FAQ Coronavirus: Steuern und Bilanzierung, Maßnahmen der Regierung
Veröffentlicht am 24th Mar 2020
Teil 1, Maßnahmen der Regierung
Die Regierung hat zur Unterstützung der Wirtschaft mit dem „Corona Hilfsprogramm“ Maßnahmen beschlossen, um Unternehmen und Beschäftigte, die durch die Auswirkungen des Corona Virus in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, zu unterstützen. Nach Ansicht von Finanzminister Olaf Scholz handelt es sich dabei um „die Bazooka, mit der wir das Notwendige jetzt tun“.
Wir wollen Sie im Folgenden darüber informieren, was diese Ankündigung konkret bedeutet und wie und wo Sie die angekündigten Hilfen beantragen können.
1. Welche Maßnahmen wurden ergriffen bzw. sind geplant?
Der Schutzschild für Beschäftigte und Unternehmen, die von den Auswirkungen des Corona-Virus betroffen sind, umfasst folgende Maßnahmen:
- Kurzarbeitergeld flexibilisieren
- Steuerliche Liquiditätshilfe für Unternehmen
- Milliarden-Hilfsprogramme für Betriebe und Unternehmen
Informationen zu den Maßnahmen beim Kurzarbeitergeld erhalten Sie in den „FAQ Coronavirus und Kurzarbeit“ unserer Kollegen aus dem Arbeitsrecht.
2. Welche steuerlichen Hilfen soll es geben?
Bei den steuerlichen Hilfen setzt die Regierung zunächst auf kurzfristige Maßnahmen im Rahmen der Erhebung, die ohne komplexe gesetzliche Regelungen umgesetzt werden können. Die Erleichterungen betreffen daher bereits festgesetzte Steuern und Steuervorauszahlungen. Das Bundesfinanzministerium hat vorgesehen, dass betroffene Steuerpflichtige
- die Stundung fälliger Steuern sowie die
- Herabsetzung von Vorauszahlungen beantragen können und
- die Erhebung von Säumniszuschlägen und die Vollstreckungen von Steuerschulden ausgesetzt werden.
Da für die Erhebung der Steuern die Länder zuständig sind und noch kein verbindliches BMF-Schreiben vorliegt, ergibt sich zur Umsetzung noch kein einheitliches Bild. Grundsätzlich sind die Finanzämter aber angewiesen, die Anträge auf Stundung oder Herabsetzung von Vorauszahlungen schnell und unkompliziert zu bearbeiten und keine strengen Anforderungen an die Voraussetzung für die Stundung (d.h. die „erhebliche Härte“) zu stellen. Denkbar ist, dass das BMF anordnet, bei finanziellen Notlagen durch Auswirkungen der Coronakrise pauschal von einer erheblichen Härte auszugehen.
Laut Informationen des Bundesministeriums der Finanzen verzichtet die Finanzverwaltung bei Unternehmen, die unmittelbar vom Coronavirus betroffen sind, bis Ende des Jahres 2020 auf Vollstreckungsmaßnahmen und die Erhebung von Säumniszuschlägen.
Auch die Zollverwaltung (z.B. im Bereich Energiesteuer und Luftverkehrsteuer) und das Bundeszentralamt für Steuern (Umsatzsteuer und Versicherungsteuer) sind angewiesen, den Steuerpflichtigen entsprechend entgegen zu kommen.
Einzelheiten sollen noch in einem entsprechenden Schreiben des BMF geregelt werden.
3. Wie erhalte ich eine Stundung oder eine Herabsetzung der Vorauszahlungen?
Das Finanzministerium Bayern hat zur Stundung und Herabsetzung von Vorauszahlungen bei finanziellen Schwierigkeiten auf Grund der Auswirkungen des Coronavirus bereits ein eigenes Formular veröffentlicht:
Soweit in anderen Bundesländern kein eigenes Formular vorhanden ist, können die normalen Formulare für den entsprechenden Antrag genutzt werden. Im Übrigen sollten die Anträge auch formlos gestellt werden können.
4. Muss ich für die Stundung Zinsen zahlen?
Hierzu gibt es noch kein einheitliches Bild. Aber die Finanzministerien Baden-Württemberg und Bayern führen auf Ihren Homepages aus, dass die Stundung ohne die üblichen Stundungszinsen gewährt würde.
5. Kann jeder einen solchen Antrag stellen?
Grundsätzlich können diese Hilfen natürlich nur in Anspruch genommen werden, wenn ein entsprechender Härtefall vorliegt. Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige durch die Auswirkungen des Coronavirus in eine finanzielle Schieflage geraten sein muss und eine reguläre Steuerzahlung für ihn eine erhebliche Härte darstellen würde, weil er z.B. nicht über ausreichende Rücklagen verfügt. Dazu müssen im Antrag die entsprechenden Angaben gemacht werden.
WICHTIG: Wie immer dürfen dabei keine falschen Angaben gemacht werden. Das Finanzministerium Bayern weist in seinem Formular explizit darauf hin, dass unrichtige Angaben strafrechtliche Folgen haben können (Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO und leichtfertige Steuerverkürzung gemäß § 378 AO).
6. Muss ich meine Steuererklärung abgeben?
Auch hierzu gibt es noch keine einheitliche Linie. Aber das bayerische Finanzministerium z.B. hat die Finanzämter angewiesen, bei Anträgen auf eine Fristverlängerung zur Abgabe der Steuererklärung wegen Corona großzügig und möglichst unbürokratisch zu verfahren.
7. Wie wird das sonstige Hilfsprogramm umgesetzt?
Über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) soll die kurzfristige Versorgung von Unternehmen mit Liquidität sichergestellt werden. Dazu wird die KfW die Zugangsbedingungen und Konditionen für ihre bereits bestehenden Kreditangebote für Unternehmen, Selbständige und Freiberufler erleichtern.
Nach Angaben der KfW gilt dies für den KfW-Unternehmerkredit und den KfW-Kredit für Wachstum, die von Unternehmen in Anspruch genommen werden können, die länger als 5 Jahre am Markt sind, sowie für den ERP-Gründerkredit – Universell für junge Unternehmen, die weniger als fünf Jahre am Markt sind.
Die KfW erhöht dabei zum einen die Haftungsfreistellung gegenüber der kreditvergebenden Bank (z.B. beim Unternehmerkredit von 50% auf 80%) und öffnet den Kreis der Unternehmen, die eine Haftungsfreistellung erhalten können (z.B. beim Unternehmerkredit auf Großunternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu EUR 2 Mrd.).
Daneben wird die KfW jeweils ein Sonderprogramm für kleine, mittlere und große Unternehmen vorbereiten und schnellstmöglich einführen. Dabei soll die Risikoübernahme bei Investitionsmitteln, also die Haftungsübernahme der KfW, deutlich verbessert werden. Bei Betriebsmitteln soll sie 80% und bei Investitionen sogar bis zu 90% betragen.
Außerdem soll die KfW für Unternehmen, die krisenbedingt vorübergehend in Finanzierungsschwierigkeiten geraten sind, konsortiale Strukturen anbieten.
Daneben helfen die Bürgschaftsbanken der Länder bei Finanzierungsbedarf durch die Corona-Krise. Die Bürgschaftsbank NRW hat auf Ihrer Homepage bereits detaillierte Handlungsempfehlungen für Unternehmen dargestellt:
8. Wo kann ich die Hilfen der KfW beantragen?
Der Antrag ist nicht unmittelbar bei der KfW zu stellen, sondern über die normale Hausbank. Alternativ kann der Antrag über einen der Finanzierungspartner gestellt werden, also Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken und Geschäftsbanken.
Die Entscheidung über die Erteilung der Finanzierung liegt damit immer noch bei dem finanzierenden Kreditinstitut. Die KfW nimmt diesem nur einen (großen) Teil des Finanzierungsrisikos ab.
9. Sonstige Maßnahmen
Teilweise ergreifen die Bundesländer und die jeweiligen Förderbanken in den Bundesländern weitere Maßnahmen, um Unternehmen, Selbständige und Freiberufler zu unterstützen.
So weist die Hansestadt Hamburg darauf hin, dass Mietzahlungen für städtische Immobilien auf Antrag bei dem jeweiligen Vermieter vorerst bis zu drei Monate gestundet werden können.
Die bayerische Staatsregierung hat für Betriebe und Freiberufler ein Soforthilfeprogramm eingerichtet. Bei Liquiditätsengpässen kann ein Antrag auf die Soforthilfe gestellt werden, die von EUR 5.000,00 bei bis zu 5 Erwerbstätigen bis EUR 30.000,00 bei bis zu 250 Erwerbstätigen reicht. Informationen und das Antragsformular finden sich auf der Homepage des bayerischen Wirtschaftsministeriums.
Die Stadt Berlin öffnet den Liquiditätsfond der Investitionsbank Berlin (IBB) neben dem produzierenden Gewerbe auch für Tourismus, Hotellerie, Gaststätten, Einzelhandel, Clubs und Restaurants.
Es rentiert sich daher, die offiziellen Mitteilungen auf den Webseiten der Ministerien und Behörden sowie bei der KfW, den Förderbanken in den Bundesländern und den Bürgschaftsbanken der Länder zu studieren und sich laufend über die Hilfsangebote zu informieren.
Teil 2, Auswirkungen auf die Rechnungslegung und die Bilanz
Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus haben auch Folgen für die Rechnungslegung sowie auf die Prüfung der Abschlüsse und Lageberichte der betroffenen Unternehmen bzw. Konzerne. Da die weitere Entwicklung im Detail nicht abzusehen ist, ist eine ständige Überprüfung der vorhandenen Informationen sowie ihrer möglichen Auswirkungen durch die für die Aufstellung von Abschluss und Lagebericht zuständigen Unternehmensorgane sowie durch deren Abschlussprüfer erforderlich.
1. Können Rückstellungen in der Handelsbilanz gebildet werden?
§ 249 HGB bestimmt abschließend, für welche Zwecke Rückstellungen passiviert werden müssen. Liegen die Voraussetzungen vor, müssen Rückstellungen passiviert werden. Es existiert kein Wahlrecht. Nach dem Gesetz sind in der Handelsbilanz Rückstellungen auszuweisen für
- ungewisse Verbindlichkeiten,
- drohende Verluste aus schwebenden Geschäften,
- im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltungen, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von 3 Monaten nachgeholt werden,
- Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtungen erbracht werden.
Für andere Zwecke sind Rückstellungen unzulässig.
Aufgrund der aktuellen Entwicklung kommt eine Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten in Betracht. Voraussetzung ist jedoch, dass eine hinreichend konkretisierte Verbindlichkeit besteht, und zwar gegenüber Dritten oder aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung.
Sofern aufgrund behördlicher Anordnungen etwa zur Schließung von Betrieben unmittelbare Kosten und Aufwendungen entstehen, können in Höhe der voraussichtlichen Kosten Rückstellungen gebildet werden.
Gleiches gilt für Verpflichtungen gegenüber Vertragspartnern. Können Verträge nicht erfüllt werden, kommen je nach Ausgestaltung der getroffenen Vereinbarungen Schadenersatzverpflichtungen oder Konventionalstrafen in Betracht. Hier kann eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten oder auch eine Drohverlustrückstellung aus schwebenden Geschäften gebildet werden. Gleiches gilt für Verzugszinsen, die geleistet werden müssen, sofern Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten nicht oder nicht vollständig bezahlt werden können. Eine Drohverlustrückstellung kommt auch in Betracht, wenn angemietete Räumlichkeiten aufgrund behördlicher Anordnungen nicht mehr genutzt werden können, die Mieten jedoch weiter gezahlt werden müssen.
2. Können Waren, die aufgrund der Corona Krise nicht mehr abgesetzt werden können, im Wert berichtigt werden?
In der Handelsbilanz gilt für das Umlaufvermögen das sog. strenge Niederstwertprinzip. Waren und Vorräte müssen daher zum aktuellen Börsen- oder Marktpreis angesetzt werden. Handelt es sich etwa verderbliche Ware, die aufgrund einer Betriebsschließung nicht mehr verkauft oder verarbeitet werden kann, ist eine Abschreibung auf EUR 0,- vorzunehmen.
3. Gelten die Grundsätze auch für die Steuerbilanz?
Rückstellungen für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen sind auch steuerlich zu bilden, wenn sie am Bilanzstichtag hinreichend konkretisiert sind, bei einer Verletzung eine Sanktion vorsehen und entweder dem Grunde nach entstanden oder wirtschaftlich im Jahr der Bildung der Rückstellung verursacht wurden.
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gegenüber Geschäftspartnern sind nur eingeschränkt nach den Vorgaben des § 5 EStG zulässig. Eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften ist steuerlich vollkommen ausgeschlossen.
Eine Abwertung von Vorräten und Waren kann steuerlich dann erfolgen, wenn der sog. Teilwert, also der Wert, der bei einem gedachten Verkauf des gesamten Unternehmens anteilig auf die Vorräte und Waren entfällt, dauerhaft niedriger ist, als die ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Das ist offensichtlich bei verderblicher Ware, die nicht mehr verkauft werden kann. Bei anderen Waren und Vorräten muss im Einzelfall geschaut werden, ob tatsächlich die Wertminderung dauerhaft ist. Wichtig ist vor allem eine sorgfältige Dokumentation, warum dauerhaft ein niedrigere Wert vorliegt, da der Fiskus voraussichtlich einen Nachweis verlangt.
4. Kann ich eine Rückstellung oder Wertberichtigung wegen Corona bereits im Jahresabschluss 2019 vornehmen?
Wohl nicht. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat hierzu bereits eine Stellungahme unter dem Titel „Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung zum Stichtag 31.12.2019 und deren Prüfung“ veröffentlicht. Das IDW ordnet die Erkenntnisse zum Coronavirus als wertaufhellend ein. Dies bedeutet, dass die Ursachen, auch wenn erste Anzeichen für bilanziell relevante Auswirkungen bereits im Dezember 2019 bekannt waren, erst nach dem 31. Dezember 2019 tatsächlich eingetreten sind. Aufgrund des Stichtagsprinzips dürfen daher Rückstellungen und Bewertungskorrekturen erst bei Jahresabschlüssen vorgenommen werden, die nach dem 31. Dezember 2019 enden. Das aktuelle Schreiben des IDW finden Sie unter
Sofern Ihr Unternehmen von erheblichen Belastungen betroffen ist, die eine Rückstellung zulassen oder eine Abschreibung des Umlaufvermögens erfordern, sollten Sie prüfen, ob Sie das Wirtschaftsjahr umstellen und für 2020 ein Rumpfwirtschaftsjahr begründen, das zum Beispiel am 31. Mai 2020 endet. Die Umstellung des Wirtschaftsjahres bedarf der Zustimmung der Finanzverwaltung. Eine Zustimmung wird nur dann verweigert, wenn die Umstellung ausschließlich aus steuerlichen Gründen erfolgt, beispielsweise weil eine Steuerpause erreicht werden soll. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn einleuchtende, ernsthafte, wirtschaftliche Gründe für die Umstellung vorliegen. Im Fall einer wirtschaftlichen Krise des Unternehmens kann die Umstellung z.B. mit einer notwendigen Reorganisation des Geschäftsbetriebs begründet werden.