Nachtarbeitszuschlag erhöht sich bei Dauernachtarbeit nach BAG auf 30 %

Veröffentlicht am 1st Feb 2016

Nachtarbeitnehmer haben bei fehlenden tarifvertraglichen Regelungen nach § 6 Abs. 5 ArbZG einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage. In der Regel ist ein Zuschlag in Höhe von 25 % auf den Bruttostundenlohn oder die entsprechende Anzahl freier Tage für die zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden angemessen. Nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) erhöht sich dieser Anspruch bei Dauernachtarbeit auf 30 % (BAG, Urteil vom 9. Dezember 2015 – 10 AZR 423/14).

Der Sachverhalt

Der Kläger ist bei der nicht tarifgebundenen Beklagten als Lastkraftwagenfahrer im Paketlinientransportdienst beschäftigt. Die Arbeitszeit des Klägers beginnt in der Regel um 20:00 Uhr und endet unter Einschluss von Pausenzeiten um 6:00 Uhr morgens. Für die Zeiten zwischen 21:00 Uhr und 6:00 Uhr zahlte die Arbeitgeberin zunächst einen Zuschlag in Höhe von etwa 11 %. Sie erhöhte den Zuschlag später auf 20 %.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % seines Bruttostundenlohns zu bezahlen oder einen Freizeitausgleich von zwei Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtarbeitsstunden zu gewähren. Nach Ansicht des Klägers sei der grundsätzlich zu gewährende Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % des Bruttostundenlohns bei Dauernachtarbeit zu erhöhen. Die Nachtarbeit sei mit erheblichen Anstrengungen und Belastungen verbunden. Insbesondere Nachtfahrten mit dem LKW würden eine besonders hohe Konzentration auf das Verkehrsgeschehen erfordern.

Die Beklagte war der Ansicht, sie habe stets einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag gewährt. Zudem sei der von ihr für die Zeit zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr gezahlte Zuschlag auf den nach § 6 Abs. 5 i.V.m. § 2 Abs. 3 ArbZG erst ab 23:00 Uhr vorgeschriebenen Nachtarbeitszuschlag anzurechnen.

Das Arbeitsgericht Hamburg hatte der Klage stattgegeben und den Anspruch des Klägers insbesondere damit begründet, dass der Kläger Nachtarbeit im Dauereinsatz ausübt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg hatte dagegen nur einen Anspruch in Höhe von 25 % festgestellt. Die Höhe des Nachtarbeitszuschlags sei nach Ansicht des LAG Hamburg insbesondere zu begrenzen, da Nachtarbeit für das unternehmerische Konzept der Beklagten essenziell sei und die Beklagte für Tätigkeiten des Klägers zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr auch eine „Spätarbeitszulage“ leiste. Die Revision des Klägers vor dem Zehnten Senat des BAG hatte nun wiederum Erfolg.

Die Entscheidung

Da der Kläger Dauernachtarbeit erbringt, steht ihm nach dem BAG ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 30 % zu.

Nach der bislang ausschließlich vorliegenden Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts begründet das Gericht seine Entscheidung insbesondere mit der höheren Belastung bei Dauernachtarbeit.

Bestehen keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen, so haben Nachtarbeitnehmer gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage für die zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden. Regelmäßig angemessen sei dabei ein Zuschlag in Höhe von 25 % des Bruttostundenlohns oder die entsprechende Anzahl bezahlter freier Tage angemessen. Besteht während der Nachtzeit beispielsweise dadurch, dass der Arbeitnehmer Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst leistet, eine spürbar geringere Arbeitsbelastung, so kommt nach dem Bundesarbeitsgericht (vgl. BAG, Urteil vom 31. August 2005 – 5 AZR 545/04) eine Reduzierung der Höhe des Nachtarbeitszuschlags in Betracht.

Besondere Belastungen hingegen könnten zu einem höheren Ausgleichsanspruch führen. Nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen läge bei Dauernachtarbeit eine erhöhte Belastung vor. Der Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag erhöhe sich daher auf 30 % oder eine entsprechende Anzahl freier Tage.

Das Bundesarbeitsgericht entschied außerdem, dass entgegen der Auffassung der beklagten Arbeitgeberin der für die Zeit zwischen 21:00 Uhr und 23:00 Uhr gezahlte Zuschlag nicht auf den nach § 6 Abs. 5 ArbZG geschuldeten Nachtzuschlag angerechnet werden kann. Die Höhe des Stundenlohnes des Klägers sei ebenso wenig relevant. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte, dass in dem Stundenlohn des Klägers bereits ein anteiliger Nachtarbeitszuschlag enthalten sei.

Hinweise für die Praxis

Die Höhe eines angemessenen Nachtarbeitszuschlags war bislang stets einzelfallbezogen zu bestimmen. Auf tarifliche Regelungen zur Höhe von Nachtarbeitszuschlägen konnte lediglich als Orientierungshilfe zurückgegriffen werden, da sich diese größtenteils stark unterscheiden. In seinem aktuellen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht erstmals einen Richtwert für einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag angenommen. Dieser soll in der Regel 25 % auf den Bruttostundenlohn betragen und sich bei besonderen Belastungen im Fall von Dauernachtarbeit regelmäßig auf 30 % erhöhen.

Das Argument der Arbeitgeberin, in dem vereinbarten Gehalt sei bereits ein anteiliger Nachtarbeitszuschlag enthalten, hat das Bundesarbeitsgericht nicht anerkannt.

Bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen sollte diese Rechtsprechung künftig berücksichtigt werden. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass das vereinbarte Gehalt im Fall von Dauernachtarbeit stillschweigend auch den gesetzlichen Nachtarbeitszuschlag enthalte. Arbeitgeber sollten zudem eine Regelung aufnehmen, nach welcher andere gezahlte Zuschläge auf den gesetzlichen Nachtarbeitszuschlag angerechnet werden.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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