Gewerblicher Rechtsschutz / IP

Remanufacturing: Was ist das und welche rechtlichen Fragen stellen sich dazu?

Veröffentlicht am 11th Nov 2022

Remanufacturing – die Wiederaufbereitung von Produkten – galt lange eher als Nischenthema. Das ändert sich aktuell. Immer mehr Unternehmen entdecken das Thema Remanufacturing, dessen deutsche Übersetzung Refabrikation weniger geläufig ist, für sich. Aus gutem Grund, denn Remanufacturing bietet eine Reihe von Vorteilen – ökonomische, aber auch ökologische. Dabei stellen sich aus rechtlicher Sicht eine Reihe von Fragen.

Remanufacturing, Refurbishing, Recycling: Bei weitem nicht dasselbe

Oftmals wird Remanufacturing in einem Atemzug mit Recycling, Rekonditionierung, Refurbishing, Retrofit, Remarketing und Reparatur genannt und mitunter gar synonym verwendet. All diese Begriffe haben mit dem Konzept der Kreislaufwirtschaft zu tun und liegen – mal mehr, mal weniger – nah beieinander. Es lohnt sich jedoch, hier genauer hinzusehen und die Begriffe nicht verschwimmen zu lassen. Denn die genannten Verfahrensweisen sind rechtlich unterschiedlich zu bewerten.

Was ist Remanufacturing? Eine Definition:

Was bedeutet Remanufacturing also? Der Begriff beschreibt ein industrielles Verfahren, mit dem ein verschlissenes bzw. nicht mehr funktionstüchtiges Produkt wiederaufgebaut und wiederhergestellt werden kann. Dazu werden abgenutzte oder veraltete Komponenten zerlegt, gereinigt, repariert und bei Bedarf ersetzt, um das Produkt in einen neuwertigen Zustand zu versetzen. 

In Abgrenzung zum Recycling geht es beim Remanufacturing um die Wiederverwendung von Komponenten, nicht allein des Materials. Dadurch bleibt beim Remanufacturing der Wert des Produkts erhalten, beim Recycling nur der Materialwert. Wobei selbst dieser mitunter leidet, weil das Ergebnis des Recyclings zu stofflichen Qualitäten führt, die oftmals unter denen des Originalprodukts liegen. 

Warum ist Remanufacturing interessant?

Im Umgang mit den aktuellen Krisen scheint Remanufacturing die perfekte Lösung für viele Probleme zu bieten: Durch die Wiederverwendung bestehender Komponenten ist Remanufacturing weitgehend immun gegen Steigerungen bei den Energie- und Rohstoffpreisen. Bei Rohstoffen sind nach Branchenangaben sogar Einsparungen von bis zu 90 Prozent möglich. Damit bietet Remanufacturing aus ökonomischer Sicht erhebliche Vorteile gegenüber der Herstellung neuer Produkte.

Geringere Kosten, mehr Nachhaltigkeit, schnellere Produktion: die Vorteile von Remanufacturing

Damit einher gehen auch ökologische Vorteile, so dass Remanufacturing dem aktuellen Trend nach mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz entspricht. Das liegt nicht nur an den erwähnten Einsparungen bei Energie und Rohstoffen. 

Hinzu kommt: Die Transportwege beim Remanufacturing sind deutlich kürzer, was ebenfalls Energie und Kosten spart. Während neue Produkte nicht selten in Asien hergestellt und dann nach Europa verschifft oder geflogen werden, stammen die Ausgangsprodukte für das Remanufacturing eher aus dem regionalen Umfeld. Engpässe in den globalen Lieferketten spielen beim Remanufacturing daher ebenfalls keine Rolle.

Die Geschwindigkeit der Produktion ist ein weiterer Vorteil des Remanufacturings. Dass die für die Herstellung verwendeten Komponenten nicht erst hergestellt werden müssen, spart wertvolle Zeit. Auch die bereits angesprochenen kürzeren Transportwege tragen ihren Teil zur Zeitersparnis bei.

Für welche Unternehmen ist Remanufacturing attraktiv?

Remanufacturing ist für viele Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen interessant: Als alternativer Produktionsprozess kommt es bereits vor allem in den Bereichen Verkehr (z. B. Automobil, Luft- und Raumfahrt, Schienenverkehr), Energie (z. B. Photovoltaik, Windkrafträder), bei Medizinprodukten und in der Fertigungsindustrie zur Anwendung. Auch darüber hinaus sind viele Bereiche denkbar, in denen Remanufacturing als Option in Betracht kommt.

Wissenschaftlichen Prognosen zufolge wird das Remanufacturing, insbesondere in der Industrieproduktion, weiter an Bedeutung gewinnen: Mit einem EU-Marktpotenzial von rund EUR 90 Milliarden bis zum Jahr 2030 wird Remanufacturing ein immer wichtigerer Aspekt der künftigen Fertigungsindustrie werden.

Rechtliche Fragen zum Remanufacturing: Regulatorik und Haftung

Aus rechtlicher Sicht stellen sich beim Remanufacturing eine Reihe von Fragen zu produktregulatorischen Themen und der Herstellerverantwortung. Das gilt vor allem dann, wenn der Remanufacturer Komponenten verwendet, die aus Produkten anderer Hersteller stammen:

  • Wie ist mit Produktkennzeichnungen wie Marken oder Prüfzeichen umzugehen? 
  • Darf, sollte oder muss man gar als Remanufacturer das Produkt selbst kennzeichnen und wenn ja, wie? 
  • Welche Folgen hat eine solche Kennzeichnung im Hinblick auf die Produkthaftung und wie steht es unabhängig von der Kennzeichnung um die Haftung für Produkte, die durch Remanufacturing hergestellt werden? 
  • Inwieweit spielen neben Marken andere IP-Rechte (Patenten, Geschmacksmuster bzw. Designs etc.) eine Rolle? 
  • Welche Regelungen sind im Falle von Gesetzesänderungen anwendbar – kommt es auf den Zeitpunkt der Herstellung der Komponenten oder den des Remanufacturings an? 

Es gibt bislang kein spezielles Gesetz, was das Thema Remanufacturing behandeln würde. Daher müssen Unternehmen auf die allgemeinen Gesetze zurückgreifen. 

Fazit: Spezielle Gesetzgebung gibt es nicht – Einzelfallbetrachtung schafft rechtliche Sicherheit

Für Remanufacturer ergeben sich oft rechtliche Besonderheiten im Vergleich zu den Herstellern neuer Produkte. Zum einen müssen sie sich mit rechtlichen Fragen beschäftigen, die explizit das Verfahren Remanufacturing betreffen. Zum anderen sind die bestehenden Gesetze derzeit für die Herstellung neuer Produkte konzipiert; für das Thema Remanufacturing scheinen sie dagegen oft nicht so recht zu passen. Hier kommt es auf die Betrachtung im Einzelfall an, wobei unsere Experten gerne unterstützen. 

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Die Wiederaufbereitung von Produkten – das sogenannte Remanufacturing – wirft eine Reihe von Fragen bezüglich gewerblicher Schutzrechte auf. Betroffen sind sowohl Produzenten, die ihre Produkte schützen möchten, als auch Unternehmen, die Waren wiederaufbereiten (also Remanufacturer) und das rechtlich absichern wollen. Hier weiterlesen

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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