Gewerblicher Rechtsschutz / IP

Kein Urheberrechtsschutz für Birkenstock-Sandalen

Veröffentlicht am 21st Feb 2025

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 20. Februar 2025 ein richtungsweisendes Urteil zum urheberrechtlichen Schutz von Gebrauchsgegenständen gefällt. Die Entscheidung ist richtungsweisend für die Schutzmöglichkeiten von Alltagsgegenständen.

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Nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung war es bereits zu erwarten: Birkenstock-Sandalen sind keine Werke der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG und genießen folglich keinen Urheberrechtsschutz. Der BGH wies damit eine Klage des deutschen Unternehmens gegen Nachahmer ab und bestätigte das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln, das den urheberrechtlichen Schutz ebenfalls abgelehnt hatte. "Die Ansprüche sind unbegründet, weil es keine urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst sind", sagte der Vorsitzende Richter Thomas Koch in Karlsruhe. Die Konkurrenzprodukte bleiben am Markt. Der BGH ebnet den Weg für neue Wettbewerber.

Urheberrechtlicht als Schutzwall gegen Nachahmer

Birkenstock hatte gegen drei Konkurrenten geklagt, die ähnliche Schuhmodelle verkauften. Die Klägerin ist der Auffassung, bei ihren Sandalenmodellen handele es sich um urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst und sah in dem Angebot der Beklagten eine Verletzung dieses Rechts. Birkenstock klagte in allen Verfahren auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz sowie Rückruf und Vernichtung der mutmaßlichen Nachahmungen. Urheberrechtlicher Schutz ist für Birkenstock von besonderer Bedeutung, da dieser Schutz noch 70 Jahre nach dem Tod des Schöpfers gilt, während der Designschutz nach 25 Jahren endet. Der Schuhmacher Karl Birkenstock schuf die streitigen Modelle bereits in den 1970er Jahren, sodass der Designschutz für die frühen Birkenstock-Modelle bereits abgelaufen ist. Urheberrecht würde noch bestehen und wäre so ein effektiver Schutzschild gegen Nachahmer.

Birkenstocks sind keine Kunstwerke

Nun entschied der BGH, dass die streitbefangenen Schuhmodelle keine urheberrechtlich geschützten Werke sind. Und ohne urheberrechtlichen Schutz, keine Urheberrechtsverletzung. Für Gebrauchsgegenstände wie Sandalen ist urheberrechtlicher Schutz nicht generell ausgeschlossen. Sie können als Werke der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG geschützt sein. Birkenstock scheitert aber an den Anforderungen

Ein Werk der angewandten Kunst hat im Gegensatz zu einem herkömmlichen Kunstwerk einen Gebrauchszweck. Um Schutz zu genießen, muss es sich bei dem fraglichen Gegenstand um ein Werk, also nach dem Wortlaut des Gesetzes um eine „persönliche geistige Schöpfung“ handeln. Die Sandalen müssten danach eine individuelle Prägung aufweisen, deren ästhetischer Gehalt in einigermaßen kunstaffinen Kreisen als „künstlerische“ Leistung anerkannt wird. Dafür muss ein gestalterischer Freiraum bestehen, der künstlerisch – nicht nur technisch-funktional – genutzt wurde. Ein freies und kreatives Schaffen ist ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmen. Aufgrund des doppelten Charakters eines Werkes der angewandten Kunst – einerseits als Kunstwerk und andererseits als funktionaler Gebrauchsgegenstand – muss hier genau hingeschaut werden.

Der BGH sah einen Gestaltungsspielraum zunächst als gegeben. Im nächsten Schritt prüfte er, ob Birkenstock diesen auch ausreichend genutzt hat. Einfach gesagt: Warum sieht der Schuh so aus wie er aussieht? Ist die Gestaltung technisch bedingt oder ist sie Ausdruck einer kreativen Leistung? Diese Frage konnte der BGH nicht eindeutig beantworten: Bei Birkenstock-Sandalen könne gerade nicht festgestellt werden, dass der bestehende Gestaltungsspielraum in einem schutzwürdigen Maße künstlerisch ausgeschöpft worden sei oder lediglich technische Erwägungen die Gestaltung prägen. Birkenstock habe aber die Darlegungslast, inwieweit Spielräume für freie kreative Entscheidungen über die Funktion hinaus genutzt wurden. Die fehlende Überzeugung des BGH geht auf die Kappe von Birkenstock.

Was bedeutet das für ähnliche Fälle?

Bei Werken der angewandten Kunst kommt es auf den Grad der Ausschöpfung des Gestaltungsspielraums an. Je nach Gebrauchsgegenstand kann der verbleibende Spielraum unterschiedlich groß und die Anforderungen dementsprechend variieren. Die Darlegungslast liegt bei der Partei, die sich auf das Urheberrecht beruft. Birkenstock scheiterte jedenfalls an

Blick in die Zukunft

Der BGH hat bestätigte, dass das OLG rechtsfehlerfrei den urheberrechtlichen Schutz abgelehnt hat. Mit dieser Entscheidung wird sichergestellt, dass der kreative Markt frei bleibt und nicht durch übermäßige urheberrechtliche Beschränkungen eingeengt wird. Gerade bei Schuhen bestehen im Vergleich zur Kleidung noch einmal stärkere funktionale Zwänge, da sie gewisse Anforderungen an den orthopädischen Tragekomfort erfüllen müssen. Sandalen unterliegen damit von Natur aus gestalterischen Grenzen, insbesondere wenn zusätzlich gesundheitliche Anforderungen erfüllt werden sollen. Der verbleibende Raum für kreative Freiheit und Innovation im Schuhdesign bleibt durch die Entscheidung weiter erhalten. Die Vielfalt der angebotenen Gesundheitssandalen wird nun voraussichtlich zunehmen, da der Markt durch sie Entscheidung rechtlich sicherer ist. Davon profitieren neben Designern und Unternehmen, die ihr Angebot durch innovative Designs erweitern können, auch Verbraucher durch eine breitere Produktpalette und günstigere Preise. Eine übermäßige Beschränkung des freien Wettbewerbs durch langandauernde Urheberrechte bleibt weiterhin aus.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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