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Rechtsprechungs-Update: Verschärfte Aufklärungspflichten für Immobilienverkäufer!

Veröffentlicht am 5th Okt 2023

Wichtige rechtliche Entwicklung mit Auswirkung auf Immobilientransaktionen: In einem kürzlich vom BGH entschiedenen Fall wurden verschärfte Aufklärungspflichten für Immobilienverkäufer festgelegt, die sich bei einer Transaktion auf die Vorvertragsphase auswirken. Trotz Einstellen relevanter Unterlagen in einen Datenraum und Hinweis im Kaufvertrag, der Käufer hätte alle Dokumente im Datenraum zur Kenntnis genommen, können konkrete Hinweise zur Erfüllung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht erforderlich sein!

(BGH-Urteil des V. Zivilsenats vom 15.09.2023 - V ZR 77/22)

 

Apartment building facade with balconies

Zum Hintergrund (stark verkürzt):

Die Käuferin mehrerer Gewerbeeinheiten in einem Gebäudekomplex klagte wegen unzureichender Aufklärung durch den Verkäufer über potentiell notwendige Sanierungsmaßnahmen auf Anfechtung des unter Ausschluss der Sachmängelhaftung geschlossenen Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung und Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Käufer wurde im vorliegenden Fall durch das Protokoll der Eigentümerversammlung über mögliche Sanierungskosten von bis zu EUR 50.000.000 informiert, das kurz vor Vertragsabschluss in den Datenraum eingestellt wurde.

Die zentrale Frage des Falls: Kann das Bereitstellen eines virtuellen Datenraums mit relevanten Unterlagen die Aufklärungspflicht des Verkäufers ersetzen?

Der BGH stellte im entschiedenen Fall fest, dass die Möglichkeit zur Eigenrecherche des Käufers allein die Pflicht zur Offenbarung wichtiger Aspekte durch den Verkäufer nicht ausschließt. Obwohl der Kaufvertrag angab, dass der Käufer den Inhalt der im Datenraum eingestellten Protokolle kannte, entschied der BGH, dass das bloße Einstellen von Unterlagen nur in Ausnahmefällen ausreicht.

Das schlichte Einstellen von Dokumenten in einen Datenraum ist zur Erfüllung der Aufklärungspflicht des Verkäufers jedenfalls nicht ausreichend, wenn der Käufer nicht zwangsläufig Kenntnis von entscheidenden Umständen erlangt, z. B. durch Veröffentlichung entscheidender Dokumente erst kurz vor Beurkundung. 

Unser Fazit:

Der Fall verdeutlicht die Bedeutung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Verkäufer von Immobilien müssen im Zweifel auch ungefragt auf transaktionsrelevante Informationen hinweisen. Ein schlichtes Befüllen des virtuellen Datenraums kann im Einzelfall unzureichend sein. Verkäufer von Immobilien können nun nicht mehr davon ausgehen, dass die Due Diligence des Käufers sie von ihrer Aufklärungspflicht befreit. Um rechtliche Risiken zu vermeiden, müssen Verkäufer umfassender über relevante Umstände aufklären, insbesondere wenn sie Schwierigkeiten haben, einzuschätzen, ob die Aufklärungspflicht im konkreten Fall vorliegt.

Der Due Diligence Prozess muss sorgfältig vorbereitet, strukturiert und begleitet werden, wichtige Unterlagen dürfen sich nicht an beliebigen Orten im Datenraum „verstecken“, an denen der Käufer nicht mit ihnen rechnen muss – insbesondere bei komplexen Immobilientransaktionen. 

Der Einsatz moderner Technologien wie virtuelle Datenräume kann zwar hilfreich sein, ersetzt jedoch nicht die Pflicht zur umfassenden Information. Sowohl Verkäufer als auch Käufer sollten sicherstellen, dass relevante Vertragsaspekte transparent und vollständig kommuniziert werden! Es bleibt für Verkäufer zu erwägen, sich bereits bei der Erstellung und Befüllung des Datenraums von Beratern unterstützen zu lassen.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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