Life Sciences und Healthcare

M&A im Bereich Life Science und Healthcare – Besonderheiten und aktuelle Entwicklungen

Veröffentlicht am 6th Apr 2022

Der Sektor Life Science und Healthcare hat in den letzten Jahren insbesondere aufgrund technologischer Fortschritte einen Entwicklungsschub erfahren, der sich unter anderem in einer gesteigerten öffentlichen Wahrnehmung und in einer zunehmenden Anzahl von Start-ups im Biotechnologiesegment sowie im Bereich der Digitalisierung des Gesundheitssektors äußert. Gleichzeitig gibt es weiterhin viele sektorspezifische Hürden, wie zum Beispiel hohe Personal- und Entwick­lungskosten sowie regulatorische Anforderungen, die zu besonderen Herausforderungen bei M&A-Transak­tio­nen und Start-up-Finanzierungsrunden in diesem Bereich führen. In der jüngsten Vergangenheit hat insbesondere die Coronakrise zu einer vermehrten öffentlichen Aufmerksamkeit für den Bereich Life Science und Healthcare geführt, nicht zuletzt auch dank des erfolgreichen Covid-19-Impfstoffentwicklers BioNTech. Welche Entwicklungen hat die Coronakrise angesto­ßen und welche Besonderheiten bleiben unabhängig von diesen Entwicklungen weiterhin relevant für den Bereich Life Science und Healthcare? Was sind die Treiber im Bereich Life Science und Healthcare und welche Punkte sind bei der Vertragsgestaltung zu einer Transaktion oder Finanzierungsrunde besonders zu beachten? Der vorliegende Beitrag soll Besonderhei­ten und aktuelle Entwicklungen im Bereich Life Science und Healthcare sowie mögliche Auswirkungen auf den M&A-­Markt beleuchten.

Close up of test tubes being filled

1. Aktuelle Entwicklungen und M&A-Treiber im Bereich Life Science und Healthcare

Die Weltbevölkerung wächst laut UN-Bevölkerungs­projektionen von 2019 jedes Jahr um mehr als 82 Milli­onen Menschen. Gleichzeitig nimmt insbesondere im Westen der Anteil der Menschen im höheren Alter zu. In Deutschland wird beispielsweise die Zahl der Personen im Alter ab 67 Jahren zwischen 2020 und 2035 um voraussichtlich 22% steigen, teilte das statistische Bundesamt mit. Vor diesem Hintergrund wird der Bedarf an Gesundheitsversorgung nicht nur in Deutschland in den kommenden Jahren deutlich zunehmen und die Gesundheitsbranche vor enorme Herausforderungen stellen, die es zu bewältigen gilt. Hier sind Innovationen gefragt, sei es im privatwirtschaftlichen als auch im öffentlich-rechtlichen Bereich. Korrespondierend dazu werden sich für Marktteilneh­mer und Neuinvestoren im Bereich Life Science und Healthcare neue Investitionsmöglichkeiten bieten, die wiederum das M&A-Geschäft in diesem Bereich befeuern. Nachfolgend sollen einige aktuelle Entwicklungen und Schlüsselthemen für M&A im Bereich Life Science und Healthcare angesprochen werden.

1.1. Digitalisierung der Gesundheitsbranche

Die Coronapandemie hat die bestehenden Belastungs­grenzen des Gesundheitssystems offengelegt, als das Krankenhauspersonal unzählige Zusatzschichten einlegen und nicht lebenserhaltende Operationen sowie regelmäßige Arztbesuche verschoben beziehungs­weise ganz abgesagt werden mussten. Die Erkenntnis, dass qualifiziertes medizinisches Personal, sei es in städtischen als auch in ländlichen Gebieten, schwer zu finden ist, ist nicht neu. Damit hat die Notwendigkeit zur Entwicklung digitaler Lösungen in Form von Gesund­heitsapps oder Telemedizin, die Gesundheitsversor­gung ohne personelle Ressourcen oder persönlichen Kontakt, neuen Vor­schub erhalten. Ähnliches gilt für die Digitalisierung der sogenannten „Patientenverwaltung“ zum Beispiel in Form von Krankenhausinfor­mations­systemen (KIS), um die effektive Zeit für die Patienten­versorgung zur erhöhen und den Verwaltungs­aufwand bei der Leistungserbringung zu verringern und bestenfalls auszulagern.

Dass Innovationen und Entwicklung in der Gesund­­­heits­branche notwendig sind, um zukünftig die Gesund­heits­versorgung gewährleisten zu können, hat auch der Gesetzgeber erkannt und mit dem Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz) den notwendigen recht­lichen Rahmen geschaffen. Das Digitale-Versorgung-Gesetz bildet den Grundstein für Telemedizin und die Vereinfachung von Verwaltungsprozessen durch Digi­tali­sierung.

Daher werden Unternehmen und Start-ups im Bereich der Digitalisie­rung der Gesundheitsbranche auch zukünftig für Investoren, Käufer und auch Pharmakonzerne attraktive Investitionsobjekte sein und den M&A-Markt an­treiben.

1.2. Neue Technologien

Als Treiber des M&A-Marktes tritt neben die Digitali­sierung der Gesundheitsbranche die immer schneller fortschreitende Entwicklung neuer Technologien und damit ganzer Produktsparten im Bereich Life Science und Healthcare. Das derzeit wohl prominenteste Bei­spiel dürfte die Entwicklung und Einführung von mRNA-Impfstoffen im Kampf gegen das Coronavirus „im Zeitraffer“ darstellen. Die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen gegen andere Krankheiten wie zum Beispiel HIV oder Gürtelrose ist bereits angestoßen und weckt, ebenso wie die Forschung und Entwicklung von Gen- und Zelltherapien zur Behandlung von beispielsweise seltenen Krebsarten, das Interesse von Pharma­kon­zernen sowie Investoren. Dabei reichen die Investi­tions­möglichkeiten regelmäßig weit über die genannten Forschungs- und Entwicklungsbereiche hinaus. Wie das Beispiel des mRNA-Impfstoffes gegen Covid-19 gezeigt hat, entsteht mit neuen Technologien gleichermaßen die Notwendigkeit für Vertrieb und Logistik sowie den Aufbau von Lieferketten und die Entwick­lung von Produktionsmöglichkeiten. Start-ups und Unter­­neh­men, die sich insbesondere mit dem Aufbau von Produktionsmöglichkeiten beschäftigen, gelten daher ebenfalls als Ziel von Investoren und Käufern.

1.3. Regulatorische Entwicklungen

Im öffentlich-rechtlichen Bereich hat die Corona-Pan­demie unter anderem gezeigt, dass praktische Lösun­gen mit Blick auf die Beschleunigung von Impfstoff-Zulassungsverfahren möglich sind, ohne dabei die erforderlichen Anforderungen von Impfstoffen herunterzusetzen. Andererseits hat die Intensivierung der Inves­ti­tionsschutzkontrolle im Gesundheits- und Medi­zin­bereich zu Beginn der Coronapandemie exemplarisch vorgeführt, dass im Falle von Ausnahmesituationen jederzeit mit neuen regulatorischen Anforderungen im Bereich Life Science und Healthcare zu rechnen ist, die die Risiken für (nicht in der EU ansässige) Erwerber und potenzielle Investoren erhöhen und somit die Ent­wicklungschancen insbesondere für Start-ups hemmen. So wurde, als zu Beginn der Pandemie wegen fehlender und/oder unterbrochener Lieferketten insbesondere die Ausstattung mit medizinischer Schutzausrüstung und Arzneimitteln stockte, die Investitionsschutzkontrol­le nach dem Außenwirtschaftsgesetz im Gesundheits- und Medizinbereich intensiviert, sodass nunmehr eine Beteiligung von 20% oder mehr der Stimmrechte in bestimmten Bereichen des Gesundheits- und Medizin­sektors zu einer Meldepflicht für die Investitions­schutz­kontrolle beim Bundeministerium für Wirtschaft und Klimaschutz führt.

Im Biotechnologiesegment benötigen Start-ups genügend Kapital für die Entwicklung ihrer Produkte, dessen Bedarf infolge des Eintritts in die Testphase (Studien) auch noch weiter steigen kann. Gleichzeitig besteht bei Biotechnologie-Start-ups das nicht zu unterschätzende Risiko, dass das jeweilige Produkt auf dem Weg der Entwicklung scheitert. Der hohe Kapi­talbedarf gepaart mit dem nicht zu unterschätzenden Risiko des Scheiterns auf dem Weg der Entwicklung lockt insbesondere risikofreudige Inves­toren aus dem Nicht-EU-Ausland an. Für sie wirkt ein potenzielles Investitionsschutzkontrollverfahren vor dem Hinter­grund langer Verfahrensdauer und recht­licher Unsicher­heiten mit Blick auf ein mögliches Voll­zugsverbot abschreckend. Die Intensivierung der Investi­tions­schutz­kontrolle im Gesundheits- und Medi­zinbereich ist somit eine durchaus zweischneidige Ent­wicklung insbesondere für Start-ups im Biotechnologie-Segment.

2. M&A-Transaktionen im Bereich Life Science und Healthcare

Nachdem wir vorstehend die aktuellen Entwicklungen und Trends im Sektor Life Science und Healthcare, die das M&A-Geschäft antreiben, dargestellt haben, möchten wir nun den Blick auf die Transaktionen lenken. Für Trans­ak­­tionen im Bereich Life Science Healthcare gelten in erster Linie die üb­lichen Regeln, Standards und Erfahrungen gelten. Aller­dings hat dieser Sektor, wie auch jeder andere, einige Besonderheiten beziehungsweise Schwer­punkte, die in den Transaktionen immer wieder auftauchen, eine ganz besondere Bedeutung haben und daher in der Vorbereitung eine besondere Aufmerksamkeit verdienen. Diese haben wir nachfolgend kurz zusammengestellt.

2.1. Allianzen, Joint Ventures und M&A

Wie bei jeder anderen Transaktion sollte auch bei Trans­aktionen im Bereich Life Science und Healthcare das Vorgehen zunächst darauf überprüft werden, welche Form der Kooperation beziehungsweise Transaktion gewünscht und unter den gegebenen Gesamtumstän­den sinnvoll ist. Dies muss nicht immer der Verkauf oder Kauf von einem Unternehmen oder Geschäfts­betrieb sein, sondern es kann sich auch um andere Formen der Kooperation im weitesten Sinne handeln. Dies gilt im Bereich von Life Science und Healthcare ganz besonders, denn dieser Sektor hat eine gewisse Tradition der Zusammenarbeit von Unter­nehmen im Vorfeld von Übernahmen. So sind in die­sem Bereich schon lange Forschungspartnerschaften, Allianzen und Joint Ventures in allen möglichen For­men und Gestaltungen üblich. Dies ist einer breiteren Öf­fent­lichkeit zuletzt wiederholt durch die Allianz der Impfstoffhersteller BioNTech und Pfizer deutlich ge­worden. Daneben gibt es vielfältige Partnerschaften, die auf der Ein- oder Auslizenzierung von wertvoller IP (Intellectual Property) beruhen oder Ausgründungen von Forschungs­­unter­nehmen beziehungsweise -instituten darstellen, die bestimmte Erfindungen oder Ent­wicklungen an den Markt bringen wollen und hierfür Investoren oder Ko­ope­rationspartner suchen.

Als eine (mehr oder weniger) neue Erscheinungsform im Bereich Life Science und Healthcare lässt sich vielleicht noch der Einstieg von Venture-Capital-(VC)-Investoren und die damit verbundene Übernahme von typischen VC-Organisations- und Finanzierungsformen nennen. So kommt es inzwischen häufiger vor, dass bestimmte Entwicklungen, Produkte oder IP in eine neu gegründete Gesellschaft der Entwickler (als Founder) eingebracht werden und sodann Kapital zur Weiter­entwicklung der Entwicklungen und des Geschäfts­modells von VC-Investoren aufnehmen. Dies gilt so­wohl im (klassischen) VC-Bereich Digitale Entwicklungen und Digitale Ge­schäfts­modelle, aber zunehmend auch, und dies ist neu, im Bereich der Entwicklung von neuen Arznei­mitteln.

2.2. Besonderheiten bei M&A-Transaktionen

Nachfolgend sollen nunmehr einige Aspekte ange­sprochen werden, die erfahrungsgemäß bei M&A-Trans­aktionen, aber auch bei anderen Formen der Zu­sammenarbeit im Bereich Life Science und Healthcare eine besondere Bedeutung und Beachtung verdienen sollten. Selbstverständlich ist dieser Überblick nicht abschließend und die Unterschiede in den Geschäfts­modellen und den rechtlichen Rahmenbedingungen zwischen einem Hersteller von Novel Food, der dieses über einen Onlineshop vertreibt, einem medizinischen Versorgungszentrum und dem Hersteller von Arznei­mitteln sind so unterschiedlich, dass eine Zusammen­stellung aller Aspekte kaum möglich sein wird. Aber es gibt in diesem Bereich bestimmte Themen, die regelmäßig auftreten und daher bei jeder Transaktion kurz angedacht werden sollten. Dies sind:

Intellectual Property und Patente

Selbstverständlich spielen im Bereich Life Science und Healthcare immaterielle Rechte, wie Marken, Patente, Urheberrechte und ähnliches, eine besondere Rolle. Dies ist offensichtlich bei den Herstellern von Arz­neimitteln oder Medizinprodukten, die diese in Lizenz produzieren oder bei den Entwicklern von neuen Produkten, die entsprechende Patente besitzen und bei denen stets sicherzustellen ist, dass die dazu­ge­hörigen Urheberrechte auch bei den Unternehmen und nicht etwa bei einzelnen (ehemaligen) Mitarbei­tern, externen Mitarbeitern (Freelancern) oder bei mehr oder weniger partnerschaftlich verbundenen For­schungs­einrichtungen, Universitäten oder Experten liegen.

Aber auch bei den Entwicklern von digitalen Gesund­heitsdiensten sind die Rechte an der benutzten Soft­ware von besonderer Bedeutung. Ebenso wichtig ist es zu prüfen, ob Open-Source-Elemente verwendet wurden, die gegebenenfalls bestimmten Prozessen unterliegen, die eine Vermarktung schwierig oder sogar unzulässig machen.

Bei Transaktionen, bei denen Know-how und selbst entwickelte IP-Rechte eine besondere Bedeutung haben, sollte schließlich mit Blick auf das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) geklärt werden, ob das Zielunternehmen (bzw. der zu­künftige Partner) ein Schutzkonzept im Sinne des Ge­schGehG (das heißt angemessene Geheim­haltungs­maßnahmen) erarbeitet und umgesetzt hat, um sicherzugehen, dass der Schutz des Know-how nach dem GeschGehG gewährt wird.

Regulierung

Ein weiterer wichtiger Aspekt, vermutlich einer der wich­­tigsten, sind die Besonderheiten aufgrund der hohen Regulierungsdichte des Life Science- und Healthcare- Sektors. Hierzu gehören zum einen Genehmigungen und Zulassungen, die die entsprechenden Betreiber und Dienstleister für ihre jeweilige Tätigkeit benötigen; dies können Zulassungen für Labore (§ 20b Arznei­mit­telgesetz – AMG, § 46 Infektionsschutzgesetz – IfSG), Produktionsanlagen (Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG) und bestimmte Einrichtungen (zum Beispiel nach dem jeweiligen Heimaufsichtsgesetz der Bundesländer) sein, aber selbstverständlich auch Genehmigungen und Zulassungen von bestimmten Tätigkeiten (Großhandels­erlaubnis § 52a AMG), Produkten, Apps, Medikamen­ten (Zulassungspflicht nach § 21 AMG) oder anderen Stoffen, wie zum Beispiel „Novel Food“. Dazu gehören weiterhin Genehmigungen, die gegebenenfalls nach dem Betäubungsmittelgesetz erforderlich sein können (z.B. § 3 BtMG). Ferner gibt es für die verschiedenen Genehmigungen und Zu­lassungen langwierige Ver­fah­ren, bei denen auch erfolgreiche Zwischenstufen schon eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben können. Dies gilt insbesondere für Studien für die Genehmigung von neuen Arzneimitteln. Schließlich gehören in diesem Bereich auch eher vertragliche Beziehungen mit Kostenträgern, wie zum Beispiel mit den Krankenkassen oder den Rentenversiche­rungs­trägern (sog. Belegungs­vereinba­rungen), die für den Betreiber einen absolut wesentlichen Aspekt darstellen.

In diesem Zusammenhang ist bei der (rechtlichen) Be­wertung von Unternehmen und Betreibern zu be­achten, dass diese Genehmigungen häufig auch Aus­strah­lungswirkung auf die anderen Bereiche haben, insbesondere setzt eine Reihe von Genehmigungen Fachkenntnisse und Qualifikationen voraus, so dass die entsprechenden Kenntnisträger stets als besonders wichtige Mitarbeiter anzusehen sind, deren Weiter­beschäftigung absolut essenziell ist und bei denen das Arbeitsverhältnis und eine Beschäftigung über den Verkauf hinaus daher von wesentlicher Bedeutung ist.

Datenschutz und Cyber Security

Das Thema Datenschutz ist inzwischen in keinem Sek­tor mehr unbeachtlich, hat aber im Bereich Life Science und Healthcare eine besondere Bedeutung, da die Gesundheitsdaten stets (und zu Recht) als besonders schützenswert anzusehen sind. Der Datenschutz im Gesundheitsbereich ist daher von absolut essenzieller Bedeutung, so dass hierauf in allen Bereichen ein besonderes Augenmerk zu richten ist, sei es, dass es um Patientendaten im engeren Sinne geht (zum Beispiel nach dem Patientendaten-Schutz-Gesetz – PDSG von 2020) oder um Kundendaten von unregulierten Pro­dukten (wie zum Beispiel Fitness Tracker and Health Watches).

Aus welchem Blickwinkel der Datenschutz dabei betrachtet werden muss, ist dabei je nach Art des jeweiligen Unternehmens sehr unterschiedlich und kann nicht allgemein vorhergesagt werden. Bei Kran­kenhäusern, Reha-Kliniken, medizinischen Versor­gungs­zentren (MVZ) und Arztpraxen liegt der Fokus auf der Behandlung der Patientendaten, seien diese physisch und/oder elektronisch vorhanden. Je digitalisierter das Unternehmen dabei vorgeht, umso mehr kommt es dabei auch auf die Bewertung der genutzten technischen Systeme an. Parallel dazu nehmen kleinere Betreiber das Thema zum Teil nicht sonderlich ernst, „verzichten“ auf einen Datenschutzbeauftragten und verwalten nach einiger Zeit große Datenmengen wie zu den Zeiten, als sie als kleine Arztpraxis starteten. Die in diesem Bereich forschenden und/oder produzierenden Unter­nehmen wiederum nehmen das Thema Daten­­schutz in der Regel sehr ernst, so dass häufig Fachabteilungen das Thema professionell abbilden. Zugleich sind Patientendaten in diesem Bereich zudem auch durch den gesamten Rechtsrah­men für die entsprechenden Studien geschützt.

Bei den Anbietern von digitalen Gesundheitsdiensten schließlich ist der Datenschutz, neben der technischen Funktionalität und der medizinischen Zulässigkeit und Sinnhaftigkeit, vermutlich der wichtigste Aspekt der gesamten Geschäftstätigkeit. Hier geht es vor allen Dingen um technischen Datenschutz, das heißt um die Sicher­heit der Systeme und die ordnungsgemäße Abbildung und Abwicklung der Datennutzung (Daten­schutz­erklä­rung).

In diesem Bereich fällt schließlich auch die damit verwandte Problematik „CyberSecurity“. Die Betreiber von Krankenhäusern und ähnlichen großen Gesundheits­dienstleistern sind Teil der sogenannten „kritischen Infrastruktur“ (KRITIS) und damit besonders geschützt. Auch hier wird sich anbieten, neben der üblichen rechtlichen Due Diligence auch einen technischen Dienstleister zu beauftragen, der die entsprechenden Systeme auf Sicherheitsmängel untersucht.

Scheinselbstständige

Aber auch vermeintlich „alte“ Themen wie das der „Scheinselbstständigen“ sollten bei Transaktionen im Sektor Life Science und Healthcare mit besonderer Sorgfalt betrachtet werden. Hier geht es im Gesund­heitsbereich insbesondere um Themen wie selbst­ständige Ärzte (zum Beispiel Anästhesisten) und Thera­peuten, die nicht in dem entsprechenden Unternehmen angestellt sind, sondern nur stundenweise dort arbeiten. Rechtlich gesehen sind die maßgeblichen Fragen nicht anders zu bewerten als bei anderen Schein­selbstständigen. Anders als in ande­ren Sektoren sind es hier jedoch leitende beziehungsweise qualifizierte Mitarbeiter, die häufig nicht leicht ersetzt werden können.

Ein weiterer Bereich, in dem die Scheinselbstständigen-Problematik (neuerdings) häufig auftritt, ist die Pro­grammierung, Entwicklung und Wartung von Software. Diese Leistungen werden häufig durch Freelancer erbracht. Dies ist ein in der Softwarebranche übliches Modell, bei dem Entwickler beziehungsweise Program­mierer weltweit beauftragt und eingesetzt werden. Dabei sollten neben der Schein­selbstständigen-Proble­matik stets auch urheberrechtliche Aspekte be­achtet werden.

Immobilien

Bei vielen Unternehmen im Bereich Life Science und Healthcare haben die genutzten Immobilien eine besondere Bedeutung für die Fortführung des Geschäfts­betriebes. Dies liegt insbesondere daran, dass die in diesem Bereich tätigen Unternehmen häufig besondere Anforderungen an die von ihnen genutzten Immo­bilien stellen und diese Immobilien speziell für diesen Zweck errichtet wurden. So sind Krankenhäuser, Pfle­geheime, Labore und Therapiezentren stets auf diese konkrete Nutzung ausgerichtet. Ver- und Entsor­gungs­leitungen (zum Beispiel für Sauerstoff und Druckluft), besondere Hygienevorrichtungen, Luftreinigungs­sys­teme, Fahrstühle, Logistik et cetera sind auf die konkrete Nutzung ausgerichtet und hierfür auch zwingend notwendig. Ebenso sind Brandschutz und andere Sicherheitseinrichtungen von besonderer Be­deu­tung, um eine behördliche Schließung unbedingt zu verhindern. Dies gilt, wenn auch in geringerem Maße, letztendlich auch für Rehazentren und Pflege­heime, aber auch für manche Arztpraxen, die zwar zum Teil übliche Bürogebäude nutzen können, zum Teil aber auch besondere Ein- und Umbauten oder spezielle Räum­lich­keiten benötigen (zum Beispiel Operations­räume für ambulante Operationen, Räume zur Nutzung von MRT-Anlagen).

Ähnlich ist die Situation bei for­schenden und produ­zierenden Betrieben im Bereich Life Science und Healthcare. Auch hier stehen For­schungseinrichtung und Produktionsanlagen im Vor­der­grund und sind in der Regel nicht austauschbar. Zugleich ist es aber auch nicht in jedem Fall so: Gerade die digitalen Dienstleister können übliche Bürogebäude nutzen beziehungsweise aus dem Home-Office heraus arbeiten und benötigen damit keinerlei besondere Räumlichkeiten.

Aus alledem folgt, dass die Begutachtung im Rahmen der Due Diligence der Immobiliennutzung ein besonderes Augenmerk verdient. So ist bei der Übernahme entsprechender Verträge stets darauf zu achten, dass die jeweiligen Miet- und Nutzungsverträ­ge eine ausreichend lange Laufzeit haben. Des Wei­te­ren ist dabei zu beobachten, dass nicht selten, ins­besondere bei Arztpraxen, Rehazentren, Therapie­zent­ren und privaten Krankenhäusern, Gebäude genutzt werden, die separaten, den Gesellschaftern zugehörigen Immo­bilien­gesellschaften zuzurechnen sind, was bei einem Erwerb entsprechend zu beachten ist. Des Weiteren sollte ein möglicher Erwerber eine eigene, technische Begehung der Immobilien mit Ex­perten vornehmen, um den Bau- und Erhaltungs­zu­stand zu klären und insbesondere sich auch einen Eindruck über Brand­schutz­maßnahmen et cetera zu machen, da in diesem Bereich häufig besondere Probleme auftreten können.

Fusionskontrolle und Investitionsprüfung

Die Bereiche Kartellrecht, besser gesagt Fusions­kontrolle, und rechtliche Investitionsprüfung nach dem Außenwirtschaftsgesetz sind bei allen Spielarten und Formen der Zusammenarbeit und der Unterneh­mens­übernahmen zu beachten. Es würde den Umfang dieser Darstellung bei weitem sprengen, wenn hier auch noch auf die Besonderhei­ten des Gesundheitssektors in diesen Bereichen ausführlich eingegangen werden würde. Es sei aber der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass mit der 15. Novelle des Außen­wirt­schaftsgesetzes (bzw. der Außenwirtschafts­ver­ord­nung) der Gesundheits­bereich explizit in den An­wendungs­bereich des Außen­wirtschaftsgesetzes einbezogen wurde und nunmehr eine Vielzahl von Trans­aktionen den §§ 55 und 55a der Außenwirtschafts­verordnung unterfallen und da­her eine Übernahme der entsprechenden Dienstleis­ter beziehungsweise Be­treiber durch unionsfremde Er­werber stets einer An­meldung beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bedürfen. Dieses Ver­fahren ist regelmäßig mit großem Arbeits- und Zeitaufwand verbunden; hierauf sollte bei der Planung und Gestaltung geachtet werden.

3. Fazit

Der Life Science- und Healthcare-Sektor hat aufgrund der Coronapandemie vermehrte öffentliche Auf­merk­samkeit erfahren. Wenn dieses Momentum genutzt wird, um Erneuerungen und Entwicklungen anzustoßen, kann sich dieser Sektor zu einem der zukunftsträchtigsten M&A-Sektoren entwickeln, bei dem es dann umso mehr gilt, die ihm immanenten Be­sonder­heiten einschließlich der hier aufgeführten Beispiele im Rahmen von Transkationen und/oder Partnerschaften zu beachten.

Dieser Fachartikel ist im Original erschienen in der Fachzeitschrift M&A Review

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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