Schimmel muss nach einschlägigen Leitfäden beseitigt werden
Veröffentlicht am 16th Apr 2020
Baurecht. Bei der Beseitigung von Schimmel in einem geschlossenen Rohbau müssen Schimmelpilz- und -sanierungsleitfäden zu Rate gezogen werden, auch wenn sie keine allgemein anerkannten Regeln der Technik sind.
Der Fall
Der Bauherr beauftragte einen Architekten und einen Projektsteuerer mit der Erweiterung einer Berufsschule. Im Winter, als sich der Bau noch im geschlossenen Rohbau befand, bildete sich Schimmel an Sparren und OSB-Platten im Deckenbereich. Die Schimmelpilze wurden mit einem Spezialmittel abgetötet; die befallenen Holzbereiche, insbesondere die OSB-Platten, mit einem Mittel bestrichen. Nach der Behandlung waren weiterhin graue Flecken auf den Sparren und Platten sowie kristalline Ausblühungen sichtbar. Es wurde ein selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt und die OSB-Platten wurden nach den Vorschlägen des Sachverständigen ausgetauscht. Der Bauherr nahm Architekt und Projektsteuerer auf Schadenersatz in Anspruch. Dagegen gingen diese gerichtlich vor.
Die Folgen
Ohne Erfolg! Das Gericht urteilte, dass Architekt und Projektsteuerer entgegen ihren Pflichten nicht für eine ausreichende Beheizung und Belüftung des Rohbaus gesorgt haben. Deswegen sei der Schimmel entstanden. Die Beklagten hätten den Bauherrn auf diese Gefahr hinweisen müssen. Zudem hätten die OSB-Platten unverzüglich ausgetauscht werden müssen; dies ergibt sich u.a. aus den "Schimmelleitfäden" des Umweltbundesamts. Diese Leitfäden stellen zwar keine allgemein anerkannten Regeln der Technik dar und sind auch keine wissenschaftlichen Publikationen, basieren aber auf wissenschaftlichen Erkenntnissen von Medizinern und Biologen. In einem so sensiblen Bereich wie dem Bau einer Schule muss stets die sicherste Sanierungsmethode gewählt werden. Der Projektsteuerer haftet gesamtschuldnerisch mit dem Architekten, da er Aufgaben übernommen hat, die der Qualitätssicherung der Bauausführung und Mängelbeseitigung dienten.
Was ist zu tun?
Erstens steht mit dem Urteil einmal mehr fest, dass die Haftung von Projektsteuerern immer eine Einzelfallentscheidung ist. Sie richtet sich nicht allein schematisch danach, ob der zugrunde liegende Vertrag ein Werkvertrag oder ein Dienstvertrag ist. Zweitens gibt es für das Problem der Schimmelsanierung noch keine allein maßgebliche Norm. Die Sanierung muss unverzüglich und ohne Restrisiko durchgeführt werden, gerade weil die Wirkung von Schimmelsporen auf die menschliche Gesundheit noch nicht komplett erforscht ist. Die dritte wichtige Erkenntnis dieses Urteils ist, dass die Planer und Projektsteuerer am Bau den Bauherrn auf Risiken und Lösungsmöglichkeiten hinweisen müssen. Es ist rechtlich keine Option, im Nachhinein einen Bauherrn als "erfahren" darzustellen, um einer Haftung zu entgehen oder ein Mitverschulden des Bauherrn zu konstruieren. (redigiert von Anja Hall)
Rechtsanwältin Katharina Feddersen von Osborne Clarke
IZ Immobilien Zeitung Ausgabe IZ16/2020, S. 12