Nachhaltigkeit am Kapitalmarkt – die ersten Monate Offenlegungs- und TaxonomieVO
Veröffentlicht am 22nd Jun 2021
Aus grau wird bunt – für immer mehr Anleger spielt die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei ihrer Investitionsentscheidung eine entscheidende Rolle. Mit der europäischen OffenlegungsVO und der diese teilweise ergänzenden TaxonomieVO zielt der europäische Gesetzgeber darauf ab, Anlegern innerhalb der EU eine entsprechende Informationsgrundlage zur Verfügung zu stellen. Dieser Beitrag soll einen Überblick über den Regelungsgegenstand sowie die Umsetzung der Anforderungen am Markt geben.
In Umsetzung seines Aktionsplans „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“, der u.a. zur Erfüllung der durch das Pariser Klimaschutzabkommen gesetzten Ziele beitragen soll, hat der europäische Gesetzgeber 2019 die Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor („OffenlegungsVO“) und 2020 die Verordnung (EU) 2020/852 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088 („TaxonomieVO“) beschlossen. Die OffenlegungsVO und die TaxonomieVO sehen Transparenzpflichten für Finanzmarktteilnehmer vor. Anlegern soll so eine fundierte Informationsgrundlage geboten werden, um Anlageentscheidungen auch unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten treffen zu können. So soll die Summe der Anlageentscheidungen dazu beitragen, dass die für den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit benötigten Finanzmittel auch in die entsprechenden Tätigkeiten gelenkt werden.
OffenlegungsVO
Die OffenlegungsVO unterscheidet zwischen unternehmens- und produktbezogenen Transparenzpflichten in Bezug auf die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken und Nachhaltigkeitsfaktoren.
Nachhaltigkeitsrisiken und – faktoren
Nachhaltigkeitsrisiken im Sinne der OffenlegungsVO sind Ereignisse oder Bedingungen in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung (Economic, Social, Governance, „ESG“), die nachteilige Auswirkungen auf den Wert einer Investition haben können. Nachhaltigkeitsfaktorenumfassen Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption und Bestechung.
Unternehmensbezogene Transparenzpflichten
Die unternehmensbezogenen Transparenzpflichten richten sich ausschließlich an Finanzmarktteilnehmer (zB Fondsmanager, Wertpapierfirmen, Kreditinstitute, die Portfolioverwaltung anbieten) und Finanzberater (zB Anlage- oder Versicherungsberater, die Beratungsleistungen zu Finanzprodukten anbieten) („Relevante Unternehmen“).
Relevante Unternehmen müssen nach der OffenlegungsVO verschiedene Informationen zu Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren auf ihrer Internetseite veröffentlichen. Dazu gehören Information in Bezug auf
- die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen bzw. Beratungstätigkeiten,
- die Nachhaltigkeitsauswirkungen auf das Unternehmen selbst und dessen Tätigkeiten sowie
- die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei der Vergütungspolitik.
Produktbezogene Transparenzpflichten
Neben unternehmensbezogenen Transparenzpflichten bestehen auch Transparenzpflichten in Bezug auf die angebotenen Finanzprodukte selbst. Relevante Unternehmen müssen daher in vorvertraglichen Informationen (zB einem Verkaufsprospekt oder wesentlichen Anlegerinformationen) verschiedene Angaben machen. Das betrifft
- die Art und Weise der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen bzw. Beratungstätigkeiten,
- die Bewertung von Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf Rendite der Finanzprodukte,
- im Fall, dass mit einem Finanzprodukt u.a. ökologischer oder sozialer Merkmale beworben werden (sog. „hellgrünes Finanzprodukt“) (Art. 8 OffenlegungsVO) Angaben, wie diese Merkmale erfüllt werden sollen, und ggf. Angaben zu einem als Referenzwert herangezogenen Index sowie
- Im Fall, dass durch ein Finanzprodukt eine nachhaltige Investition angestrebt wird (sog. „dunkelgrünes Finanzprodukt“) (Art. 9 OffenlegungsVO) Angaben, wie Ziele erreicht werden sollen, und ggf. inwiefern ein als Referenzwert herangezogener Index auf die Zielerreichung ausgerichtet ist.
Während hellgrüne Finanzprodukte lediglich ökologisch-soziale Aspekte im Investitionsprozess berücksichtigen – etwa in Form von Ausschlusskriterien –, verfolgen dunkelgrüne Finanzprodukte konkrete Nachhaltigkeitsziele (zB Treibhausgasreduktion).
Für hellgrüne und dunkelgrüne Finanzprodukte sind zudem weitergehende Informationspflichten auf den Internetseiten und in regelmäßigen Berichten der Finanzmarktteilnehmer vorgeschrieben.
Für viele Adressaten der OffenlegungsVO sind die Transparenzpflichten größtenteils bereits seit dem 10. März 2021 einzuhalten. Finanzmarkteilnehmer, die am Bilanzstichtag das Kriterium erfüllen, im Laufe des Geschäftsjahres durchschnittlich mehr als 500 Mitarbeiter zu beschäftigen, müssen Informationen in Bezug auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungen auf ihren Internetseiten ab dem 30. Juni 2021 veröffentlichen. Zudem gelten die produktbezogenen Transparenzpflichten für Finanzmarktteilnehmer in regelmäßigen Berichten erst ab dem 1. Januar 2022.
Konkretisiert werden die Vorgaben der OffenlegungsVO noch durch technische Regulierungsstandards (Regulators Technical Standards, „Offenlegungs RTS“). Der Entwurf Offenlegungs RTS wurde von den europäischen Aufsichtsbehörden bereits am 2. Februar 2021 veröffentlicht. Gelten sollen die Offenlegungs-RTS nach dem Entwurf ab dem 1. Januar 2022.
Für Produkte, die weder hell- noch dunkelgrüne Finanzproduktedarstellen, sind lediglich Angaben zum Umgang mit etwaigen Nachhaltigkeitsrisiken zu machen. Dies wird aktuell durch eher generische Erklärungen auf der Website und in den Verkaufsunterlagen (zB Verkaufsprospekt, etc.) gehandhabt.
TaxonomieVO
Die TaxonomieVO sieht Kriterien vor, um den Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln zu können. Daneben werden insbesondere die produktbezogenen Transparenzpflichten nach der OffenlegungsVO ergänzt und erweitert. Allerdings ist der Anwendungsbereich im Gegensatz zur OffenlegungsVO grds. auf Finanzmarktteilnehmer – also zB Fondsmanager, Wertpapierfirmen, Kreditinstitute, die Portfolioverwaltung anbieten – sowie auf bestimmte Unternehmen außerhalb des Finanzsektors begrenzt. Letztere sind nicht Gegenstand dieses Beitrags.
Nach der TaxonomieVO müssen weitere vorvertragliche Informationen in Bezug auf hell- und dunkelgrüne Finanzprodukte bereitgestellt werden. Dabei muss unter anderem angegeben werden, inwiefern mit dem Finanzprodukt eine Investition in ökologisch nachhaltige Tätigkeiten erfolgt und welche Umweltziele konkret verfolgt werden. Ist ein Finanzprodukt weder als hell- noch als dunkelgrünes Finanzprodukt einzuordnen, muss die Erklärung beigefügt werden, dass die diesem Finanzprodukt zugrundeliegenden Investitionen nicht die EU-Kriterien für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten berücksichtigten.
Als Umweltziele definiert die TaxonomieVO den Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Ökologisch nachhaltig ist eine Wirtschaftstätigkeit nach der TaxonomieVO dann, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung von Umweltzielen leistet, dabei andere Umweltziele nicht erheblich beeinträchtigt und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Leitprinzipien der UN für Wirtschaft und Menschenrechte befolgt werden.
In Kraft getreten ist die TaxonomieVO bereits am 12. Juli 2020. Sie soll aber im Hinblick auf die erweiterten Transparenzpflichten erst ab dem 1. Januar 2022 (in Bezug auf die Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) bzw. ab dem 1. Januar 2023 (in Bezug auf die sonstigen Umweltziele) gelten. Frühestens ab dem 1. Januar 2022 haben Finanzmarktteilnehmer (und ggf. Finanzberater) daher die erweiterten Transparenzpflichten zu beachten.
Ebenso wie die OffenlegungsVO soll die TaxonomieVO durch technische Regulierungsstandards (Regulatory Technical Standards,„Taxonomie RTS“) konkretisiert werden. Im Hinblick auf die „Wesentlichkeit“ eines Beitrags zur Erreichung von Umweltzielen hat die Europäische Kommission jüngst am 4. Juni 2021 ihren Entwurf Taxonomie RTS verabschiedet. Bemerkenswert ist dabei u.a., dass in Bezug auf die Taxonomie-Konformität von Gebäuden bereits rückwirkend der 31. Dezember 2020 als Stichtag festgelegt werden soll: Gebäude, die nach dem 31. Dezember 2020 gebaut werden, müssen bereits die Kriterien der RTS erfüllen, um einen „wesentlichen Beitrag“ im Sinne der TaxonomieVO leisten zu können.
Kritik
Eine Umsetzungspflicht bestand für Unternehmen bisher nur im Hinblick auf die Vorgaben der OffenlegungsVO. Aufgrund der recht wagen Angaben in der OffenlegungsVO erfolgte die Umsetzung aber bisher recht unterschiedlich, was dem Ziel, dem Anleger standardisierte und vergleichbare Informationen zur Verfügung zu stellen, zuwiderläuft.
Nicht nur die einschlägigen Branchenverbände, sondern auch die BaFin (in einem Artikel im Februar diesen Jahres) monieren Unklarheiten der OffenlegungsVO an zentralen Punkten. Beispielsweise ist nach wie vor nicht klar, ob auch lediglich registrierte Fondsmanager (sog. De-Minimis-AIFM) in den Anwendungsbereich der OffenlegungsVO fallen.
Fraglich ist zudem, ob bei den Taxonomie RTS noch Nachbesserungen erfolgen werden. So dürfte die rückwirkende Festsetzung des 31. Dezember 2020 als Stichtag für die volle Anwendung der Taxonomie RTS auf Gebäude die Immobilienbranche vor Probleme stellen, da (ggf. aufgrund der Taxonomie RTS erforderliche) nachträgliche Nachbesserungen an Gebäuden in der Regel nur mit erheblichem finanziellen Aufwand erfolgen können – was letztlich wahrscheinlich von den Investoren zu tragen sein wird.
Im Gegensatz dazu scheint man bei der Umrüstung von Fahrzeugen einen großzügigeren Maßstab angelegt zu haben. Hier kann bis 31. Dezember 2025 um- oder nachgerüstet werden, um die Voraussetzungen der TaxonomieVO zu erfüllen.
Ausblick
Aufgrund vieler offener Fragen und Unklarheiten wird vor allem der finale Entwurf der Offenlegungs RTS sehnlichst erwartet. Aber auch im Hinblick auf die Taxonomie RTS ist eine schnelle Klarheit bzgl. der konkreten Vorgaben für eine Taxonomie-Konformität wünschenswert, um den Unternehmen (und den Wirtschaftszweigen, auf die sich ihre Investitionen beziehen) genügend Zeit zur Umstellung zu gewähren. In jedem Fall sollten sich die (potenziellen) Adressaten beider Regelwerke verstärkt mit Nachhaltigkeitsaspekten auseinandersetzen
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