Mitbestimmung des Betriebsrates beim betrieblichen Eingliederungsmanagement

Veröffentlicht am 2nd Sep 2016

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Beschluss vom 22. März 2016 – 1 ABR 14/14 seine Rechtsprechung dahingehend bestätigt, dass dem Betriebsrat beim betrieblichen Eingliederungsmanagement nur in sehr engem Umfang Mitbestimmungsrechte zustehen und eine Beteiligung des Betriebsrates zudem von der Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers abhängt. Unter anderem kann die Schaffung eines Gremiums, auf das die gesetzlichen Pflichten des Arbeitgebers nach § 84 Absatz 2 Satz 1 SGB IX übertragen werden, nicht durch Spruch der Einigungsstelle erzwungen werden. Auch ist ein Anwesenheitsrecht des Betriebsrats nicht vom Mitbestimmungsrecht gedeckt.

Der Sachverhalt

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein Logistikunternehmen, das in ihrem Betrieb in Hamburg mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigt. Der im Unternehmen der Antragstellerin gebildete Betriebsrat forderte Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM). Diese Forderung lehnte die Antragstellerin mit der Begründung ab, dem Betriebsrat stehe kein Initiativrecht betreffend der Einführung genereller Regelungen zum BEM zu.

Vor der Einigungsstelle hielt die Antragstellerin ihren Standpunkt weiterhin aufrecht, dass nur ihr umfassende Entscheidungsbefugnis hinsichtlich BEM-Maßnahmen zustehe. Die Einigungsstelle nahm in zweiter Abstimmungsrunde einen vom Betriebsrat erstellten Entwurf einer Betriebsvereinbarung an, wonach ein Gremium für die Durchführung des BEM gebildet werden muss. Dieses sog. Integrationsteam setzt sich aus jeweils einem Vertreter des Arbeitgebers sowie des Betriebsrates zusammen. Das Integrationsteam führt die Gespräche mit dem vom BEM betroffenen Arbeitnehmer und berät insbesondere über Maßnahmen, unterbreitet Vorschläge für Maßnahmen und überprüft im Nachhinein die Wirksamkeit und Qualität bereits durchgeführter BEM-Maßnahmen. Ebenso wird der Arbeitgeber verpflichtet, sämtliche betriebsangehörigen Arbeitnehmer über das BEM zu informieren.

Die Arbeitgeberin verlangt die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruches der Einigungsstelle zur Annahme der Betriebsvereinbarung. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg stellte die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung fest. Gegen die Entscheidung des LAG legte der Betriebsrat im Anschluss daran Rechtbeschwerde ein.

Die Entscheidung

Das BAG folgte dem LAG und bestätigte in seiner Entscheidung zunächst seine Rechtsprechung, dass dem Betriebsrat bei der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein Mitbestimmungs- und Initiativrecht für die Ausgestaltung des Klärungsprozesses nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX durch generelle Verfahrensregelungen zusteht. Dies betreffe die Verfahren nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX über die „Klärung von Möglichkeiten”, eine bestehende Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern.

Weitergehend hat das BAG die Rechte des Betriebsrats im Zusammenhang mit dem BEM begrenzt bzw. konkretisiert.

Hiernach stehe dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs.1 Nr. 1 oder Nr. 7 BetrVG zu, den Arbeitgeber zu verpflichten, sämtliche betriebsangehörigen Arbeitnehmer über das BEM zu informieren.

Weiterhin könne das Verfahren nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nicht auf ein „Integrationsteam“ übertragen werden, das aus von Arbeitgeber und Betriebsrat jeweils benannten Mitgliedern besteht. Die Schaffung eines solchen Gremiums sei nicht von einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates erfasst und könne folglich nicht durch Spruch der Einigungsstelle erzwungen werden. Einzig bleibe eine einvernehmliche Schaffung eines solchen Gremiums.

Zudem könne der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Überprüfung der Wirksamkeit und Qualität bereits durchgeführter Maßnahmen oder hinsichtlich der Durchführung der Maßnahmen selbst geltend machen. § 84 Absatz 2 Satz 1 SGB IX eröffne keinerlei Mitbestimmung für die Umsetzung und Überprüfung von Maßnahmen, sondern regele einzig den Klärungsprozess.

Die Übertragung der Befugnis, Erstgespräche und weitere Gespräche mit dem betroffenen Arbeitnehmer zu führen, könne nicht ohne Weiteres auf das Integrationsteam übertragen werden. Diese Aufgabe sei ausdrücklich dem Arbeitgeber übertragen, § 84 Absatz 2 Satz 1 SGB IX. Zwar sei im Gesetz eine Beteiligung des Betriebsrates am BEM geregelt, hingegen habe dies kein Anwesenheitsrecht des Betriebsrates bei Gesprächen des Arbeitgebers mit dem Arbeitnehmer zur Folge.

Die Aufklärung des betroffenen Arbeitnehmers gemäß § 84 Absatz 2 Satz 3 SGB IX über die Ziele des BEM sowie Art und Umfang der hierzu erhobenen Daten habe unter dem Hinweis zu erfolgen, dass die Zustimmung zur Durchführung auch unter Ablehnung der Beteiligung des Betriebsrates erfolgen könne. Das BAG stärkt hiermit den Zustimmungsvorbehalt des betroffenen Arbeitnehmers.

Aus den oben genannten Gründen erklärte das Gericht den Spruch der Einigungsstelle und die Betriebsvereinbarung insgesamt für unwirksam.

Hinweise für die Praxis

Das BAG hat mit dieser Entscheidung einmal mehr die führende Rolle des Arbeitgebers bei der Durchführung des BEM gestärkt. Die Entscheidung konkretisiert eine Vielzahl von Begehren des Betriebsrats auf umfassende Beteiligung bei der Durchführung eines BEM.

Daneben enthält die Entscheidung jedoch auch einen Hinweis, der in Zukunft durch den Arbeitgeber zu beachten sein wird. Für die Praxis empfiehlt sich, die Aufklärung des Arbeitnehmers über die Ziele des BEM sowie Art und Umfang der hierzu erhobenen Daten dahingehend zu erweitern, dass eine Zustimmung zur Durchführung des BEM ebenso unter Ablehnung der Beteiligung des Betriebsrates wirksam erfolgen kann. So kann der Arbeitgeber verhindern, dass die ordnungsgemäße Durchführung oder das ordnungsgemäße Angebot des BEM gerichtlich in der Hinsicht angezweifelt werden kann sowie den Vorwurf, die Aufklärung des Arbeitnehmers sei nicht in ausreichendem Umfang erfolgt.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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