Pharma- und Kosmetikindustrie unter Druck: EU verschärft Abwasservorschriften drastisch
Veröffentlicht am 8th Nov 2024
Der Rat hat der geplanten Änderung der EU Kommunalabwasserrichtlinie (91/271/EWG) am 5. November 2024 final zugestimmt. Das Gesetzgebungsverfahren ist somit abgeschlossen.
Die Änderung der Richtlinie zielt insbesondere darauf ab, die Entsorgung von kommunalem Abwasser in der Europäischen Union zu verbessern und so die Umweltverschmutzung durch Abwässer zu reduzieren und die Wasserqualität in den europäischen Gewässern zu erhöhen. Dabei sollen primär die Hersteller von Humanarzneimittel und Kosmetika in die Verantwortung genommen werden und sich maßgeblich an den Kosten beteiligen, die für die verschärften Anforderungen an die Abwasserbehandlung nach der Richtlinie gelten werden.
Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Nachdem die Europäische Kommission ihren Entwurf einer Änderung der Richtlinie im Jahr 2022 vorgelegt hat, wurde dieser am 5. November 2024 in erster Lesung durch den Rat gebilligt. Damit gilt der Rechtsakt als angenommen. Nun wird die Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union erwartet und die Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Die EU-Mitgliedsstaaten haben bis zu 31 Monate Zeit, um die Richtlinie umzusetzen.
Worum geht es?
Die Richtlinie legt strengere Anforderungen an die Behandlung von kommunalem Abwasser fest und fordert die Mitgliedstaaten auf, moderne Technologien und Verfahren zur Abwasserbehandlung einzusetzen. Dazu gehören unter anderem verschärfte Grenzwerte für Schadstoffe und die Einführung einer zusätzlichen 4. Reinigungsstufe.
Was sind die Auswirkungen für Hersteller von Arzneimitteln und Kosmetika?
Hersteller von Humanarzneimitteln und Kosmetikprodukten werden von der neuen Richtlinie direkt in die Verantwortung genommen. Die Richtlinie sieht vor, dass Hersteller an den Kosten für den Ausbau und Betrieb der Abwassersysteme beteiligt werden sollen (sog. erweiterte Herstellerverantwortung). Denn die Europäische Kommission geht davon aus, dass über 80% der im Abwasser ermittelten Schadstoffe durch Humanarzneimittel und Kosmetikprodukte verursacht werden. Nach dem Verursacherprinzip sollen die Pharma- und Kosmetikindustrie demnach 80% der entstehenden Kosten tragen.
Nach der Richtlinie sollen außerdem bestimmte Schadstoffe, die häufig in Humanarzneimitteln oder Kosmetika enthalten sind, strenger reguliert werden. Insgesamt verursacht die Richtlinie so einen erhöhten Organisationsaufwand, da den Herstellern etwa gewisse Informationspflichten obliegen werden.
Auch wenn die Änderung der Richtlinie aus Umweltgesichtspunkten zu begrüßen ist, ist nicht auszuschließen, dass die Umsetzung der Richtlinie zu erheblichen Problemen im Bereich der Arzneimittelversorgung führen wird. In einer gemeinsamen Pressemitteilung der Pharmaverbände Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (bpi), Pharma Deutschland e.V., progenerika e.V. und dem Verband forschender Arzneimittelhersteller e.V. (vfa). wird die Änderung der Richtlinie als „unfaire Kostenverteilung“ kritisiert. Die Verbände warnen außerdem vor gravierenden Lieferengpässen in Deutschland und einer Schwächung des Pharmastandortes Deutschlands und rechnen mit Kosten für die Pharmaindustrie für den Bau der 4. Reinigungsstufe in Milliardenhöhe.
Es bleibt insofern abzuwarten, wie die Bundesregierung die Richtlinie in nationales Recht umsetzt. und inwiefern sie den möglicherweise gravierenden Auswirkungen entgegenwirkt.