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Nächster Schritt gegen „Greenwashing“: Der Vorschlag der EU-Kommission zu einer „Green Claims Richtlinie“

Veröffentlicht am 28th Mar 2023

Mit ihrem jüngsten Vorschlag für eine EU-Richtlinie zu umweltbezogenen Aussagen verschärft die EU-Kommission die Anforderungen für Unternehmen, die mit „grünen“ Claims wie „CO2-neutral“ oder „nachhaltige Verpackung“ ihre Produkte gegenüber Verbrauchern im EU-Binnenmarkt bewerben. Gleichzeitig soll der Vorschlag für faire Bedingungen für diejenigen Unternehmen sorgen, die echte Anstrengungen zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit ihrer Produkte unternehmen.

Richtlinienvorschlag reagiert auf Ergebnisse von Studien aus den Jahren 2020 und 2021

Am 22. März 2023 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine EU-Richtlinie über die „Substantiierung und Kommunikation von umweltbezogenen Werbeaussagen“ vorgestellt (hier abrufbar). Mit dem Vorschlag sollen Verbraucherinnen und Verbraucher vor sogenanntem „Greenwashing“ und irreführenden Umweltaussagen („green claims“) geschützt werden. Zugleich sollen (tatsächlich) nachhaltigen Händlern gleiche und faire Ausgangsbedingungen ermöglicht werden, um sich im Wettbewerb um nachhaltige Produkte zu positionieren. 

Zur Begründung ihres Vorschlags bezieht sich die Kommission auf eine von ihr in Auftrag gegebene Studie aus dem Jahr 2020, wonach 53,3 Prozent der seinerzeit überprüften Umweltaussagen vage, irreführend oder nicht fundiert und 40 Prozent nicht belegt gewesen seien.

Laut dem Ergebnis einer weiteren EU-Studie aus dem Jahr 2021 seien zudem mehr als die Hälfte von 232 überprüften Umweltzeichen und -labels entweder nur schwach oder gar nicht verifiziert. Dies führe, so die Kommission, dazu, dass ein signifikanter Anteil von Verbrauchern der Verbreitung solcher intransparenter Um-weltzeichen mit Skepsis begegne.  

Neue Standards für die Werbung mit umweltbezogenen Aussagen und Umweltzeichen

Der jetzige Vorschlag bezieht sich auf (freiwillige) ausdrückliche umweltbezogene Werbeaussagen, die Unternehmen („Händler“) in Bezug auf die von ihnen vertriebenen Produkte (also ihre Waren oder Dienstleistungen) oder sich selbst gegenüber Verbrauchern im „B2C“-Kontext machen. Darunter fallen Aussagen wie „grün“, „umweltfreundlich“ oder „umweltverträglich“ oder auch Claims wie „T-Shirt aus recycelten Kunststoffflaschen“ oder „ozeanfreundlicher Sonnenschutz“.  Die vorgeschlagene Richtlinie soll demgegenüber nicht auf Umweltaussagen anwendbar sein, die unter bestehende oder zukünftige spezielle EU-Rechtsvorschriften fallen und daher bereits Gegenstand einer strengen Regulierung sind.

Will ein Händler zukünftig solche ausdrücklichen Umweltaussagen gegenüber Verbrauchern verwenden, soll er verpflichtet sein, die beabsichtigten Aussagen anhand eines Kriterienkatalogs vorab zu überprüfen und zu belegen. Dazu gehört unter anderem die Prüfung, ob sich die Aussage tatsächlich auf das ganze Produkt bzw. alle Geschäftsbereiche des so beworbenen Unternehmens bezieht oder ob nur einzelne Teile des Produkts oder des Unternehmens den Claim rechtfertigen. Aussagen sollen zudem durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse belegt werden müssen und einen „Lebenszyklus“-Ansatz verfolgen: Beworbene Umweltauswirkungen oder umweltbezogene Aspekte oder Leistungen werden daher von der Beschaffung der Rohstoffe bis zum Ende der Lebensdauer des Produktes zu berücksichtigen sein. Der Richtlinienvorschlag stellt zudem genaue Anforderungen für Aussagen, die auf einer CO2-Kompensation beruhen (z.B. „CO2-neutral“). Händler werden in diesem Zusammenhang daher unter anderem transparent und nachvollziehbar darlegen müssen, inwiefern sie Emissionen tatsächlich reduzieren oder diese lediglich kompensieren. 

Für umweltbezogene Aussagen, mit denen ein Unternehmen sich oder die von ihm vertriebenen Produkte mit denen eines Wettbewerbers vergleicht, gelten zusätzliche Anforderungen mit Blick auf die Belastbarkeit und Aussagekraft der Vergleichsdaten. 

Der Vorschlag sieht zudem für Unternehmen vor, dass sie Verbrauchern weiterführende Informationen zu ihren umweltbezogenen Aussagen zur Verfügung stellen, etwa in Form eines QR-Codes. 

Ergänzend zu den Pflichten für Unternehmen befasst sich der Vorschlag auch mit dem von der Kommission konstatierten „Wildwuchs“ an Umweltzeichen und -labels und unterstellt diese einer neuen Regulierung. Bestehende Umweltzeichen und -labels müssen Transparenzanforderungen erfüllen und neue Umweltzeichen privater Anbieter ehrgeizigere Ziele als etablierte Labels verfolgen sowie die beabsichtigten Umweltzeichen vorab durch unabhängige Prüfstellen freigeben lassen. 

Ob Unternehmen und Anbieter von Umweltzeichen die in dem Vorschlag an sie gerichteten Anforderungen erfüllen, soll ebenfalls durch unabhängige, akkreditierte Prüfstellen jeweils im Vorfeld verifiziert werden. 

Was bedeutet der Vorschlag für Unternehmen – und was für Sanktionen stehen im Raum?

Der Richtlinienvorschlag soll alle Unternehmen betreffen, die sich mit „Green Claims“ an Verbraucher in der EU wenden, auch wenn das werbende Unternehmen nicht in der EU ansässig ist. Lediglich für Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von weniger als 2 Mio. Euro sollen die neuen Vorgaben nicht gelten. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen durch die EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Vorgaben unterstützt werden, indem ihnen der Zugang zu finanzieller Unterstützung und organisatorischer und technischer Hilfe erleichtert wird. Die Kommission möchte so einen Anreiz setzen, dass auch KMU sich am grünen Wandel beteiligen und nicht vor den erhöhten Anforderungen an „grüne Claims“ zurückschrecken.

Für die erfassten Unternehmen, die in der EU mit umweltbezogenen Aussagen (weiter) werben wollen, bedeutet der Vorschlag – vorbehaltlich seines Inkrafttretens – zunächst einen erhöhten Aufwand bei der Prüfung der Belastbarkeit der erfassten Werbeaussagen und Verbraucherinformationen sowie bei deren Verifizierung durch unabhängige Prüfstellen. Gleichzeitig dürften für Unternehmen durch die Ausstellung von EU-weit anerkannten Bescheinigungen der Prüfstellen jedoch auch grenzüberschreitende Produkteinführungen und Werbemaßnahmen erleichtert werden. 

In Bezug auf Sanktionen eröffnet der Vorschlag den Mitgliedstaaten einen gewissen Umsetzungsspielraum, wobei die Beschlagnahme von Einnahmen und auch der zeitweise Ausschluss von öffentlichen Mitteln und Verfahren (z.B. Vergabeverfahren) verbindlich vorgegeben wird. Für bestimmte grenzüberschreitende Konstellationen wird eine Mindestgeldbuße von 4 Prozent des Jahresumsatzes in dem bzw. den betroffenen Mitgliedstaat(en) vorgesehen.

Wie passt der Richtlinienvorschlag in das bestehende Regelungsgefüge?

Bereits ein Jahr zuvor, im März 2022, legte die Kommission einen Vorschlag für eine „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ vor (hier abrufbar), der derzeit vom Europäischen Parlament und vom Rat überarbeitet wird. Mit jenem Vorschlag soll vor allem das Verbot von Greenwashing speziell in der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) (hier abrufbar) adressiert werden: So sollen danach etwa bestimmte Greenwashing-Praktiken in die dortige „Schwarze Liste“ aufgenommen werden – also per se als unlauter anzusehen sein. Der nunmehr folgende Richtlinienvorschlag über „grüne Claims“ soll die dann bereits so „aufgerüstete“ UGP-Richtlinie ergänzen, indem er konkrete Vorgaben für die Substantiierung, die Überprüfung und die Kommunika-tion im Zusammenhang mit freiwilligen Umweltaussagen und Umweltzeichen-Systemen auf dem EU-Markt festlegt.

Wie geht es weiter und wie ist der Status Quo in anderen (Mitglied)-Staaten?

Der Kommissionsvorschlag durchläuft nun weiter das ordentliche EU-Gesetzgebungsverfahren und muss vom Europäischen Parlament und dem Rat gebilligt werden. Nach einem erfolgreichen Abschluss auf EU-Ebene steht sodann die Umsetzung in den Mitgliedstaaten bevor. Der deutsche Gesetzgeber müsste dann im Rahmen des Umsetzungsverfahrens entscheiden, ob und inwieweit die neuen Vorgaben in die bestehenden Gesetze integriert werden können, oder ob die Zeit reif ist für ein kohärentes „Greenwashing-Gesetz“. 

Welche Anforderungen im Zusammenhang mit „grünen Claims“ aktuell in den EU-Mitgliedstaaten Frankreich, Polen und Belgien sowie darüber hinaus in Großbritannien gelten, können Sie hier nachlesen. 


 

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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