Europäische Crowdfunding-Regulierung ante portas?!
Veröffentlicht am 11th Jan 2018
Nachdem sich die Europäische Kommission (EU-Kommission) in der Vergangenheit dafür ausgesprochen hatte, die Crowdfunding-Regulierung den einzelnen Mitgliedstaaten der EU zu überlassen, scheint eine einheitliche europäische Regulierung nun doch in greifbarer Nähe.
Am 30. Oktober 2017 veröffentlichte die Generaldirektion der EU-Kommission für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion (DG FISMA), ein sog. Inception Impact Assessment (abrufbar hier), in dem sie vier mögliche Handlungsoptionen zur zukünftigen Behandlung von Crowdfunding vorstellte, darunter auch eine teilweise oder vollständige Crowdfunding-Harmonisierung innerhalb der EU.
Für Crowdfunding-Plattformen könnte dies erhebliche Auswirkgen mit sich bringen. Zum einen könnte dies grenzüberschreitendes Crowdfunding erheblich erleichtern. Zum anderen könnte ein „Zwang“ zu europäischer Regulierung kleine und mittlere, eher lokal bzw. national ausgerichtete Crowdfunding-Beteiligte aufgrund höheren Aufwands von Crowdfunding (zukünftig) abschrecken. Die EU-Kommission steht vor einem Balanceakt in Sachen EU-weiter Crowdfunding-Regulierung!
Hintergrund
Tatsächlich ist die Diskussion um eine europaweite Regulierung von Crowdfunding nicht neu. Seit Jahren fordern die Interessenvertreter des Crowdfunding-Marktes, Start-ups sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) den Zugang zum Kapitalmarkt über eine einheitliche Regulierung zu erleichtern. Die EU-Kommission hatte bislang jedoch selbst keinen Handlungsbedarf auf europäischer Ebene gesehen. Im Gegenteil. Noch am 5. Mai 2016 veröffentlichte sie im Rahmen des Aktionsplans zur Schaffung einer Kapitalmarktunion – einem zentralen Projekt der Kommission zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung in Europa, das bis zum Ablauf des Jahres 2019 umgesetzt werden soll – einen Bericht, demzufolge sie bloße Hilfestellung bei der Entwicklung nationaler Vorschriften leisten wolle. Aufgrund der lokalen Natur von bisherigem Crowdfunding sei eine europaweite Regulierung nicht indiziert. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits einige Mitgliedstaaten eigene nationale Regelungen zur Regulierung von Crowdfunding erlassen oder waren dabei dies zu tun. Auch in Deutschland wurde mit dem Kleinanlegerschutzgesetz (KASG), das im Juli 2015 in Kraft getreten ist, eine Crowdfunding-Regulierung eingeführt, die für Schwarmfinanzierungen unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme (insbesondere) von einer Prospektpflicht im VermAnlG vorsieht.
Anlass dafür, einen einheitlichen europäischen Rechtsrahmen zu schaffen, sah die EU-Kommission jedoch bisher nicht. Sie erklärte vielmehr, die Entwicklungen in den Mitgliedstaaten abwarten zu wollen. Der Crowdfunding-Markt wurde seitdem einem engmaschigen, halbjährlichen Monitoring durch die EU-Kommission unterzogen, um ggf. zukünftig regulatorisch tätig werden zu können. Dieser Moment scheint nun gekommen zu sein.
Bedarf einer europäischen Crowdfunding-Regulierung
Zur Grundlage des Impact Assessments hatte die DG FISMA vier Studien zur Crowdfunding-Regulierung in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse sie insbesondere mit Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Entwicklungen des Crowdfunding-Marktes und vorhandener Geschäftsmodelle ausgewertet hatte. Zu den Studien gehört u.a. der sog. „FISMA-Report“ mit dem Titel: “Identifying market und regulatory obstacles to the cross border development of crowdfunding in the EU”, den die Verfasser rechtlich begleiteten. Im Schwerpunkt beschäftigt sich dieser mit möglichen (u. a. regulatorischen) Hindernissen für grenzüberschreitendes Crowdfunding. Der FISMA-Report wird Anfang 2018 erscheinen.
Auf Grundlage dieser Studien identifizierte die DG FISMA zwei wesentliche Problemfelder
- eine zunehmende Marktfragmentierung durch einen Flickenteppich an nationalen Crowdfunding-Regulierungen in den einzelnen Mitgliedstaaten und dadurch fehlende grenzüberschreitende Investitionen, und
- fehlende Zuverlässigkeit von Crowdfunding- und Peer-to-Peer Lending-Plattformen mangels ausreichender Risikomechanismen.
Tatsächlich scheinen grenzüberschreitende Investitionen über Crowdfunding wenig zu existieren. Zu groß sind die Barrieren, die durch die unterschiedlichen Anforderungen auf nationaler Ebene bei Überschreiten der Grenze zu beachten sind, und infolge einer uneinheitlichen Umsetzung von europäischen Richtlinien bestehen. Dies erscheint nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen führt, dass selbst für den Begriff des Crowdfundings keine einheitliche EU-weite Definition zu existieren scheint.
Handlungsoptionen
DG FISMA hat im Ergebnis ihrer Marktanalyse die folgenden vier Handlungsoptionen für die EU-Kommission entwickelt, zu denen die Interessenvertreter des Crowdfunding-Marktes bis Ende November 2017 Stellung beziehen konnten:
- Option 1 – Baseline Szenario
Nach der ersten Option soll weiterhin von einer einheitlichen europäischen Regulierung abgesehen werden. Die EU-Kommission würde vielmehr wie bisher zwei Mal jährlich Dialoge zwischen den europäischen Aufsichtsbehörden, den Mitgliedstaaten und dem Crowdfunding-Sektor durchführen.
- Option 2 – Festlegung von Mindeststandards durch die EU
Alternativ wird vorgeschlagen, dass die Kommission unverbindliche Empfehlungen für die Ausgestaltung nationaler Crowdfunding-Regelungen herausgeben wird, die gewisse Mindeststandards beinhalten sollen. Bereits bestehende nationale Regulierungen sollen dabei mit berücksichtigt werden.
- Option 3 – einheitliche EU-Regulierung
Die dritte Option sieht eine vollständige europäische Regulierung vor. Sämtliche Crowdfunding-Plattformen müssten dann ähnlich wie Zahlungsinstitute oder regulierte Handelsplätze vor Ausübung ihrer Tätigkeiten eine Erlaubnis nach europäischen Anforderungen beantragen. Diese Erlaubnis würde dann über einen „Passport“ auch das grenzüberschreitende Tätigwerden in anderen Mitgliedstaaten ermöglichen. Transparenz und weitere Anforderungen an die Crowdfunding-Plattformen sollen einen ausreichenden Schutz der Investoren und die Integrität des Crowdfunding Sektors sicherstellen.
- Option 4 – Opt-in Lösung
Nach der vierten Option soll zusätzlich zu den bereits bestehenden nationalen Regelungen ein eigenständiges europäisches Regime geschaffen werden, welches grenzüberschreitende Investitionen ermöglichen soll. Crowdfunding-Plattformen sollen sich dem europäischen Regime freiwillig unterwerfen können („Opt-in“), wenn sie beabsichtigen, grenzüberschreitend im europäischen Markt tätig zu werden. Einheitliche Erlaubnisanforderungen sollen den Plattformen die Möglichkeit bieten, über einen „Passport“ unmittelbar in anderen Mitgliedstaaten tätig zu werden, ohne sich jeweils an die nationalen Anforderungen anpassen zu müssen. Durch eine damit einhergehende geschaffene Transparenz soll zudem das Vertrauen der Branche gestärkt werden.
Laut internen Kreisen der DG FISMA sind die letzten beiden Optionen innerhalb der EU-Kommission favorisiert. Auch den veröffentlichten Stellungnahmen zu dem Impact Assessment (wie auch dem Impact Assessment selbst) lässt sich eine klare Befürwortung für die Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsrahmens erkennen.
Anhand der aktuellen Entwicklung nationaler Crowdfunding-Regulierungen liegt die Befürchtung nahe, eine vollumfängliche Harmonisierung im Bereich des Crowdfunding –wie in Option 3 vorgesehen – könnte das Marktgeschehen in erheblichem Maße einschränken oder sogar vollständig lahm legen. Geschäftsmodelle, die den besonderen nationalen Regulierungsanforderungen angepasst wurden, müssten im Zweifel aufgrund neuer europäischer Regelungen vollständig umstrukturiert werden.
Vorteilhaft und empfehlenswert wäre es daher, mit Option 4 eine praktikable und umsetzbare Lösung zu finden. Die nationale Crowdfunding-Regulierung der jeweiligen Mitgliedstaaten würde dabei um eine freiwillige europäische Option erweitert werden und dadurch einen grenzüberschreitenden Markt für Crowdfunding ermöglichen. Die Einführung eines einheitlichen europäischen Erlaubnisverfahrens und einheitlicher Transparenzanforderungen könnte zu einer erheblichen Reduzierung von Kosten und Aufwand sämtlicher Marktteilnehmer führen. Crowdfunding-Plattformen wären zukünftig nicht mehr gezwungen, ihre Geschäftsmodelle den zusätzlichen Anforderungen eines anderen Mitgliedstaates anzupassen, wenn sie beabsichtigen, grenzüberschreitende Investitionen anzubieten.
Auf der anderen Seite wäre weiterhin rein nationales Crowdfunding unter nationalen (Crowdfunding-)Regularien – wie bisher – möglich. Crowdfunding-Plattformen, die nicht grenzüberschreitend tätig werden wollen / können, würden ihr gewohntes regulatorisches Umfeld beibehalten können. Ein Umstellungsaufwand für diese Teile der Crowdfunding-Branche entfiele.
Sollte sich die EU-Kommission für Option 4 entscheiden, wäre ein erster Weg zu alternativen Finanzierungsformen durch Crowdfunding über die Grenzen der einzelnen Mitgliedsstaaten hinaus geebnet. Nicht auszuschließen ist zudem, dass durch die Schaffung eines freiwilligen europäischen Regimes langfristig eine Annährung auch der übrigen Regulierung durch die Mitgliedstaaten erreicht werden kann.
Ausblick
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die EU-Kommission dem Wunsch der Vereinheitlichung einer Crowdfunding-Regulierung auf europäischer Ebene nachkommen wird. Nachdem die Frist zur Stellungnahme der Interessenvertreter für das Impact Assessment der DG FISMA Ende November abgelaufen ist, sollen bereits im ersten Quartal 2018 konkrete Maßnahmen durch die EU-Kommission für eine zukünftige Vorgehensweise bekanntgegeben werden.