Koalitionsvertrag: Neue Pläne für Unternehmensstrafrecht in Deutschland?

Veröffentlicht am 27th Mar 2018

Der jüngst ausverhandelte Koalitionsvertrag sieht grundlegende Änderungen im Unternehmensstrafrecht vor. Diese bergen großes Entwicklungspotential für den derzeitigen rechtlichen Umgang mit Wirtschaftskriminalität. Der Koalitionsvertrag lässt vermuten, dass die neue Regierung einen weiteren Anlauf in Richtung eines „Unternehmensstrafrechts“ wagen möchte, wenngleich er diese Begrifflichkeit bewusst vermeidet.

Im deutschen Recht ist ein Unternehmensstrafrecht, im Gegensatz zu vielen anderen Rechtsordnungen, bislang nicht verankert. Grund ist, dass in Deutschland ein schuldorientiertes, also an eine Person anknüpfendes Strafrecht gilt. Daher sind Unternehmen derzeit nur über das Ordnungswidrigkeitenrecht mit Bußgeldern sanktionierbar.

In den letzten Jahren gab es bereits mehrere Initiativen, dies zu ändern. Die Formulierungen aus dem neuen Koalitionsvertrag erinnern zum Teil stark an einen Gesetzesentwurf des nordrhein-westfälischen Justizministeriums aus dem Jahr 2013. Der Koalitionsvertrag möchte die Sanktionierung von Unternehmen stärker in den Fokus rücken. Vieles bleibt noch bewusst vage, einige konkrete Vorhaben finden sich dennoch.

So soll die Staatsanwaltschaft in Zukunft bei entsprechenden Anhaltspunkten zur Einleitung von Ermittlungen gegen Unternehmen verpflichtet sein. Dies bedeutet eine Abkehr von dem bislang geltenden Opportunitätsgrundsatz des Ordnungswidrigkeitenrechts und ist der Strafprozessordnung angepasst. Zudem soll die Bußgeldobergrenze für große Unternehmen nicht mehr absolut bei bisher EUR 10 Mio. festgelegt sein, sondern sich nach dem jeweiligen Unternehmensumsatz richten. Außerdem sollen im Gesetz Vorgaben für sogenannte „Internal Investigations“ verankert werden. Diese betreffen beschlagnahmte Unterlagen, Durchsuchungsmöglichkeiten und Anreize zur Aufklärungshilfe durch interne Ermittlungen und Offenlegung der Ergebnisse.

Was für Unternehmen zunächst erschreckend klingen mag, könnte in Wahrheit eine Erleichterung für die Praxis bedeuten. Denn das deutsche Recht bietet im Vergleich zu anderen Rechtssystemen derzeit wenig Rechtssicherheit im Hinblick auf die Anforderungen, die für Unternehmen zur Vermeidung von Wirtschaftskriminalität gelten.

In der globalisierten Wirtschaftswelt nutzen deutsche Unternehmen schon heute zum Großteil erheblich umfangreichere Compliance-Systeme als nach deutschem Recht vorgesehen. Wo das deutsche Recht kaum ausdifferenziert ist, ist oftmals der weite Anwendungsbereich von ausländischen Anti-Korruptionsgesetzen mit deutlicheren Vorgaben eröffnet (beispielsweise UK Bribery Act, US Foreign Corrupt Practices Act). Es ist begrüßenswert, wenn das deutsche Recht sich diesen internationalen Standards nicht nur anpasst, sondern für deutsche Unternehmen zudem klare (nicht zuletzt: deutschsprachige) Regelungen schafft.

Die Neuerungen sind zudem wichtige Schritte, die nicht nur für die GesamtvVolkswirtschaft der Bundesrepublik positive Auswirkungen verheißen. Auch helfen sie, die durch die jüngsten Skandale gesunkene Reputation der deutschen Wirtschaft im internationalen Geschäftsverkehr zu verbessern.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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