FSA-Schiedsstelle zur Abgabe einer „COPD-Aktiv-Box“ an Ärzte zur Weitergabe der Box an Patienten
Veröffentlicht am 19th Nov 2018
Werbemaßnahmen, bei denen Pharmaunternehmen einem Arzt Werbegeschenke zur Weitergabe an Patienten überreichen, sind als Geschenk an den Arzt zu betrachten. Zu diesem Ergebnis kam die Schiedsstelle des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V. („FSA“) und nahm dabei Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung „Das große Rätselheft“ vom 25. April 2012.
In dem konkreten Fall (Az. FS II 1/17/2016.22-508) hatte ein Pharmaunternehmen im Rahmen der Einführung eines neuen Medikaments zur Behandlung der Atemwegserkrankung COPD Ärzten eine sog. „COPD-Aktiv-Box“ zur Weitergabe an deren Patienten ausgehändigt. Der Text auf dem Deckel der Box wendete sich an den Patienten. Im Inneren enthielt die Box ein Anschreiben an den Patienten, ein Informationsblatt zur COPD-Therapie mit dem spezifischen Inhalationsgerät, vier Klebesticker „Nicht vergessen“, Informationsbroschüren zur Krankheit und zum Inhalationsgerät sowie einen Schrittzähler, der separat in einer mit dem Firmenlogo gekennzeichneten Schachtel eingepackt war.
In der Box war ein Feld angebracht, auf das der Arzt seinen Praxisstempel drucken konnte. Über dem Stempelfeld befand sich der Hinweis „Überreicht durch“.
Entscheidung
Die Schiedsstelle urteilte, dass es sich bei der Abgabe der Box mit dem Schrittzähler um ein nach dem FSA-Kodex zur Zusammenarbeit mit Fachkreisen („FSA-Kodex Fachkreise“) verbotenes Geschenk an Angehörige der Fachkreise, wie Ärzte, handelt. Nach dem FSA-Kodex Fachkreise ist es grundsätzlich unzulässig, Ärzten Geschenke zu gewähren, wenn nicht einer der eng normierten Ausnahmetatbestände greift. Diese waren in dem vorliegenden Fall aber nicht relevant. Unbeachtlich war dabei, dass die Box mit dem darin enthaltenen Schrittzähler zur Weitergabe an Patienten bestimmt war.
Die Schiedsstelle stellte darauf ab, dass die Ärzte bei der Weitergabe der Box an Patienten als Schenker auftraten, ohne dafür selbst Kosten aufwenden zu müssen. Dabei spielte eine besondere Rolle, dass die Box mit dem vorgedruckten Stempelfeld für den Praxisstempel eine Personalisierungsmöglichkeit besaß. Das Pharmaunternehmen gewährte den Ärzten somit einen „erheblichen Zweitnutzen“, da die Abgabe ohne Weiteres eine Kundenbindung zwischen dem Arzt und dem Patienten begründen oder fördern könne. Durch die Abgabe der Box an Patienten erlange der Arzt einen eigenen Werbevorteil.
Relevanter Zweitnutzen für Ärzte ist entscheidend
Die Entscheidung zeigt, dass eine Werbemaßnahme durch ein pharmazeutisches Unternehmen, die sich zwar im Ausgangspunkt an Patienten richtet, aber auch für den Arzt einen Nutzen bietet, als ein an den Arzt gerichtetes Geschenk qualifiziert werden kann. Dabei soll ein relevanter Zweitnutzen schon dann vorliegen können, wenn der Arzt, etwa durch die Weitergabe eines Werbemittels, selbst einen Werbevorteil erlangt.
Ob in einem solchen Fall auch die in dem Heilmittelwerbegesetz enthaltenen Werbebeschränkungen greifen, konnte die Schiedsstelle offen lassen, da diese ausschließlich die Einhaltung des Kodex überprüft. Die Entscheidung wirkt sich damit in erster Linie auf Mitgliedsunternehmen des FSA aus.
Aber auch Nichtmitglieder sollten vor dem Hintergrund dieser Entscheidung Personalisierungsmaßnahmen kritisch prüfen. Es erscheint nicht ganz ausgeschlossen, dass sich ein Arzt durch den damit verbundenen Mehrwert unsachlich beeinflussen lässt. In diesem Fall könnten aber auch die gesetzlichen Werbebeschränkungen greifen. Es spricht auch einiges dafür, dass sich die staatlichen Gerichte bei der Beurteilung dieser Frage an den von der Schiedsstelle herangezogenen Kriterien orientieren, wie zum Beispiel die Einrichtung einer Personalisierungsmöglichkeit.