Unwirksamkeit einer Klageverzichtsklausel bei zu Unrecht angedrohter außerordentlicher Kündigung

Veröffentlicht am 8th May 2015

Der in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Aufhebungsvertrag enthaltene Klageverzicht ist unwirksam, wenn der Aufhebungsvertrag zur Vermeidung einer angedrohten außerordentlichen Kündigung geschlossen wurde und ein verständiger Arbeitgeber die Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte (BAG, Urteil vom 12. März 2015 – 6 AZR 82/14).

Der Sachverhalt

Der Kläger war seit 2001 bei der Beklagten (einem Unternehmen des Einzelhandels) zunächst als Auszubildender, später als Einzelhandelskaufmann und schließlich als Abteilungsleiter beschäftigt.

Am 28. Dezember 2012 drohte die Beklagte dem Kläger mit außerordentlicher Kündigung und Erstattung einer Strafanzeige, weil er zwei Fertigsuppen mit einem Verkaufswert von rund einem Euro aus dem Warenbestand der Beklagten entnommen und in der Mittagspause verzehrt habe. Die Erklärungsversuche des Klägers hierzu zog sie in Zweifel. Zugleich legte die Beklagte dem Kläger zur Vermeidung der angedrohten Konsequenzen einen vorformulierten Aufhebungsvertrag vor, der das Arbeitsverhältnis zum gleichen Tag beenden sollte und einen Widerrufs- sowie Klageverzicht enthielt.

Nach Verwehrung der von ihm geforderten Bedenkzeit unterschrieb der mit der Situation völlig überforderte Kläger schließlich den Aufhebungsvertrag, focht seine Erklärung aber noch am gleichen Tag wegen widerrechtlicher Drohung an und klagte schließlich auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses. Der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findende Manteltarifvertrag für den Einzelhandel NRW vom 25. Juli 2008 beinhaltet bei Aufhebungsverträgen ein Widerrufsrecht innerhalb von drei Werktagen, auf das allerdings schriftlich verzichtet werden kann.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr auf Berufung des Klägers statt. Das BAG hat nun das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das LAG zurückverwiesen.

Die Entscheidung

Das BAG stellt den Grundsatz auf, dass eine Klageverzichtsklausel im Aufhebungsvertrag bei widerrechtlicher Drohung unwirksam sei.

Ein Klageverzicht in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Aufhebungsvertrag unterliegt als Nebenabrede einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Werde ein solcher formularmäßiger Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag erklärt, der zur Vermeidung einer vom Arbeitgeber angedrohten außerordentlichen Kündigung geschlossen wird, benachteilige dieser Verzicht den Arbeitnehmer unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.

Der Klageverzicht nehme dem Kläger im Ergebnis die Möglichkeit, den Vertrag rechtlich durchsetzbar anzufechten. Das sei mit dem gesetzlichen Leitbild nur zu vereinbaren, wenn die Drohung nicht widerrechtlich war. Ob eine solche vorlag muss das LAG nun noch aufklären.

Auf die Wirksamkeit des Widerrufsverzichts sei es vorliegend nicht angekommen, da der Kläger innerhalb der Widerrufsfrist keinen Widerruf i.S. des Manteltarifvertrages erklärt habe, so das BAG.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung zeigt, dass ein Aufhebungsvertrag mit einer Klageverzichtsklausel keine in jedem Fall die Einwendungen des Arbeitnehmers ausschließende Lösung ist. Es gelten weiterhin die allgemeinen Grundsätze, dass der Arbeitnehmer nicht durch widerrechtliche Drohung zum Abschluss des Aufhebungsvertrags gebracht werden darf. Für den Arbeitgeber ergibt sich daraus die Schwierigkeit, die potentielle Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung vorab einzuschätzen. Denn wenn er sich zu Unrecht zu einer Kündigung befugt sieht, kann auch bereits sein Drängen auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags als widerrechtliche Drohung gesehen werden und diesen anfechtbar sowie die Klageverzichtsklausel unwirksam machen.

Zu raten ist Arbeitgebern daher, Mitarbeitern eine gewisse Bedenkzeit einzuräumen. Dies gilt insbesondere, wenn sie wie der Kläger ausdrücklich darum bitten.

Zudem hat das LAG damit argumentiert, dass der Aufhebungsvertrag insgesamt unausgeglichen und zu Lasten des Arbeitnehmers ausgestaltet war. Das LAG begründet diese Feststellung damit, dass eine fristlose Beendigung und ein Tatsachenvergleich über das Nichtbestehen von Resturlaubsansprüchen Gegenstand des Aufhebungsvertrages war. Ein Hinweis auf die Meldeverpflichtung bei der Arbeitsagentur fehlte zudem gänzlich.

Offen bleibt in der Entscheidung, wie die Wirksamkeit des Widerrufsverzichts zu beurteilen ist. Ein solcher Verzicht auf das tarifliche Widerrufsrecht kann nach der Rechtsprechung des BAG direkt in die Vertragsurkunde aufgenommen werden (vgl. BAG, Urteil vom 24. Januar 1995 – 2 AZR 317/84). Unklar bleibt, weshalb in der Anfechtungserklärung des Klägers kein Widerruf gesehen wurde. Insoweit bleibt die vollständige Urteilsbegründung abzuwarten.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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