OLG Hamburg zu Kontraindikationen und Warnhinweisen: Erneute Einschränkung von Werbeaussagen unter Verweis auf Fachinformation
Veröffentlicht am 6th Dez 2017
Das OLG Hamburg hat sich erneut mit Werbeaussagen über Nebenwirkungen von Arzneimitteln beschäftigt, die unter Verweis auf die Fachinformation des Arzneimittels gemacht wurden (Az.: 3 U 193/16). Dabei hat es die Möglichkeit von Werbeaussagen erneut eingeschränkt:
- Nur weil die Fachinformation keine Kontraindikationen (Gegenanzeigen) oder Warnhinweise enthält, darf ein pharmazeutisches Unternehmen in der Werbung nicht behaupten, dass es keine Kontraindikationen oder Warnhinweise gibt.
- Bei einer klaren und eindeutigen Werbeaussage kann diese nicht mehr durch einen Fußnotenverweis klargestellt oder korrigiert werden.
- Der Hinweis darauf, dass schädliche Wirkungen eines Heilmittels nicht existieren, ist stets ein Verstoß gegen das Heilmittelwerberecht, wenn der Hinweis im Rahmen einer Werbung für ein Arzneimittel erfolgt.
Im entschiedenen Fall hatte ein pharmazeutisches Unternehmen mit der Aussage „0 Kontraindikationen und Warnhinweise“ geworben – und zwar im Rahmen von Werbeunterlagen für einen Fachkongress für Ärzte und in einem wissenschaftlichen Artikel, der nicht von der Beklagten erstellt wurde. Am Ende des Artikels war aber folgender Hinweis abgedruckt: „Mit freundlicher Unterstützung der B… Pharma AG“.
Uneingeschränkte Zurechnung
Das Gericht ging davon aus, dass sich das pharmazeutische Unternehmen die in dem Fachartikel getroffenen Aussagen wegen des Hinweises uneingeschränkt zurechnen lassen muss. Dass es sich bei dem Artikel um Werbung des pharmazeutischen Unternehmens handelte, war zwischen den Parteien im Übrigen nicht streitig.
In den Werbeunterlagen hatte die Beklagte in einem Fußnotenhinweis auf die Fachinformation hingewiesen, in der keine Kontraindikationen oder Warnhinweise aufgeführt waren. In der Fachinformation beschreibt der Hersteller eines Arzneimittels detailliert seine Indikationen, Darreichungsformen, Dosierung, Wirkung, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und Kontraindikationen.
Das OLG Hamburg hielt die Aussage aber dennoch für wettbewerbswidrig, da der Fachinformation nicht zu entnehmen war, dass es keine Kontraindikationen oder Warnhinweise gibt und aus der Fachinformation auch nicht folgte, dass das Fehlen solcher Gegenanzeigen wissenschaftlich nachgewiesen ist. Nach Auffassung des Gerichts würde der von der Werbung angesprochene Verkehr bei einer solchen Aussage aber genau das erwarten.
Das Gericht ging sogar noch einen Schritt weiter und sagte, dass eine klare Aussage durch einen Fußnotenhinweis nicht eingeschränkt oder relativiert werden kann.
Fußnotenhinweise oft nicht zielführend
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass Fußnotenhinweise in der Praxis in vielen Fällen kaum zum gewünschten Ergebnis führen, nämlich die gewünschte Werbeaussage zu treffen und in der Fußnote die Hintergründe darzustellen. In diesem Fall kann man sich auch die Frage stellen, wie das Gericht entschieden hätte, wenn die Werbeaussage beispielsweise wie folgt formuliert gewesen wäre: „Keine Kontraindikationen oder Warnhinweise in der Fachinformation enthalten“. Diese Aussage ist objektiv richtig und sollte auch nicht dazu führen, dass die angesprochenen Verkehrskreise davon ausgehen, dass es solche Kontraindikationen oder Warnhinweise nicht gibt. In diesem Sinne hätte man die konkret getroffene Werbeaussage aber ebenfalls verstehen können, da ja auf die Fachinformation als Quellangabe verwiesen wurde.
Im Ergebnis ist die Entscheidung aber gut nachvollziehbar, da der Eindruck, ein Medikament hätte keine schädlichen Wirkungen, grundsätzlich nach allgemeiner Ansicht stets falsch ist. Denn das ist zumindest bei apothekenpflichtigen Medikamenten in aller Regel nicht der Fall. Es bedarf schon eines besonders klaren wissenschaftlichen Nachweises, um die Aussage tragfähig zu machen.
Dieser Fall zeigt überdies auch noch einmal auf, dass Pharmaunternehmen bei der (finanziellen) Unterstützung von wissenschaftlichen Artikeln, die auch werblichen Charakter haben können, sehr vorsichtig sein müssen. Die Gerichte gehen schnell von einer Zurechnung der Inhalte aus, und zwar ungeachtet der Tatsache, wie ein Fachartikel tatsächlich zustande kommt. Bei einem Hinweis wie „mit freundlicher Unterstützung von …“ müssen Pharmaunternehmen deshalb grundsätzlich mit einer Zurechnung der darin enthaltenen Aussagen rechnen. Das bedeutet für das pharmazeutische Unternehmen, dass es dann auch die strengen werberechtlichen Anforderungen des Heilmittelwerbegesetzes berücksichtigen muss.