Logistikzentren dürfen Arbeitnehmer am 4. Adventssonntag nicht beschäftigen
Veröffentlicht am 1st Feb 2016
Der grundrechtlich verankerte Schutz von Sonn- und Feiertagen überwiegt grundsätzlich das Interesse eines Unternehmens an der Steigerung von Umsätzen durch Sonn- und Feiertagsarbeit. Gewerkschaften können sich bei der Durchsetzung dieses Schutzes auf die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 9 Abs. 1 und Abs. 3 GG berufen (OVG Münster, Beschlüsse v. 18. Dezember 2015 – 4 B 1463/15 und 4 B 1465/15).
Der Sachverhalt
Antragstellerin ist ein amerikanischer Online- Versandhändler, der Logistikzentren in Rheinberg und Werne betreibt. Für diese Zentren beantragte sie zunächst bei den jeweils zuständigen Bezirksregierungen die Bewilligung, Arbeitnehmer an den Sonntagen am 13. Dezember 2015 und 20. Dezember 2015 zur Bewältigung des Weihnachtsgeschäfts beschäftigen zu dürfen.
Die zuständigen Bezirksregierungen erteilten der Antragstellerin per Bescheid eine Ausnahmebewilligung nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Daraufhin klagte die Gewerkschaft ver.di vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf und dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gegen die Bescheide der Bezirksregierungen. Um von der Erlaubnis der Bezirksregierungen dennoch Gebrauch machen zu können, stellte die Antragstellerin in beiden Fällen einen Eilantrag auf sofortige Vollziehung der Bescheide. Die Verwaltungsgerichte entschieden zugunsten der Gewerkschaft ver.di und lehnten die Eilanträge der Antragstellerin ab.
Daraufhin legte die Antragstellerin in beiden Fällen Beschwerde beim OVG Münster ein.
Die Entscheidung
Das OVG Münster hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt und erachtete die erteilten Ausnahmebewilligungen für rechtswidrig.
Die Anträge hinsichtlich des 13. Dezembers 2015 waren bereits unzulässig, da dieser Zeitpunkt zur Zeit der Entscheidung des Gerichts bereits überschritten war.
Hinsichtlich des Adventssonntages am 20. Dezember 2015 sei die Gewerkschaft in ihrem Grundrecht der Koalitions- und Vereinigungsfreiheit verletzt, da die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) Arbeitszeitgesetz (ArbZG) für eine Ausnahmebewilligung nicht vorgelegen hätten.
Die Gewerkschaft könne sich im Rahmen ihrer Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG auf einen grundrechtsverankerten Mindestschutz der Sonn- und Feiertage berufen, der in Art. 140 GG i.V.m. Art 139 der Weimarer Reichsverfassung angelegt sei.
Die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen genieße diesen besonderen Mindestschutz für alle Bereiche des regelmäßigen Arbeits- und Soziallebens. Die Gewährleistung der wiederkehrenden Tage der Arbeitsruhe schütze dabei nicht nur die Ausübung der Religionsfreiheit, sondern sei etwa auch für das Wirken der Gewerkschaften bedeutsam und diene der effektiver wahrzunehmenden Koalitionsfreiheit.
Eine Ausnahmebewilligung komme unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich abgesicherten Sonn- und Feiertagsschutzes nur in Betracht, wenn besondere Verhältnisse dies zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens erforderten. Das betroffene Unternehmen müsse sich entsprechend bemühen, Sonn- und Feiertagsarbeit zu vermeiden. Für den Ausnahmefall eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Schadens sei das bloße wirtschaftliche Umsatzinteresse der Antragstellerin jedenfalls nicht ausreichend.
Auch ein durch die Antragstellerin geltend gemachtes „Geschäftsmodell“, wonach kurzfristige Lieferwünsche der Kunden gerade in der Weihnachtszeit uneingeschränkt befriedigt werden sollen, überzeuge hier nicht. Die Zusage von kürzesten Lieferfristen sei ein Umsatzsteigerungsmittel für die Beklagte und verstärke Engpässe in der Bewältigung des Auftragsvolumens, denen der Schutz der Sonn- und Feiertage nicht weichen müsse.
Hinweise für die Praxis
Die vorliegenden Beschlüsse zeigen, dass dem Schutz der Sonn- und Feiertage auch im Hinblick auf die wachsende Bedeutung von Online-Versandhandel und kurzen Lieferungsfristen eine große Bedeutung zukommt und Gewerkschaften hier zunehmend gerichtlich aktiv werden.
Damit hat nach dem sächsischen OVG (OVG Bautzen, Beschluss vom 11.12.2015 – 3 B 369/15) auch das OVG Münster nochmals verdeutlicht, dass Ausnahmebewilligungen an strengen Voraussetzungen zu messen sind. Insbesondere bei der Geltendmachung eines unverhältnismäßigen Schadens, sind wirtschaftliche Umsatzeinbußen nicht allein ausschlaggebend.
Für solche Unternehmen, die Gebrauch von Sonn- und Feiertagsarbeit machen wollen, heißt dies konkret, dass sie in Zukunft mit strengeren Entscheidungen der zuständigen Bezirksregierungen rechnen müssen, wenn sie die möglichen Ausnahmebewilligungen beantragen.
Eine Bewilligung ist allerdings dann nicht erforderlich, wenn bereits eine gesetzliche Ausnahme nach § 10 ArbZG greift. Bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Ausnahme kann ein Antrag auf Feststellung bei der zuständigen Aufsichtsbehörde gestellt werden.