Gesetzliche Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG wird auch alleine durch Erhebung einer Klage gewahrt

Veröffentlicht am 7th Okt 2014

Macht ein Bewerber oder Arbeitnehmer Ansprüche auf Entschädigung oder Schadensersatz aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend, muss dies innerhalb von zwei Monaten schriftlich erfolgen. Ob diese Voraussetzung auch dann erfüllt ist, wenn zwar die Klage innerhalb der Frist bei Gericht eingeht, jedoch erst nach Ablauf der Frist dem Arbeitgeber zugestellt wird, hat nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 22. Mai 2014 – 8 AZR 662/13 noch einmal ausdrücklich entschieden.

Der Sachverhalt

Die Klägerin ist aufgrund einer Erkrankung mit multipler Sklerose (MS) mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert. Sie bewarb sich auf eine bei der Beklagten ausgeschriebene Stelle, die der Berufsausbildung der Klägerin entsprach. Die Beklagte stellte der Klägerin einen befristeten Arbeitsvertrag in Elternzeitvertretung in Aussicht und sandte ihr einen Musterarbeitsvertrag zu. Im Anschluss daran teilte die Klägerin der Beklagten bei Gelegenheit einer Besichtigung des zukünftigen Arbeitsplatzes die Behinderung mit. Daraufhin zog die Beklagte das Vertragsangebot zurück.

Ohne gesonderte außergerichtliche Geltendmachung erhob die Klägerin Klage auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG sowie Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung. Die Klageschrift selbst ging vor Ende der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG beim Arbeitsge-richt ein, wurde jedoch erst einen Tag nach Ende dieser Frist der Beklagten zugestellt.

Das vorinstanzliche Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein wies die Klage wegen Versäumnis der Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ab (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 30. Mai 2013 – 4 Sa 62/13). Unter Bezugnahme auf das Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urt. v. 21. Juni 2012 – 8 AZR 188/11) lehnte das LAG die Anwendung einer sogenannten Rückwirkungsfiktion, welche zugunsten der Klägerin zu einer rechtzeitigen Geltendmachung geführt hätte, ab.

Die Entscheidung

Das BAG änderte nunmehr gegenüber seiner Entscheidung aus 2012 seine Rechtsauffassung. Es erachtete nunmehr die Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO auch im Hinblick auf die Wahrung der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG für anwendbar. Insofern bestimmt § 167 ZPO, dass, sofern durch die Zustellung der Klage eine Frist gewahrt werden soll, diese Wirkung bereits mit Eingang der Klage bei Gericht eintritt, wenn die Zustellung an den Arbeitgeber “demnächst” erfolgt, und nicht erst mit der Zustellung beim Arbeitgeber selbst.

Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 1 bzw. 2 AGG mangels abweichender tarifvertraglicher Regelung innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Schon bisher hatte das Bundesarbeitsgericht eine rechtzeitige Klageerhebung als schriftliche Geltendmachung im Sinne von § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ausreichen lassen, wobei eine solche bisher nur dann vorlag, wenn dem beklagten Arbeitgeber die Klageschrift bis zum Ablauf der Ausschlussfrist tatsächlich zugestellt wurde. Eine außergerichtliche schriftliche Geltendmachung gegenüber dem mutmaßlich diskriminierenden Arbeitgeber (z. B. durch Einwurfeinschreiben) war also schon bisher nicht zwingend erforderlich. Eine Wahrung der Zweimonatsfrist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG war aber unter Zugrundelegung der Entscheidung aus dem Jahr 2012 nur dann gegeben, wenn die Klageschrift vor Ende dieser Frist beim beklagten Arbeitgeber zuging.

§ 167 ZPO, so die Erfurter Richter in Abweichung dieser bisherigen Rechtsprechung, sei grundsätzlich auch anwendbar, wenn durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden könnte.

Hinweise für die Praxis

Das Urteil stärkt in zeitlicher Hinsicht noch einmal die Rechte vermeintlich diskriminierter Arbeitnehmer. Umso mehr sollten Arbeitgeber in jedem Stadium des Arbeitsverhältnisses, von der Stellenanzeige bis zur Kündigung, ein diskriminierungsfreies Handeln sicherstellen, um die rufschädigenden und oft kostspieligen Folgen von AGG-Klagen zu verhindern.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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