Vertragsrecht / Commercial

Kartellrecht und Sport: Ein Überblick zur aktuellen Entscheidungspraxis des EuGH und der nationalen Kartellbehörden

Veröffentlicht am 28th Aug 2024

European parliament empty assembly room

Sachverhalte aus dem Sportsektor geraten immer häufiger in den Fokus europäischer und deutscher Behörden bzw. Gerichte. Sie sind dort einer umfassenden rechtlichen Überprüfung unterworfen. Von diesen Entscheidungen sind letztlich alle Stakeholder im Sportbereich betroffen, insbesondere die internationalen und nationalen Verbände, die Vereine, Sportler, Dienstleister im Bereich Sport und die Marketing- und Werbebranche. Es wird für alle Beteiligten daher immer wichtiger, die geltenden Vorschriften und Praktiken auf ihre Vereinbarkeit mit dem Kartellrecht zu kontrollieren. Dieser Beitrag soll anhand der entschiedenen und anhängigen Verfahren beim EuGH und den nationalen Behörden und Gerichten Chancen und Risiken aufzeigen und einige praktische Leitfäden an die Hand geben.

Die EuGH-Sporttrilogie: European Superleague, International Skating Union und Royal Antwerp

Der EuGH beschäftigt sich in jüngerer Zeit häufig mit kartellrechtlichen Fragestellungen im Sportsektor. Dabei bekräftigt er in den Urteilen European Superleague, International Skating Union und Royal Antwerp, dass sämtliche wirtschaftliche Tätigkeiten des Sportbereichs auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorschriften des europäischen Wettbewerbsrechts (Art. 101 und 102 AEUV) überprüft werden müssen. Ausgenommen sind nur spezifische Regelungen, die allein aus nicht-wirtschaftlichen Gründen erlassen wurden und ausschließlich den Kernbereich des sportlichen Wettbewerbs betreffen, wie beispielsweise die Zusammensetzung von Nationalteams ausschließlich mit Athleten der jeweiligen Nation.

Die Rechtssachen European Superleague und International Skating Union

In der Sache „European Superleague“ (Az. C-333/21) und „International Skating Union“ (Az. C-124/21 P) beschäftigte sich der EuGH mit Verbandsregelungen der FIFA, UEFA und ISU, wonach die Veranstaltung von und Teilnahme an Konkurrenz-Wettbewerben der vorherigen Genehmigung bedarf. Nach der Rechtsprechung des EuGH können Regeln über die Genehmigungspflicht von Konkurrenz-Wettbewerben als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gem. Art. 102 AEUV bzw. als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 Abs. 1 AEUV eingestuft werden, wenn nicht materielle Vorgaben und detaillierte Verfahrensvorschriften garantieren, dass diese Regeln hinreichend transparent, objektiv, klar, präzise, diskriminierungsfrei und verhältnismäßig sind und angewandt werden. In diesem Sinne hat das zuständige Handelsgericht in Madrid mittlerweile entschieden, dass die entsprechenden Statuten von UEFA und FIFA gegen europäisches Kartellrecht verstoßen. Die UEFA hat dagegen Rechtsmittel eingelegt.

Der EuGH erhöht auch die Hürden für eine Rechtfertigung von Wettbewerbsverstößen im Sportbereich. Denn der speziell für den Sportbereich entwickelte Rechtfertigungsgrund (sog. Meca-Medina-Test) des EuGH findet künftig nur noch sehr eingeschränkt Anwendung. Entscheidungen von Behörden oder Gerichten zur Rechtfertigung einer festgestellten Wettbewerbsbeschränkung aus der Vergangenheit auf Grundlage des Meca-Medina-Tests können daher nicht mehr ohne Weiteres als Präzedenzfall herangezogen werden. 

Nach Ansicht des EuGH ist auch die im Sportbereich verbreitete Regelung, wonach Entscheidungen der Verbände nur vor dem Court of Arbitration for Sport (CAS) als Schiedsgericht angefochten werden können, aus kartellrechtlicher Sicht bedenklich. Eine wirksame gerichtliche Kontrolle der Verbandsregelungen auf ihre Vereinbarkeit mit europäischem Kartellrecht sei vor dem CAS nicht gewährleistet. Denn die Entscheidungen des CAS seien lediglich vor den staatlichen Gerichten in der Schweiz überprüfbar. Da die Schweiz kein Mitgliedstaat der EU ist, besteht keine Möglichkeit der Überprüfung durch den EuGH.

Die Rechtssache Royal Antwerp

In der Sache „Royal Antwerp“ (Az. C-680/21) beurteilte der EuGH die Regelungen der Fußballverbände zur sog. „Homegrown Player Rule“, wonach Vorgaben zum Anteil lokal ausgebildeter Spieler im Kader gemacht wurden. Diese Regelung stelle einen Eingriff in die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) und eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Art. 101 AEUV dar. Die diskriminierende Wirkung für Athleten aus anderen Mitgliedsstaaten könne nur durch ein legitimes und verhältnismäßiges Ziel im öffentlichen Interesse gerechtfertigt werden.

Weitere Verfahren vor dem EuGH anhängig

Darüber hinaus sind weitere Verfahren im Sport-Bereich vor dem EuGH anhängig, die grundlegende Entscheidungen erwarten lassen. Sollte der EuGH seinen restriktiven Ansatz aus der Sporttrilogie fortsetzen, könnten weitere Einschränkungen auf die derzeitige Praxis in Sportverbänden zukommen.

Verfahren zu Reglements der FIFA und des DFB zu Spielervermittlern

In Bezug auf Reglements der FIFA und des DFB zu Spielervermittlern als externen Dienstleistern im Fußballsport sind weitere Verfahren beim EuGH – wie auch vor nationalen Gerichten – anhängig. Diese gehen auf Vorlagefragen des Bundesgerichtshofs und des Landgerichts Mainz zurück (Rechtssache „ROGON“, Az. C-428/23 bzw. Rechtssache „RRC Sports“, Az. C-209/23). Diese Reglements enthalten einschränkte Bestimmungen zur Lizensierung, zum Honorar und zu weiteren Aspekten von Vermittlern, die Spieler unter anderem beim Wechsel von Vereinen beraten und somit selbst nicht Teil des eigentlichen Fußballbetriebs sind. Das Landgericht Dortmund hatte zuvor im Eilverfahren einige zentrale Bestimmungen dieser Reglements als kartellrechtswidrig eingestuft und deren Anwendung einstweilen untersagt (Az. 8 O 1/23 Kart). Diese Entscheidung wurde am 13. März 2024 vom Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigt (Az. VI-U (Kart) 2/23).

Verfahren zu den FIFA Transfer-Regeln

Zudem werden auch die FIFA Transfer-Regeln derzeit vor dem EuGH überprüft (Az. C-650/22). Dem liegt ein Schadensersatzprozess des ehemaligen Fußballprofis Diarra gegen den belgischen Verband vor einem belgischen Gericht zugrunde. Dieser sich bereits seit vielen Jahren hinziehende Streitkomplex beruht auf den Regularien der FIFA zur vorzeitigen Vertragsbeendigung von Anstellungsverträgen mit Fußballspielern und den bei Verstoß zustehenden Schadensersatzansprüchen gegen den Spieler und den neu einstellenden Verein. In dieser Sache hat der Generalanwalt beim EuGH Szpunar am 30. April 2024 seine Schlussanträge gestellt, die sich kritisch mit den FIFA-Regel auseinandersetzen. Eine Entscheidung des EuGH ist daher bald zu erwarten.

Verfahren gegen Fußballclubs der ersten beiden Profiligen Portugals

Ein portugiesisches Gericht hat dem EuGH zudem die Frage vorgelegt, ob eine Vereinbarung der Fußballclubs der ersten beiden Profiligen Portugals zu Beginn der Corona-Pandemie kartellrechtswidrig sei, nach der die Clubs vereinbarten keine Spieler unter Vertrag zu nehmen, die ihren Anstellungsvertrag während der Pandemie aufgelöst hatten (Az. C-133/24).

Entscheidungspraxis der nationalen Kartellbehörden und Gerichte

In der jüngeren Vergangenheit haben sich auch einige nationale Gerichte und Kartellbehörden mit interessanten Fallkonstellationen aus dem Bereich des Sportkartellrechts auseinandergesetzt.

Verfahren des Bundeskartellamts

Das Bundeskartellamt ist im Sportbereich ebenfalls sehr aktiv. Das Amt hat in der jüngeren Vergangenheit Verfahren zur Zentralvermarktung der Deutschen Fußball Liga (DFL) und der Eigenvermarktung von olympischen Sportlern abgeschlossen. 

Im ersten Verfahren ging es um die Vergabe der Medienrechte zur Berichterstattung und Ausstrahlung der deutschen Fußball-Ligaspiele durch die DFL für die Spielzeiten 2025/26 bis 2028/29. Hier ging das Amt davon aus, dass ausreichender Wettbewerb beim Erwerb der Live-Übertragungsrechte von den möglichen Bewerbern DAZN, RTL und Amazon ausgehe. Das Amt hob aber auch hervor, dass es aufgrund der EuGH-Rechtsprechung in Zukunft zu Änderungen kommen könnte. Unabhängig davon streiten sich die DFL und DAZN aktuell vor einem Schiedsgericht um die Vergabe der TV-Rechte dieser Spielzeiten 2025/26 bis 2028/29, weshalb die DFL die Auktion der TV-Rechte gestoppt hat.

Im zweiten Verfahren haben der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und das Internationale Olympische Komitee (IOC) gegenüber dem Bundeskartellamt verpflichtende Zusagen abgegeben, mit denen die Möglichkeiten der Eigenvermarktung der Athleten insbesondere durch eigene Posts in Social Media Portalen während der Olympischen Spiele 2024 erweitert wurden. DOSB und IOC sind nach Einschätzung des Bundeskartellamts marktbeherrschend auf dem Markt für die Organisation und Vermarktung der Olympischen Spiele und unterlägen der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle. Insbesondere dürften Athleten daher nicht ohne Weiteres in ihren Möglichkeiten an der Teilnahme auf einem anderen Markt – wie dem Markt für Sportsponsoring – behindert werden.

Das Bundeskartellamt führt aktuell auch ein Verfahren zur kartellrechtlichen Bewertung der sogenannten 50+1-Regel der DFL. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass die ideellen Sportvereine, die hinter den Fußballmannschaften in den Profiligen stehen, die Entscheidungsmehrheit in den ausgegliederten Kapitalgesellschaften der Mannschaften behalten. Das Bundeskartellamt hat jüngst in einer Pressemitteilung ausgeführt, dass es keine grundlegenden Bedenken gegen die 50+1-Regel hat, aber die Lizenzierungspraxis der DFL im Hinblick auf eine einheitliche Anwendung der Regel genauer untersuchen werde.

Verfahren vor deutschen Gerichten

Einige aktuelle Verfahren vor deutschen Gerichten sind zuletzt auch zu Gunsten der Verbände entschieden worden. In diesem Sinne hat das Oberlandesgericht Düsseldorf den Antrag einer Karatekämpferin gegen den deutschen Karateverband (DKV) auf Nominierung für die Europameisterschaft im Karatesport 2024 abgewiesen (Az. W(Kart) 3/24). Solche Nominierungsentscheidungen seien als Auswahlentscheidungen durch die Gerichte nur eingeschränkt überprüfbar. Weiterhin hat das OLG Brandenburg den Antrag eines Schachsportvereins auf Aufnahme in die Schachabteilung der Schachbundesliga abgelehnt (Az. 17 U 1/24 Kart). Die Nichtaufnahme eines die satzungsgemäßen Aufnahmebedingungen nicht erfüllenden Bewerbers durch einen Verband stellt nach Ansicht des Gerichts weder eine unbillige Behinderung noch eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung dar, wenn die betreffenden Bedingungen nicht unsachgemäß und vom Bewerber ohne unverhältnismäßige Opfer erfüllbar sind.

Entscheidungen nationaler Kartellbehörden in weiteren EU-Ländern

Auch andere nationale Kartellbehörden haben im Sportsektor zahlreiche Entscheidungen getroffen. So haben beispielsweise die portugiesische, polnische und litauische Wettbewerbsbehörde die dortigen Ligaverbände und Vereine im Fußball bzw. Basketball wegen vereinbarten Abwerbeverboten bzw. Salary Caps mit Bußgeldern belegt. Im Zuge der Einstellung des Spielbetriebs der Ligen während der Corona-Pandemie beschlossen die Ligaverbände und Vereine Gehaltsreduzierungen und eine Erschwerung des Wechsels von Spielern zwischen Vereinen. Die Behörden haben die besondere Situation der Corona-Pandemie nicht als hinreichende Rechtfertigung für die angenommenen Wettbewerbsbeschränkungen angesehen. Die italienische Autorità Garante Della Concorrenza e del Mercato (AGCM) hat zudem in einer Entscheidung gegen den italienischen Fußballverband FIGC festgestellt, dass dieser seine marktbeherrschende Stellung bei der Organisation von Jugend-Wettbewerben missbrauche (Az. A562).

Klage gegen FIFA vor einem belgischen Gericht

Darüber hinaus haben mehrere nationale Fußballligaverbände und die internationale Fußballspielergewerkschaft FIFPro gegen die FIFA eine Klage vor einem belgischen Gericht sowie eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht. Danach soll die FIFA den Spielern und den nationalen Ligen dadurch schaden, dass sie den Veranstaltungskalender immer weiter zugunsten von FIFA-Veranstaltungen ausweitet. So blieben den nationalen Ligen und Vereinen weniger Möglichkeiten am Wettbewerb teilzunehmen und die Spieler würden über ihre Grenzen hinaus belastet.

Praktische Hinweise bei der Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung

Nach der Rechtsprechung des EuGH unterliegen die Regelungen der Sportverbände einer umfassenden Kontrolle durch die Behörden und Gerichte. Im Lichte der EuGH-Rechtsprechung sollten bestehende und neue Regelungen der Verbände auf ihre Vereinbarkeit mit der neuen Rechtsprechung des EuGH überprüft werden. Bei dieser Überprüfung sind die folgenden Leitsätze und Prinzipien zu berücksichtigen:

  • Regelungen über die Genehmigung von und Teilnahme an Konkurrenzveranstaltungen sowie damit verbundene Sanktionsregelungen sollten genau überprüft werden. Diese Regelungen müssen transparente, klare, präzise und nicht-diskriminierende Kriterien für diese Maßnahmen enthalten und eine wirksame Überprüfungsmöglichkeit bereitstellen. 
  • Der Verweis auf den CAS als Sportschiedsgericht könnte in kartellrechtlichen Streitigkeiten nicht ausreichen, um eine wirksame gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten. Entsprechende Regelungen könnten als unwirksam eingestuft werden und sollten im Hinblick auf die neue Rechtsprechung überprüft werden.
  • Regelungen, welche eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung von Athleten aus anderen Mitgliedstaaten bewirken, sind kritisch zu hinterfragen. Eine Rechtfertigung im Einzelfall ist nur möglich, wenn sie ein legitimes und verhältnismäßiges Ziel im öffentlichen Interesse verfolgen und dieses die nachteiligen Auswirkungen überwiegt.

Neben diesen konkreten Leitlinien auf Basis der Rechtsprechung des EuGH zeigen auch die Entscheidungen der nationalen Behörden, dass Regelungen von Sportverbänden insgesamt auf ihre Vereinbarkeit mit den kartellrechtlichen Vorgaben überprüft werden müssen. Dies gilt insbesondere für Regelungen, die die wirtschaftliche Betätigung von Sportlern oder Dienstleistern wie zum Beispiel die Vermarktung, die sportliche Betätigung als Erwerbstätigkeit, die Vergütung oder den Arbeitsplatzwechsel betreffen.

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* This article is current as of the date of its publication and does not necessarily reflect the present state of the law or relevant regulation.

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