müssen, um als zulässiges Snippet zu gelten. Und im Urhebervertragsrecht werden die Rechte der Urheber weiter gestärkt, was vor dem Hintergrund einer ohnehin schon unübersichtlichen Rechtslage zu weiteren Konflikten bei der Auswertung urheberrechtlich geschützter Werke führen dürfte, die erst nach und nach höchstrichterlich geklärt werden können.
Ein Beitrag von Dr. Martin Soppe und Christoph Fuchs