Vertragsrecht / Commercial

Insolvenzwelle im Einzelhandel – wie schützen, wenn dem Geschäftspartner die Pleite droht? Besonderheiten bei der Vertragsgestaltung

Veröffentlicht am 6th Jun 2023

Business planning meeting, photo of people's hands holding pens and going over papers

Die Liste von wirtschaftlich angeschlagenen Handelsketten wird immer länger. Nach Galeria Karstadt Kaufhof, Adler, Salamander und Görtz beantragten kürzlich auch Modehändler Peek & Cloppenburg Düsseldorf und Schuhhändler Reno ein Insolvenzverfahren. Hersteller und Lieferanten stehen infolgedessen zunehmend vor großen Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf laufende Vertragsbeziehungen. Wie sollten Verträge aussehen, damit sich Unternehmen gegen die Insolvenz ihrer Kunden wappnen können? Nachfolgend die wichtigsten Punkte auf einen Blick:

Ausgangspunkt: Was droht im schlimmsten Fall?
  • Im schlimmsten Fall droht ein nahezu vollständiger Ausfall der offenen Forderungen gegen den insolventen Kunden. Ungesicherte Insolvenzgläubiger erhalten, nach Anmeldung ihrer Forderungen zur Insolvenztabelle, lediglich eine Insolvenzquote, die häufig lediglich im unteren einstelligen Bereich liegt
  • Je nach Höhe der ausstehenden Forderungen kann die Insolvenz des Kunden daher auch die finanzielle Situation des Lieferanten oder Herstellers selbst erheblich beeinträchtigen
Vorbeugen: Kann ich Insolvenz von Geschäftspartnern frühzeitig erkennen?
  • Frühzeitiges Monitoring der wirtschaftlichen Lage des Kunden/Geschäftspartners
  • Abfragen der Kreditwürdigkeit über Wirtschafts-Auskunfteien
  • Anzeichen für wirtschaftliche Schwierigkeiten (schleppende Zahlungsweise, Bitte um Ratenzahlungsvereinbarungen, Ignorieren von Mahnungen, schwere Erreichbarkeit etc.) rechtzeitig und richtig erkennen sowie deuten
  • Einholung von Informationen über Vorkasse-Zahlungen, angemessene Zahlungsraten sowie bestehende Bankbürgschaften, Warenkreditversicherungen, Eigentumsvorbehalte oder andere Sicherheiten
Umsetzen: Wie kann ich mich für die drohende Insolvenz meines Kunden absichern?
  • Leistungsaustausch Zug-um-Zug bzw. Lieferung nur auf Vorkasse (i.d.R. schwierig bei Kunden durchzusetzen, da sehr liquiditätsintensiv)
  • Vereinbarung eines Zahlungsziels von max. 30 Tagen oder vertragliche Möglichkeit der Umstellung des Abrechnungsmodalitäten bei erstmaligem Zahlungsverzug
  • Vereinbarung von Kündigungsrechten, die dem Lieferanten schon bei Zahlungsverzug oder auch bei Vermögensverschlechterung die Lösung vomVertrag und die Ausübung von Sicherungsrechten ermöglichen
  • Wirksame (!) vertragliche Implementierung eines Eigentumsvorbehalts zur Absicherung der Lieferantenforderungen
  • Der Eigentumsvorbehalt gewährleistet, dass der Lieferant in der Insolvenz seines Kunden entweder (1) die gelieferten und noch unbezahlten Waren herausverlangen kann (Aussonderung), sofern sich die Ware noch beim Kunden befindet, oder (2) jedenfalls aus dem Weiterverkauf der Ware bevorzugte Befriedigung im Wege der Absonderung verlangen kann. D. h. das insolvente Unternehmen bzw. der (vorläufige) Insolvenzverwalter muss die offenen Forderungen unter Abzug eines Kostenbeitrags an den Lieferanten bezahlen
  • Schutz mittels Warenkreditversicherung oder Bürgschaften

Checkliste – Vertragsgestaltung / notwendige Schritte im Ernstfall

Frühe Anknüpfung von Kündigungsund Sicherungsrechten
  • Achtung: Die Anknüpfung einer außerordentlichen Kündigung an ein insolvenzbedingtes Ereignis (Insolvenzantrag, Insolvenzeröffnung etc.) ist nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässig
  • Wir empfehlen: Anknüpfung der Kündigungsrechte an insolvenzunabhängige Umstände (Zahlungsverzug etc.)
  • Aber: Nicht notwendigerweise Verzicht der Vereinbarung (ggf. unzulässiger) insolvenzbedingter Lösungsklauseln
Wirksame Vereinbarung eines erweiterten und verlängerten Eigentumsvorbehalts
  • Sofern Eigentumsvorbehalt über AGB vereinbart werden soll, ist auf eine wirksame Einbeziehung der AGB zu achten!
  • Regelmäßig nicht ausreichend ist der Hinweis auf AGB bei Übersendung der Rechnung! Denn grundsätzlich ist eine wirksame Vereinbarung/Einbeziehung eines Eigentumsvorbehalts nur bis zur Auslieferung der Ware an den Kunden möglich
  • Wir empfehlen: Bereits bei erster Lieferung ausdrücklichen Hinweis darauf, dass Lieferung unter Eigentumsvorbehalt auch für künftige Verträge bzw. Lieferungen gilt
Hinweis: Sicherungsrechte auch gegenüber dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter frühzeitig anzeigen
  • Grundsätzlich bleiben die vertraglich vereinbarten Sicherungsrechte auch in der Insolvenz des Kunden erhalten
  • Bei einer Aufrechterhaltung der Belieferung mit Waren auch nach dem Insolvenzantrag sollte dennoch eine Absicherung der Bezahlung neu entstehender Forderungen durch separate Vereinbarung sichergestellt werden
Rückgriff auf gesetzliches Zurückbehaltungsrecht gem. § 321 BGB
  • Sofern die künftige Bezahlung nicht gesichert ist, kann zur Vermeidung von Forderungsausfällen ggfs. in Verbindung mit Umstellung auf Vorkasse auf die Unsicherheitseinrede zurückgegriffen werden

 

Gerne unterstützen wir Sie bei allen rechtlichen Fragen rund um die Themen Insolvenz und Restrukturierung sowie Vertragsgestaltung.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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