Rechtsfragen zum Gesetzentwurf des neuen Cannabis-Gesetzes in Deutschland – was soll sich ändern?
Veröffentlicht am 23rd Okt 2023
Der Rechtsstatus von Cannabis in Deutschland und das Legalisierungsvorhaben der Bundesregierung ist ein sehr aktuelles und spannendes Thema. Auch Patientinnen und Patienten, Apotheken sowie Anbauer und Hersteller von medizinischem Cannabis beschäftigt die bundesweite Debatte sehr. Viele Fragen kommen hierzu auf und nicht alle lassen sich so leicht auf Anhieb beantworten. In Zusammenarbeit mit jiroo, einer spezialisierte Online-Versandapotheke für medizinisches Cannabis und Cannabispräparate, haben wir einige Fragen von Patientinnen und Patienten rund um medizinisches Cannabis und das Gesetzesvorhaben beantwortet:
Was ist nach dem Entwurf des neuen Cannabisgesetzes rechtlich gesehen der Unterschied zwischen medizinischem Cannabis und Konsumcannabis?
Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken (sog. Medizinalcannabis) und Cannabis zu nicht-medizinischen Genusszwecken (sog. Konsumcannabis) sind rechtlich klar voneinander zu trennen. Der am 16. August 2023 vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf eines „Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (Cannabisgesetz – CanG) sieht nun bezüglich beider Formen, sowohl für Medizinalcannabis als auch für Konsumcannabis in nicht-synthetischer Form vor, dass deren Betäubungsmittelstatus entfallen soll. Darüber hinaus enthält der Entwurf des Cannabisgesetzes getrennte und unterschiedlich strenge gesetzliche Vorschriften zu deren Umgang, welche zum einen das neue Konsumcannabisgesetz (KCanG) und zum anderen das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) regeln sollen.
Während Medizinalcannabis, welches in § 2 Nr. 1 MedCanG konkret definiert wird, beispielsweise nur auf ärztliche Verordnung in Apotheken abgegeben werden darf, soll Konsumcannabis, definiert in § 1 Nr. 8 KCanG, in nicht-gewerblichen Anbauvereinigungen, sog. „Cannabis-Clubs“, an deren Mitglieder abgegeben werden können. Hier sollen bestimmte behördliche Vorgaben, Mengen- und Altersbeschränkungen sowie eine Begrenzung des zulässigen THC-Gehalts gelten.
Wie kann der Bannkreis für Cannabis-Clubs in Städten in Bezug auf Kitas und Schulen umgesetzt werden?
§ 5 Absatz 2 des Konsumcannabisgesetztentwurfs (KCanG) schreibt vor, dass der öffentliche Konsum von Cannabis unter anderem in Schulen und Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie in einem Bereich von 200 Metern um den Eingangsbereich dieser Orte verboten ist. Die Jugend- und Gesundheitsschutzvorgaben, zu denen insbesondere die Abstandsgebote beim öffentlichen Konsum von Cannabis aus § 5 Absatz 2 des Konsumcannabisgesetztes gehören, sollen laut dem Kabinettsentwurf des Cannabisgesetzes polizeilich und strafrechtlich durchgesetzt werden. Wie dies konkret erfolgen soll, ist dort bislang nicht geregelt. Kritiker befürchten insofern, dass die Einhaltung der Vorschriften zum Schutz der Jugend in der Praxis nicht wirklich umgesetzt werden können.
Gilt die Abstandsregel von 200 m auch für Patientinnen und Patienten?
Ja, die in § 5 Absatz 2 des Entwurfs des Konsumcannabisgesetztes (KCanG) geregelte Abstandsregel für den Konsum von Cannabis, die einen Abstand von 200 Metern zum Eingangsbereich von Schulen, Kinderspielplätzen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie zu öffentlich zugänglichen Sportstätten, Fußgängerzonen und Anbauvereinigungen vorsieht, gilt nach dem Wortlaut von § 24 des Medizinal-Cannabisgesetzentwurfs (MedCanG) entsprechend für den öffentlichen Konsum von Cannabis zu medizinischen Zwecken mittels Inhalation.
Was ändert sich für Apotheken, Cannabishersteller sowie Patientinnen und Patienten im Umgang mit medizinischem Cannabis, wenn der Betäubungsmittelstatus entfällt?
Der Gesetzesentwurf des neuen Cannabisgesetzes (CanG) enthält Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) und Änderungen der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV). Medizinalcannabis kann danach weiterhin gemäß den aktuellen sozialrechtlichen Bedingungen als Arzneimittel verordnet werden, die Verschreibungspflicht bleibt dabei bestehen. Eine Verschreibung auf einem speziellen Betäubungsmittelrezept ist jedoch nicht länger erforderlich, vielmehr reicht für die Einlösung in der Apotheke künftig ein reguläres Rezept des Arztes.
Der Entfall des Betäubungsmittelstatus führt jedoch nicht dazu, dass jedes Unternehmen von nun an medizinisches Cannabis anbauen darf. Dies darf weiterhin nur durch Unternehmen erfolgen, die in einem europaweiten Ausschreibungsverfahren ausgewählt und von der Cannabisagentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beauftragt wurden. Medizinalcannabis wird nur für medizinische Zwecke entsprechend den arzneimittelrechtlichen Vorgaben in pharmazeutischer Qualität angebaut.
Was ist, wenn Cannabis-Patientinnen und Patienten mehr als 25 g/Monat benötigen?
Die in § 3 Absatz 1 des Konsumcannabisgesetztentwurfs (KCanG) normierte Begrenzung der zulässigen Cannabisbesitzmenge auf 25 Gramm pro Erwachsenen gilt speziell für Konsumcannabis. Konsumcannabis und medizinisches Cannabis sind rechtlich strikt voneinander zu trennen.
Wie viel medizinisches Cannabis Patientinnen und Patienten verschrieben wird, hat sich begründet an dem jeweiligen Einzelfall zu orientieren und obliegt der Verordnungsentscheidung der behandelnden Ärztin oder des behandelnden Arztes, welche dies im Rahmen des ärztlichen Rezepts festgelegen. Da der Wirkstoffgehalt bei unterschiedlichen Cannabissorten schwanken kann, hängt die zu verordnende Menge auch von der jeweiligen Cannabissorte ab. Auf dem Rezept sind daher sowohl die Menge als auch die Cannabissorte zu verzeichnen.
Wie sieht es mit dem aktiven/ passiven THC-Wert aus, während man Auto fährt?
Jeder Straßenverkehrsteilnehmer muss fahrtüchtig sein, damit die Straßenverkehrssicherheit gewährleistet bleiben kann. So sieht § 24a Absatz 2 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) vor, dass ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines der in der Anlage des StVG genannten berauschenden Mittel, unter die auch Cannabis/THC fällt, im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt.
Die Grenzwerte für THC im Blut werden aktuell durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr auf wissenschaftlicher Grundlage evaluiert. Es handelt sich um eine ergebnisoffene Untersuchung eines gegebenenfalls in § 24a Absatz 2 StVG festzulegenden THC-Grenzwerts. Die Evaluierung wird durch eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Expertinnen und Experten aus Medizin, Recht und Verkehr durchgeführt und Ergebnisse werden im Frühjahr 2024 erwartet. Bis zur abschließenden Prüfung gelten jedoch die aktuellen Vorgaben.
Wird die Kostenübernahme für medizinisches Cannabis ab dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes für gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten einfacher?
Der Entwurf des Cannabisgesetzes (CanG) enthält keine neuen Regelungen bezüglich der Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen. Auch infolge des Entfallens des Betäubungsmittelstatus von Cannabis zu medizinischen Zwecken ergeben sich keine Änderungen in Hinblick auf die Kostenerstattung.
Die Regelungen im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), die Patientinnen und Patienten unter den dort genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf Versorgung mit Cannabisarzneimitteln geben, bleiben unverändert. Einzelheiten dazu sind in § 31 Absatz 6 SGB V zu finden. Es ist daher insgesamt mit einer unveränderten Situation bei der Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen für Cannabis zu medizinischen Zwecken zu rechnen.
Wann werden die neuen Regelungen in Kraft treten und welche Hürden gibt es noch?
Der Entwurf des Cannabisgesetzes (CanG) wurde am 16. August vom Bundeskabinett beschlossen und im Anschluss in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren eingebracht.
Die erste Debatte des Gesetzesentwurfs fand bereits am 29. September im Bundesrat statt, welcher die Bundesregierung in einer Stellungnahme zu einigen Anpassungen an dem Gesetz (insbesondere zu dessen Umsetzung) aufforderte. Nach Gegenäußerung der Bundesregierung zu dieser Stellungnahme des Bundesrats wird diese dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt werden. Die erste Beratung des Bundestags zum Entwurf des Cannabisgesetzes wird voraussichtlich Mitte bis Ende Oktober erwartet. Verabschiedet dieser das Gesetz, so befasst sich der Bundesrat noch einmal abschließend damit, wobei das Gesetz im Bundesrat keiner Zustimmung bedarf.
Das endgültige Inkrafttreten des Gesetzes ist aktuell für Anfang 2024 vorgesehen. Allerdings empfiehlt der Bundesrat wegen des großen Vorbereitungs- und Organisationsaufwandes, welcher bei der Vielzahl der zu beteiligenden Behörden einer längeren Vorbereitungszeit zum Aufbau der umfangreichen neuen organisatorischen Strukturen bedarf, das Gesetz erst am 1. Juli 2025 in Kraft treten zu lassen.
Die Erstveröffentlichung dieses Artikels fand am 16.10.2023 auf jiroo.de statt. Vielen Dank an das Team von Jiroo sowie an unsere Rechts-Expertinnen Larissa Mößmer und Mona Sterheltou!