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EU-Parlament verabschiedet strengere Vorgaben für umwelt- und nachhaltigkeitsbezogene Werbung

Veröffentlicht am 23rd Jan 2024

Strengere EU-Vorgaben an umwelt- und nachhaltigkeitsbezogene Werbung verabschiedet: EU-Parlament nimmt die „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ an.

People in a meeting and close up of a gavel
Update: Am 28. Februar 2024 wurde die „EmpCo-Richtlinie“ offiziell vom Rat angenommen und am 6. März 2024 im Amtsblatt veröffentlicht. Dies bedeutet, dass die Richtlinie am 26. März 2024 in Kraft treten wird. Bis zum 27. März 2026 müssen alle EU-Mitgliedstaaten die Richtlinie in ihr nationales Recht umsetzen. Die Unternehmen haben bis zum 27. September 2026 weitere sechs Monate Zeit, um sich auf die neuen Vorschriften einzustellen.

Am 17. Januar 2024 hat das EU-Parlament die „Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen“ angenommen (der Richtlinientext findet sich hier). Aufgrund ihrer englischen Bezeichnung „Directive on empowering consumers for the green transition (…)“ wird sie häufig – und auch in diesem Beitrag – als „EmpCo-Richtlinie“ abgekürzt. 

Die EmpCo-Richtlinie basiert auf einem Vorschlag der EU-Kommission aus dem Frühjahr 2022 und stellt einen Baustein des europäischen „Green Deals“ dar. Im September 2023 hatten sich Vertreter des Rates der Europäischen Union und des EU-Parlamentes unter Vermittlung von Vertretern der EU-Kommission im sog. „Trilog-Verfahren“ bereits vorläufig über den Text der EmpCo-Richtlinie geeinigt. Der Rat hatte in diesem Zuge bereits angekündigt, den dann durch das EU-Parlament verabschiedeten Text auch förmlich anzunehmen.

Einige Änderungen der für das Wettbewerbsrecht maßgeblichen UGP-Richtlinie

Die EmpCo-Richtlinie bezweckt die Änderung von zwei bestehenden Richtlinien, zum einen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG, kurz: „UGP-Richtlinie“) und zum anderen der Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU). Dieser Beitrag legt den Fokus auf die Änderungen der erstgenannten Richtlinie – mit denen Neuerungen zu Vorgaben an Werbung im Zusammenhang mit „Green Claims“ aber auch sogenannten „Social Claims“ vorgenommen werden. Nachfolgend stellen wir wesentliche Aspekte dar:

Einführung neuer Definitionen zu Green Claims durch die EmpCo-Richtlinie 

Eingeführt werden Definitionen für „Umweltaussagen“, „allgemeine Umweltaussagen“, „Nachhaltigkeitssiegeln“ und „Zertifizierungssysteme“, die erstmals zum Gegenstand des Definitionskataloges der UGP-Richtlinie gemacht werden.

  • Die EmpCo-Richtlinie befasst sich dabei vornehmlich mit allgemeinen Umweltaussagen. Dabei handelt es sich um Umweltaussagen, die schriftlich, mündlich oder auch durch audiovisuelle Medien (z.B. im Fernsehen oder in Streamingdiensten) getroffen werden, die nicht auf einem sogenannten Nachhaltigkeitssiegel enthalten sind (dazu gleich), und bei der die „Spezifizierung der Aussage“ nicht auf demselben Medium klar und in hervorgehobener Weise angegeben ist (z.B. im jeweiligen Werbespot, der Produktverpackung oder der Online-Verkaufsoberfläche). 

    In den Erwägungsgründen der EmpCo-Richtlinie werden beispielhaft die Begriffe „umweltfreundlich“, „grün“, „ökologisch“, „klimafreundlich“, „energieeffizient“ „biologisch abbaubar“ oder „biobasiert“ genannt. Konkret bedeutet das: Steht etwa auf einem Müllbeutel lediglich „biologisch abbaubar“, handelt es sich um eine allgemeine Aussage, die zukünftig besonders strengen Regelungen unterliegt. Dagegen wäre eine Aussage wie „die Verpackung ist im Falle der Eigenkompostierung innerhalb eines Monats biologisch abbaubar“ spezifisch und unterliegt damit wiederum anderen Vorgaben.
     
  • Bei den ebenfalls von der EmpCo-Richtlinie in den Fokus genommenen „Nachhaltigkeitssiegeln“ werden nicht nur umweltbezogene Aspekte erfasst, sondern auch soziale Merkmale. Ein Nachhaltigkeitssiegel ist demnach ein freiwilliges öffentliches oder privates Vertrauenssiegel, Gütezeichen oder Ähnliches, mit dem Ziel, ein Produkt, ein Verfahren oder ein Unternehmen in Bezug auf seine ökologischen oder sozialen Aspekte oder beides hervorzuheben oder zu fördern. (Nicht erfasst werden allerdings verpflichtende Kennzeichnungen, die nach Unionsrecht oder nationalem Recht vorgeschrieben sind).

Wesentliche Ergänzungen der irreführenden Geschäftspraktiken 

Die in der UGP-Richtlinie vorgesehenen Geschäftspraktiken, die als irreführend gelten, weil ein Unternehmen z.B. durch seine Werbung über für den Verbraucher und seine geschäftliche Entscheidung wesentliche Merkmale eines Produktes täuscht, werden in Bezug auf Umwelt- und Nachhaltigkeitswerbung bzw. „Social Claims“ wie folgt ergänzt (nicht abschließende Aufzählung):  

Art. 6 Abs. 1 (b) UGP-Richtlinie: 

Zu den wesentlichen Merkmalen eines Produkts, über die nicht irregeführt werden darf, gehören nunmehr ausdrücklich auch ökologische oder soziale Merkmale oder Aspekte der Kreislaufwirtschaft („Zirkularitätsaspekte“), wie etwa deren Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit. 

Unter sozialen Merkmalen sollen laut den Erwägungsründen der EmpCo-Richtlinie in Zusammenhang mit der Werbung für ein Produkt etwa die Qualität und Fairness der Arbeitsbedingungen (wie angemessene Löhne, Sozialschutz, Arbeitssicherheit) oder auch die Achtung von Menschenrechten, Gleichstellung der Geschlechter, Inklusion und Vielfalt oder auch Tierschutz verstanden werden. Der EU-Gesetzgeber möchte damit also nicht nur Greenwashing, sondern auch sog. „Social Washing“ unterbinden. Unter letzterem wird eine Strategie verstanden, mit der sich Unternehmen sozialer gerieren, als sie sind. 

Art. 6 Abs. 2 (d) UGP-Richtlinie: 

Zu den irreführenden Geschäftspraktiken gehört nunmehr auch das Treffen einer Umweltaussage über die künftige Umweltleistung ohne dass das Unternehmen „klare, objektive, öffentlich einsehbare und überprüfbare Verpflichtungen“ getroffen hat. Diese müssen zudem in einem „detaillierten und realistischen Durchführungsplan“ festgehalten sein, der u.a. „messbare und zeitgebundene Ziele“ enthalten und durch unabhängige externe Sachverständige regelmäßig überprüft werden muss. Die Ergebnisse muss das Unternehmen zudem veröffentlichen. Damit möchte der EU-Gesetzgeber dafür sorgen, dass in die Zukunft gerichtete Claims wie „klimaneutral bis 2050“ nachprüfbar werden. 

Art. 7 Abs. 7 UGP-Richtlinie: 

In der Konstellation, dass ein Gewerbetreibender einen Service anbietet, mit dem er Produkte vergleicht und Verbrauchern Informationen zur Verfügung stellt über ökologische oder soziale Merkmale oder Aspekte der Kreislaufwirtschaft („Zirkularitätsaspekte“), wie Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit der Produkte oder der Lieferanten dieser Produkte, gelten nunmehr Informationen über die Vergleichsmethode, die betreffenden Produkte und die Lieferanten dieser Produkte sowie die bestehenden Maßnahmen, um die Informationen auf dem neuesten Stand zu halten, als wesentliche Informationen (im Sinne des Art. 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie). Über all diese Aspekte darf nun auch nicht irregeführt werden. 

Wichtig: Neue Tatbestände in der „schwarzen Liste“ der per se untersagten Geschäftspraktiken

Besonders bedeutsam sind die neu aufgenommenen Tatbestände in der sogenannten „schwarzen Liste“ (Annex I zur UGP-Richtlinie). Die dort erfassten Geschäftspraktiken gelten zukünftig unter allen Umständen als unlauter, einer Einzelfallprüfung durch das Gericht bedarf es also nicht:

  • Unzulässig ist das Anbringen eines Nachhaltigkeitssiegels, das nicht auf einem Zertifizierungssystem beruht oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurde. 

    Unter einem solchen „Zertifizierungssystem“ versteht der EU-Gesetzgeber ein System der Überprüfung durch Dritte, das bescheinigen soll, dass ein Produkt, ein Verfahren oder ein Unternehmen bestimmte Anforderungen einhält und den Gebrauch des jeweiligen Nachhaltigkeitssiegels zulässt. Dabei muss auch das Zertifizierungssystem selbst verschiedene, in der EmpCo-Richtlinie aufgezählte Anforderungen erfüllen. Eine der wichtigsten ist dabei wohl die Vorgabe, dass die Überwachung der Einhaltung der jeweiligen Anforderungen durch das Unternehmen von einer Drittpartei durchgeführt werden muss, die sowohl von dem Unternehmen als auch dem Inhaber des Zertifizierungssystems unabhängig ist. 

    Für die Zukunft bedeutet das, dass durch das Unternehmen selbst entwickelte „Umweltlabel“ oder Siegel, die auf soziale Aspekte hinweisen, von vornherein unzulässig sind. Darüber hinaus gilt das auch für solche Nachhaltigkeitssiegel, die nicht den weiteren strengen Anforderungen an Zertifizierungssysteme genügen, insbesondere nicht drittgeprüft sind. 

  • Untersagt ist nunmehr auch das Treffen einer allgemeinen Umweltaussage, bei der das Unternehmen für die anerkannte hervorragende Umweltleistung, auf die sich die Aussage bezieht, keine Nachweise erbringen kann. 

    Unter einer „anerkannten hervorragenden Umweltleistung“ versteht der EU-Gesetzgeber etwa die Einhaltung der Anforderungen des EU-Umweltzeichen (EU Ecolabel) oder die Erbringung von Umwelthöchstleistungen für einen bestimmten Umweltaspekt nach anderem gültigen Unionsrecht. Insoweit ist interessant, dass selbst, wenn sich allgemeine Aussagen wie „nachhaltig“ oder „verantwortungsvoll“ auf anerkannte hervorragende Umweltleistungen stützen, diese unzulässig sind, wenn nicht auch zugleich andere soziale Aspekte mitabgedeckt sind. 
     
  • Erfasst wird nun auch das bislang häufig zu beobachtende Phänomen, dass eine Umweltaussage zum gesamten Produkt oder zum gesamten Unternehmen getroffen wird, wenn sie sich tatsächlich nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts oder eine bestimmte Aktivität des Unternehmens bezieht. Auch diese Geschäftspraxis gilt zukünftig als per se unlauter.
     
  • Erst später eingefügt wurde eine Vorgabe, die in einigen Mitgliedstaaten eine deutliche Verschärfung der bisherigen Spruchpraxis der Gerichte darstellen dürfte. Als per se unlauter werden zukünftig nämlich Aussagen gesehen, wonach ein Produkt neutrale, reduzierte oder positive Umweltauswirkungen in Bezug auf Treibhausgasemissionen hat – wenn die Aussage auf der Kompensation von Treibhausgasemissionen basiert. Der Unionsgesetzgeber nennt als Beispiele Claims wie „klimaneutral“, „CO2 neutral zertifiziert“, „reduzierter CO2-Fußabdruck“. Diese sind zukünftig nur dann zulässig, wenn sie sich auf tatsächliche Auswirkungen auf den Produktlebenszyklus beziehen und nicht auf eine Treibhausgas-Kompensation außerhalb der Wertschöpfungskette des jeweiligen Produkts.

Weiterer Zeitplan – ab Mitte 2026 ist mit Anwendbarkeit zu rechnen 

Die Mitgliedstaaten haben 24 Monate Zeit, die EmpCo-Richtlinie nach ihrem Inkrafttreten umzusetzen. In Deutschland wird dies voraussichtlich durch eine erneute Anpassung des UWG erfolgen. Nach dem Ablauf dieser Umsetzungsfrist haben Unternehmen noch weitere sechs Monate Zeit, sich auf die neuen Regelungen einzustellen. Anwendbar werden die neuen Vorgaben also voraussichtlich ab dem dritten Quartal 2026 sein.

Zusammenspiel mit der Green-Claims-Richtlinie? 

Nachdem nun die EmpCo-Richtlinie verabschiedet worden ist, rückt der Entwurf der „Richtlinie über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation“ in den Vordergrund (2023/0085 (COD), kurz: „Green Claims-Richtlinie“, siehe dazu unseren Beitrag vom 28. März 2023 hier).  Über diese wird derzeit noch in den zuständigen Ausschüssen des EU-Parlamentes und Vorbereitungsgremien des Rates verhandelt. Begrüßenswert wäre, dass der bisher vorliegende Vorschlag der EU-Kommission noch stärker an die jüngst verabschiedeten Regelungen der EmpCo-Richtlinie angepasst wird.

Änderung der deutschen Rechtsprechung 

Mit Umsetzung der EmpCo-Richtlinie in das UWG werden deutschen Gerichten genauere Maßgaben an die Hand gegeben, um zu beurteilen, ob ein Fall unlauterer umweltbezogener Werbung gegeben ist. Zugleich rückt auch die auf soziale Kriterien bezogene „Nachhaltigkeitswerbung“ bzw. Werbung mit „Social Claims“ in den Fokus. Auch die Aufnahme bestimmter „Greenwashing“-Tatbestande in die schwarze Liste – also den Katalog an Geschäftspraktiken, bei denen immer von Unlauterkeit auszugehen ist – wird voraussichtlich dafür sorgen, dass Gerichte in bisherigen Zweifelsfällen nunmehr von unlauterer Werbung ausgehen werden.

Bereits jetzt haben etwa das Landgericht Karlsruhe (Urt. v. 26.07.2023 – Az: 13 O 46/22 KfH) und das Landgericht Berlin (Urt. v. 19.09.2023, Az: 102 O 15/23) entschieden, dass die Unterstützung bestimmter Waldschutzprojekte keine taugliche Kompensationsmaßnahme darstelle, die eine Werbung mit Claims wie „klimaneutral“ oder mit der Kompensation von CO2-Emissionen ermögliche. Zukünftig wird dieses Rechtsverständnis ausdrücklich von der EmpCo-Richtlinie gestützt. Die bisherige strenge Linie der deutschen Gerichte wird damit auf EU-Ebene bestätigt.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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