Tariflicher Mindestlohn auch für Entgeltfortzahlung wegen Feiertages oder Krankheit und für Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung maßgeblich
Veröffentlicht am 12th Jun 2015
Arbeitnehmer haben nicht nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden Anspruch auf einen für sie geltenden tariflichen Mindestlohn. Das BAG hat entschieden, dass auch im Falle der Erkrankung und an Feiertagen sowie hinsichtlich der Berechnung von Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung der tarifliche Mindestlohn maßgeblich ist (AZ: 10 AZR 191/14).
Der Sachverhalt
Die Klägerin war bei der Beklagten als pädagogische Mitarbeiterin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterfiel Kraft der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem II. oder III. Buch Sozialgesetzbuch (MindestlohnVO) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales dem Geltungsbereich des Tarifvertrags zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15. November 2011 (TV-Mindestlohn). Dieser sah eine Mindeststundenvergütung von EUR 12,60 brutto vor. Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaubsentgelt enthielt der TV-Mindestlohn nicht. Zwischen den Parteien bestand neben den Regelungen des TV-Mindestlohn eine einzelvertragliche Regelung, in der eine im Vergleich zum TV-Mindestlohn geringere Vergütung vorgesehen war.
Die Beklagte zahlte die tarifliche Mindeststundenvergütung von EUR 12,60 brutto für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden und für Zeiten des Urlaubs. Für durch Feiertage oder Arbeitsunfähigkeit ausgefallene Stunden sowie für die Urlaubsabgeltung legte sie hingegen den geringeren vertraglichen Lohn zugrunde. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin für Feiertage, Krankheitszeiten und als Urlaubsabgeltung nach Maßgabe des TV-Mindestlohn den tariflichen Mindestlohn und verlangte eine Nachzahlung in Höhe von ca. EUR 1.000,00 brutto. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat diese Entscheidungen bestätigt.
Die Entscheidung
Das BAG hat entschieden, dass der Klägerin nicht nur für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern auch für Zeiten des Urlaubs, an Feiertagen, bei Krankheit oder als Urlaubsabgeltung der tarifliche Mindestlohn zu gewähren ist. Es begründet dies damit, dass der Arbeitgeber nach dem Entgeltausfallprinzip gemäß dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) an Feiertagen und bei Krankheit das Arbeitsentgelt an einen Arbeitnehmer zu zahlen habe, dass dieser ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Beim Urlaubsentgelt und bei der Urlaubsabgeltung sei nach dem Referenzprinzip gemäß § 11 BUrlG die durchschnittliche Vergütung der letzten 13 Wochen maßgeblich.
Diese Regelungen finden – so die Erfurter Richter – auch dann Anwendung, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach einer Mindestlohnregelung richtet, die – wie hier die Mindestlohnverordnung – keine Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaubsentgelt enthält. Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung ist in diesen Fällen deshalb unzulässig.
Hinweise für die Praxis
Das BAG hat entschieden, dass Arbeitnehmer nicht nur für Stunden, die sie tatsächlich gearbeitet haben, Anspruch auf den tariflichen Mindestlohn haben.
Die Entscheidung betraf nicht den Fall einer Mindestlohnzahlung nach dem Anfang des Jahres in Kraft getretenen Mindestlohngesetzes (MiLoG), sondern der Mindestlohnzahlung nach einem per Verordnung für bundesweit gültig erklärten Tarifvertrag. Die Frage, ob der gesetzliche Mindestlohn nach dem MiLoG nur für tatsächlich geleistete Stunden oder auch für Stunden zu zahlen ist, in denen der Arbeitnehmer in Folge von Erkrankung, Urlaub oder Feiertagen nicht gearbeitet hat, ist derzeit noch nicht entschieden.
Es ist indes zu erwarten, dass zukünftige Entscheidungen zum gesetzlichen Mindestlohn sich an dem jüngst ergangenen Urteil des BAG zum tariflichen Mindestlohn orientieren werden. Arbeitgeber sollten sich daher darauf einstellen, auch Stunden, in denen der Arbeitnehmer in Folge von Erkrankung, Urlaub oder Feiertagen nicht gearbeitet hat, mit dem Mindestlohn vergüten zu müssen.
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass für Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht wirksam in arbeitsvertraglichen Klauseln über Ausschlussfristen geregelt werden kann, dass diese verfallen, wenn sie nicht binnen einer bestimmten Frist geltend gemacht werden. Entsprechend können Ansprüche auf Nachzahlungen auch über die Ausschlussfristen hinaus geltend gemacht werden.