Fehlendes Feststellungsinteresse des Betriebsrates bei bereits durchgeführter personeller Einzelmaßnahme
Veröffentlicht am 2nd Sep 2016
Der Betriebsrat hat grundsätzlich kein rechtliches Feststellungsinteresse daran, ihm habe bei einer bereits endgültig durchgeführten personellen Einzelmaßnahme ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zugestanden. Im Einzelfall kommt die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts mittels eines abstrakten Feststellungsantrags in Betracht (BAG, Beschluss vom 22. März 2016 – 1 ABR 19/14).
Der Sachverhalt
Zwischen den Beteiligten war die Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats bei der Übertragung einer Teamleitung auf eine Beschäftigte sowie bei der Gewährung einer tariflichen Funktionszulage streitig. Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat mit Schreiben vom 4. Januar 2011 mit, dass eine Arbeitnehmerin ab dem Folgemonat das Aufgabengebiet einer Kollegin für die Zeit während Mutterschutz und Elternzeit übernehmen werde. Zudem solle die Mitarbeiterin ab dem 1. März 2011 eine Teamleitung übernehmen. Ebenso wollte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterin entfristen. Aufgrund der Übernahme der Teamleitung und der damit verbundenen zusätzlichen Verantwortung, sollte die Mitarbeiterin eine Funktionszulage nach Tarifvertrag erhalten.
Der Betriebsrat stimmte schriftlich zwar der Versetzung der Mitarbeiterin sowie der Entfristung des Arbeitsverhältnisses zu, widersprach jedoch der Versetzung zur Teamleiterin. Als Begründung nahm er Bezug auf eine seiner Ansicht nach bereits in der Vergangenheit unzureichend erfolgte Information zur Übertragung einer Teamleitungsaufgabe an eine andere Beschäftigte (schriftliche Anfrage des Betriebsrates vom 29. Dezember 2010). Daraufhin bat die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 28. Februar 2011 erneut um Zustimmung. Der Betriebsrat widersprach der Übertragung von Leitungsaufgaben an die Mitarbeiterin erneut und verlangte zunächst Beantwortung seines damaligen Schreibens vom 29. Dezember 2010. Die Anhörungsfrist beginne erst zu laufen, wenn die diesbezüglichen Informationen vorlägen.
Die Arbeitgeberin nahm die personellen Maßnahmen vor, woraufhin der Betriebsrat beim zuständigen Arbeitsgericht unter anderem beantragte, festzustellen, dass die Zubilligung der tariflichen Funktionszulage an die Mitarbeiterin der Zustimmung oder gerichtlich ersetzten Zustimmung des Betriebsrates bedurft hätte. Das Arbeitsgericht wies die Anträge des Betriebsrates ab. Auf die darauf erfolgte Rechtsbeschwerde gab das Landesarbeitsgericht den Anträgen statt. Nunmehr verfolgte die Arbeitgeberin mit der Rechtsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Die Entscheidung
Das BAG hielt die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin für begründet. Es führte aus, das Feststellungsbegehren des Betriebsrates sei bereits unzulässig, da es an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichem Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung fehle. Für einen nur auf die Vergangenheit gerichtete Feststellung, aus der sich keinerlei Rechtsfolgen für die Zukunft mehr ergeben, bestünde regelmäßig kein besonderes rechtliches Interesse. Insbesondere fehle es regelmäßig an dem erforderlichen Feststellungsinteresse, wenn der Antragsteller sein Recht im Wege eines Leistungs- oder Gestaltungsantrages hätte verfolgen können. Im Hinblick auf die vom Betriebsrat begehrte Feststellung, sei ein Vorgehen nach § 101 BetrVG vorrangig gewesen, sodass für den Feststellungsantrag kein Raum mehr bestünde und dieser damit unzulässig sei.
Darüber hinaus könne der Antrag nicht dahingehend verstanden werden, der Betriebsrat wolle die zwischen den Beteiligten generell bestehende Streitfrage über ein Mitbestimmungsrecht bei der Gewährung der Funktionszulage geklärt wissen. Zwar sei es auch möglich einen in der Vergangenheit liegenden Streitfall losgelöst von einem konkreten Ausgangsfall klären zu lassen. Das Gericht führt dazu aber aus, die Maßnahme, für die ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch genommen werde, müsse häufiger im Betrieb auftreten und sich auch künftig jederzeit wiederholen können. Der vom Betriebsrat gestellte Feststellungsantrag könne hingegen nicht als abstraktes Feststellungsbegehren ausgelegt werden. Gegenstand des Verfahrens sei nunmehr lediglich der anhängige konkrete Feststellungsantrag gewesen. Der im erstinstanzlichen Verfahren abstrakte Feststellungsantrag sei zwischenzeitlich nämlich fallengelassen worden.
Hinweise für die Praxis
Führt der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme – wie etwa eine Einstellung oder Versetzung – ohne Zustimmung des Betriebsrates durch, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht die Aufhebung der Maßnahme beantragen (vgl. § 101 Satz 1 BetrVG).
Das BAG weist zutreffend darauf hin, dass der Betriebsrat vorliegend gehalten gewesen wäre, nach § 101 BetrVG vorzugehen. Der Betriebsrat hätte beim Arbeitsgericht die Aufhebung der personellen Maßnahme beantragen können. Aufgrund des Vorrangs der in § 101 BetrVG normierten Rechtschutzmöglichkeiten, war für eine Feststellungsklage kein Raum. Die Möglichkeit des Betriebsrats, auch abstrakte Feststellungsanträge zu stellen – losgelöst von konkreten Einzelfällen – sollten Arbeitgeber dennoch stets im Blick haben.
Ebenso besteht die Gefahr, dass der Betriebsrat bei Nichtaufhebung einer personellen Maßnahme durch den Arbeitgeber, trotz rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung, den Arbeitgeber zur Aufhebung der Maßnahme durch Zwangsgeld anhalten kann (Höchstmaß des Zwangsgeldes = EUR 250,00 pro Tag).