Störerhaftung für WLAN-Betreiber: EuGH ermöglicht Ausweg für deutsche Unternehmer
Veröffentlicht am 16th Sep 2016
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seinem Urteil „Mc Fadden“ die deutsche Störerhaftung für deutsche WLAN-Betreiber zwar nicht grundsätzlich aufgehoben. Unternehmer, die ihren Kunden ein kostenfreies Netz zur Verfügung stellen, können sich aber durch bestimmte Maßnahmen von der Haftung befreien (Urt. v. 15.09.2016, Az. C-484/14).
Der Fall
Tobias McFadden betreibt in München einen Laden für Licht- und Tontechnik und bietet seinen Kunden ein kostenloses, ungesichertes WLAN-Netz. Weil darüber ein Musiktitel zum Herunterladen angeboten wurde, an dem Sony die Rechte hat, mahnte der Konzern den Ladeninhaber ab. McFadden wehrte sich; im folgenden Verfahren legte das Landgericht München I dem EuGH einen umfangreichen Fragenkatalog vor, der sich im Grundsatz mit der Vereinbarkeit der deutschen Störerhaftung für WLAN-Betreiber mit der europäischen Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr aus dem Jahr 2000 beschäftigt. Die Störerhaftung für private WLAN-Betreiber ist außen vor.
Bisher haftet der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der sein WLAN nicht hinreichend sichert, als Störer auf Unterlassung, wenn Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Werke in Internettauschbörsen einzustellen oder herunterzuladen. Daran hat auch die jüngste Reform des Telemediengesetzes (TMG) nichts geändert, da der relevante § 8 TMG inhaltlich unverändert fortbesteht.
Das Urteil
Generalanwalts Szpunar hatte die Störerhaftung teilweise für EU-rechtswidrig beurteilt; Betreiber von WLAN-Netzen sollten u.a. keine Abmahn- und Gerichtskosten tragen sowie keinen umfangreichen Prüf- und Sicherungspflichten unterliegen.Der EuGH stellte jetzt fest, dass gegen den Betreiber eines WLAN-Zugangs für Kunden keine Schadensersatzansprüche bestehen, wenn die Kunden über den Internetzugang Urheberrechte Dritter verletzen. Davon werden auch die Abmahn- und Gerichtskosten für Schadensersatzansprüche erfasst.
Die wesentlich wichtigeren Unterlassungsansprüche werden dagegen vom EuGH nicht beschränkt oder gar abgeschafft. Die Rechteinhaber sollen weiterhin die Abmahn- und Gerichtskosten von den Anbietern der Kommunikationsnetze verlangen können, wenn die jeweiligen Unterlassungsansprüche „darauf abzielen oder daraus folgen, dass eine innerstaatliche Behörde oder ein innerstaatliches Gericht eine Anordnung erlässt, mit der dem Diensteanbieter untersagt wird, die Fortsetzung der Rechtsverletzung zu ermöglichen.“ Diese Formulierung muss man so deuten, dass sie die bisher üblichen Fälle der Abmahnung umfasst.
Der EuGH zeigt jedoch einen Ausweg auf: Der kommerzielle Betreiber schützt sein WLAN durch Passwörter, die er an die Nutzer verteilt. Die Nutzer sollen sich allerdings ausweisen, da nur so von Nutzungsrechtsverletzungen abgeschreckt würde. Erfüllt der Unternehmer diese Sicherungspflicht, dann besteht gegen ihn kein Unterlassungsanspruch. Die Vorgaben legen nah, dass jeder Nutzer ein individuelles Passwort erhalten soll. Die Betreiber müssten damit aufwändig zu Beweiszwecken Listen mit Namen und Passwörtern führen, ggf. sogar mit sonstigen Kontaktdaten.
Die ebenfalls im Verfahren diskutierte vollständige Überwachung der Internetkommunikation und die vollständige Abschaltung des Internetanschlusses gingen dem EuGH dagegen zu weit, weil nicht mehr durch den Schutz des Geistigen Eigentums gerechtfertigt.
Die Folgen
Die reformierten Regelungen im TMG sind nun anhand des EuGH-Urteils richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass weiterhin Unterlassungsansprüche und damit auch Abmahnungen gegenüber den Anschlussinhabern möglich sind, soweit kein angemessener Passwortschutz vorgesehen ist. Unternehmer, die ihren Kunden weiterhin kostenloses WLAN anbieten wollen, können dies zukünftig mit weniger Furcht vor zusätzlichen Kosten tun, müssen dafür aber mehr Aufwand treiben – die erforderlichen Maßnahmen sind im Detail noch genau festzulegen.