The Built Environment

ESG bei Real-Estate-Transaktionen mit besonderem Blick auf die Due Diligence

Veröffentlicht am 1st Mar 2022

Spätestens seit dem UNO-Gipfel in New York (Verabschiedung der 17 Social Development Goals, kurz SDGs) sowie dem Pariser Abkommen (1,5°- bzw. 2°C-Ziel) im Jahr 2015 ist der seit Beginn der 90er Jahre aufstrebende Trend einer möglichst gleichberechtig­ten Förderung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten (ESG) in allen Wirtschaftszweigen angekommen. Diese Entwicklung wird zusätzlich vom Gesetz­geber auf nationaler und internationaler Ebene vorangetrieben, jüngst zum Beispiel durch Erlass des Liefer­kettengesetzes oder der EU-Taxonomie-Verordnung von 2020, die den Klimaschutz sowie weitere Umwelt­schutzziele wie den Schutz der Wasser- und Meeres­ressourcen oder der Biodiversität und der Ökosysteme forciert. Es ist zu erwarten, dass weitere gesetzliche Vorgaben folgen werden.

Three apartment buildings with balconies

Bedenkt man nun, dass nach Schätzungen bis zu 40% des weltweiten Kohlendioxidausstoßes auf die Er­rich­tung und Bewirtschaftung von Immobilien und ferner die Hälfte des gesamten Energie- und Rohstoff­ver­brauchs sowie ein Drittel des gesamten Wasser­verbrauchs und Abfallaufkommens auf die Bau- und Immobilienwirtschaft zurückzuführen sind1, verwun­dert es nicht, dass die deutsche Immobilienwirtschaft und deren Marktteilnehmer zügig auf den ESG-Trend reagierten. So wurde im Jahr 2020/2021 von ECORE – einem Zusammenschluss aus dem „Who is Who“ der deutschen Immobilienbranche – ein ESG-Scoring-Modell für Immobilienportfolios entwickelt. Im gleichen Jahr hat die DGNB – der Platzhirsch für die Nachhaltig­keitszertifizierung von Gebäuden und Quartieren in Deutschland – mit weiteren Partnern der Climate Positive Europe Alliance (CPEA) ein eigenes ESG-Verifikationssystem zur EU-Taxonomie für Immobilien vorgestellt. Das Thema ESG beschränkt sich im Immobiliensektor aber nicht nur auf die Aufstellung von entsprechenden Richtlinien, sondern hat auch einen immer stärker werdenden Einfluss auf den Immobilien­markt und damit auch auf Transaktionen.

Die Erwartung ist hoch, der Impact ist groß. Es wäre kaum vorstellbar, dass heute Anlage-, Investment- oder Finanzierungsentscheidungen im professionellen beziehungsweise institutionellen Bereich ohne ESG-Über­legungen getroffen werden. Investment- und Asset-­Manager, die zukünftig noch wettbewerbsfähig bleiben wollen, haben ihre Prozesse, Investmententscheidun­gen sowie Asset-Management-Strategien bereits fundamental auf Nachhaltigkeits- und ESG-Kriterien ausgerichtet. Obwohl der Schwerpunkt aktuell meist noch auf der energetischen Nachhaltigkeit der Immobilien­­in­vest­ments liegt, wird inzwischen zunehmend auch den Faktoren „Social“ und „Governance“ eine stärkere Rolle zugewiesen.

Im folgenden Beitrag werden einige ausgewählte As­pekte des zunehmenden Einflusses der ESG-Trans­formation auf die Immobilientransaktion beleuchtet. Obgleich ESG schon heute eine große Bedeutung in sämtlichen Phasen der Immobilientransaktion einnimmt, ergeben sich, angefangen beim Auswahlpro­zess, je nach Assetklasse bereits starke Unterschiede (siehe nachfolgend unter 1.). Die Pre-Screening-Phase, die die klassischen Due-Diligence-Arbeitspakete Commercial, Tax, Technical und Legal als vorgelagerte Phase der Investmentprüfung beziehungsweise der Businessplan-Erstellung ergänzt, führt zu einer ersten Bewertung der Immobilie insbesondere aus tech­nischer Sicht, wobei derzeit noch vorwiegend ökolo­gische Kriterien im Vordergrund stehen (siehe nachfolgend unter 2.). Im Rahmen der Due-Diligence-Phase tritt dann die Prüfung des „S“ und des „G“ stärker hinzu (siehe nachfolgend unter 3.); die Prüfungs­ergebnisse finden dann regelmäßig Einzug in den Kauf­vertrag und/oder in das Asset Management (siehe nachfolgend unter 4.).

1. ESG und Assetklassen

Viele innerstädtische Bestandsimmobilien lassen sich zum Beispiel nur schwer und mit extrem hohem finanziellem Aufwand sanieren. Während bei Gewerbe­immobilien, insbesondere bei hohem Leerstand, ein Refurbishment noch wirtschaftlich machbar sein kann (da man mit den verbleibenden Mietern oft Lösungen erzielen kann, die die Umsetzung ermöglichen), wird es bei Wohnimmobilien dagegen nahezu unmöglich sein, die Mieter dazu zu bewegen, auch nur vorübergehend die Wohnungen nicht zu bewohnen, um danach in eine modernisierte Wohnung zurückzukehren, für die man dann auch noch eine höhere Miete zahlen muss.

Demgegenüber gibt es heute nahezu keine neuen Im­mobilienentwicklungen, die nicht wenigstens Mindest­standards an Nachhaltigkeit erfüllen. Das beginnt bereits beim Abbruch der alten Bestandimmobilie und setzt sich über die Auswahl moderner/alternativer Bau­stoffe bis hin zu einer größtmöglichen Energieeffizienz fort.

Es ist absehbar, dass die Nachfrage nach neuen nachhaltigen Immobilen rasant steigen wird, und es bleibt abzuwarten, in welchem Umfang sich der Preisanstieg durch andere Faktoren, wie günstigere Finanzierungen durch Green Bonds et cetera, zumindest teilweise verlangsamen lässt. Daneben dürften in den nächsten Monaten viele Bestandhalter ihre Portfolien um ältere nicht ESG-konforme Objekte bereinigen und diese auf den Markt bringen, solange die institutionelle Käufer­schaft noch nicht vollumfänglich ausschließlich nach ESG-konformen Immobilien schaut. Es bleibt also spannend, wie sich dies auf die Preise der unterschiedlichen Immobilen auswirken wird.

2. ESG in der Pre-Screening-Phase

ESG-Kriterien spielen schon weit vor den ersten An­kaufsschritten eine immer größere Rolle, insbesondere für Investment- und Assetmanager, die ein nachhalti­ges und resilientes Geschäftsmodell anstreben. Denn ESG-Kriterien haben signifikanten Einfluss auf viele wesentliche Parameter des Underwriting-Businessplans: Kaufpreis, CAPEX-Bedarf inklusive Förderungs­mög­lichkeiten der energetischen Modernisie­rungs­maß­nahmen, Finanzierungskonditionen, erzielbare Ver­mietungskonditionen (Miete, Laufzeit, Incentives), Exit-Multiplikatoren, laufende Betriebskosten sowie Managementkosten durch erhöhten ESG-Aufwand für Portfolio-, Asset-, Property- und Facility-Manager und so weiter. Heutzutage werden ESG-Kriterien daher bereits in der Pre-Screening-Phase geprüft (siehe nach­folgend unter 2.1.), wobei insbesondere Fördermöglich­keiten im Fokus stehen (siehe nachfolgend unter 2.2.).

2.1. ESG-Konformität und Risiken der „Stranded Assets“

In der Pre-Screening-Phase geht es im Hinblick auf ESG zum einen darum, ob eine Immobilie oder ein Immobilienportfolio bereits ESG- beziehungsweise EU-Taxonomie-konform ist und zum anderen, ob harte K.O.-Kriterien gegen eine „Manage-to-ESG-Strategie“ vorliegen und die Risiken eines „Stranded Assets“ entsprechend zu hoch sind. Zur Durchführung dieser Prüfung gibt es am Markt noch nicht das eine etablierte Tool. Daher ist es ratsam, Prüfungs- und Entschei­dungskriterien auf verschiedene Tools zu stützen:

  • Für den Immobilienbereich wird zur Prüfung der EU-Taxonomie-Compliance häufig das ESG-Veri­fikationssystem der CPEA herangezogen.
  • Für die Prüfung des „Stranded Assets“-Risikos eignet sich das CRREM Excel Tool (Carbon Risk Real Estate Monitor), das vom „EU Horizon 2020 Research and Innovation Programme“ finanziert und kostenfrei zur Verfügung gestellt wurde2.
  • Viele Investoren wollen zusätzlich zur EU-Taxonomie-Konformität auch ein Nachhaltigkeitszertifikat für ihre Assets haben, um beispielsweise ihre Fondskriterien (z.B. GRESB-Rating) zu erfüllen, um konform mit ihrer Unternehmensstrategie zu sein oder um den höchsten Wiederverkaufswert zu erzielen. Für diese Investoren empfiehlt es sich, weitere Krite­rienkataloge, zum Beispiel die Kriterienkataloge der etablierten Nachhaltigkeitszertifizierungssysteme wie DGNB, BREEAM (für Bestandsimmobilien auch „DGNB Gebäude im Betrieb“ oder „BREEAM In-Use“) mit in die eigene ESG-Due-Diligence aufzunehmen.
  • Silverton hat für Bestandsimmobilien beispiels­weise einen eigenen ESG-Due-Diligence-Kriterienkatalog und ein ESG-Bewertungsmodell aufgebaut, das ausgewählte Kriterien der „EU-Taxonomie“, des „BREEAM In Use“ und der „DGNB Gebäude im Betrieb“ sowie Förderungsmöglichkeiten (z.B. BAFA/ BEG) in einem Tool vereint. Zielsetzung ist es, mit vorhandenen monetären Ressourcen die effektivsten Maßnahmen umzusetzen und ESG-Qualitäten zu maximieren.
2.2. Förderung energetischer Modernisierungsmaßnahmen

Zuletzt ist es unabdingbar, wie bereits kurz dargestellt, in der Pre-Screening-Phase beziehungsweise bei der Erstellung des Underwriting-Businessplans bereits die Förderfähigkeit der ESG- beziehungsweise ener­getischen Modernisie­rungsmaßnahmen zu überprüfen, da diese einen signifikanten Einfluss auf den CAPEX-Bedarf und Kaufpreis haben und dadurch wesentlicher (Miss-)Erfolgsfaktor in einem Bieterverfahren sein könnten.

Um die Relevanz der Förderung zu veranschaulichen: Durch die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) konnten zuletzt je nach erreichter Effizienzhaus-Klasse bis zu circa 50% der Kosten bei Nichtwohn­gebäuden (im Bestand und Erreichung „EH 40“) und bis zu circa 55% der Kosten bei Wohngebäuden (im Bestand und Erreichung „EH 40“) für energetische Sanierungsmaßnahmen gefördert werden – für Neu­bauten waren die Fördersätze jeweils geringer. Zudem gab es auch Fördergelder für die Nachhaltigkeits­zertifizierungen, deren Vorliegen wiederum zu höhe­ren Fördersätzen der energetischen Sanierungs­maß­nahmen geführt haben. Summa summarum konnten unter Berücksichtigung der maximalen Förderung pro Immobilie (am Beispiel Nichtwohngebäude) bis zu 15 Mio. EUR Fördergelder für energetische Sanierungs­maßnahmen beantragt werden.

Zum Zeitpunkt der Verfassung des Artikels befindet sich die BEG in der Schwebe. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass Fördergelder mit stärkerem Fokus auf die CO2-Einsparung wieder durch den Bund bereitgestellt werden.

3. ESG in der Due-Diligence-Phase

Ist die Ankaufsentscheidung für eine Immobilie, ob Bestand oder Neuentwicklung, dann aber getroffen, beginnt die eigentliche Due Diligence. Neben der Er­weiterung des Prüfungsumfangs bei der technischen Due Diligence um ESG-Themen, die im Wesentlichen auf der Überprüfung der Feststellungen und Annahmen aus der Pre-Screening-Phase beruhen, zeigen sich auch Erweiterungen bei der rechtlichen Due Diligence, die zunehmend auch Fachwissen aus Rechtsgebieten erfordern, wie zum Beispiel dem Datenschutz- oder IT-Recht, die bei Immobilientransaktionen bisher nahezu keine Rolle gespielt haben.

3.1. Umweltthemen („Environmental“)

Im Bereich „Enviromental“ ist zunächst die Immobilie selbst beziehungsweise die Detailplanung der Immo­bilienentwicklung auf Basis der Ergebnisse der Pre-Screening-Phase zu betrachten: Wie verläuft das Abfallmanagement? Wie hoch ist der Energie- und Wasserverbrauch? Gibt es grüne Mobilitätsangebote (z.B. Carsharing)? Entspricht das Gebäude neuen gesetzlichen Vorhaben wie zum Beispiel dem Gebäude­energiegesetz oder dem Gebäude-Elektromobilitäts­infrastruktur-Gesetz (GEIG)?

In rechtlicher Sicht könnte es zu einer Verschiebung der Prüfungsschwerpunkte kommen. So könnte beispielsweise die Einhaltung der Schriftform aufgrund aktueller Gesetzgebungsvorhaben als Prüfungsschwerpunkt an Bedeutung verlieren und demgegenüber die Prüfung der Mietverträge auf Einhaltung von „Green-Lease“-Standards deutlich wichtiger werden.

Als Teil der „Green-Lease“-Standards ist auch eine entsprechende Datenerhebung bei den Mietern erforderlich. Gerade im Hinblick auf personenbezogene Daten sind aber die Regelungen des Datenschutzrechts, die eine Erfassung und Verarbeitung teilweise stark beschränken, unbedingt zu beachten. Ein Verstoß kann teilweise nicht unerhebliche Ordnungsgelder zur Folge haben. Vor diesem Hintergrund werden die Regelungen in Mietverträgen, gerade bei Wohnungsmietverträgen, mit zunehmender Integration von Regelungen zur Datenerhebung und -verarbeitung auch vermehrt auf die Einhaltung des Datenschutzrechts zu prüfen sein.

Überdies stellt die zunehmende Digitalisierung der Gebäudetechnik (auch zur Erfassung der Verbrauchs­daten) neue Prüfungspunkte, zum Beispiel hinsichtlich der Lizenzvereinbarungen, dar. Aber nicht nur Themen des Urheberschutzes spielen mit Blick auf die Digi­talisierung eine wichtige Rolle. So ist auch verstärkt das Augenmerk auf die IT-Sicherheit zu legen.

Schon anhand dieser ausgewählten Beispiele lässt sich erahnen, dass auch von rechtlicher Seite zusätzliche Expertise zur Prüfung von ESG-Themen in der Due Diligence zukünftig erforderlich sein wird.

3.2. Soziale Themen („Social“)

Unter „Social“ werden üblicherweise Themen wie Di­ver­sität, Menschenrechte, Verbraucherschutz und Tierschutz gefasst. Auf den ersten Blick scheinen diese Themen nicht einschlägig, wenn es nur um den Grund­stückserwerb geht. Da Immobilieninvestitionen sehr häufig über SPVs erfolgen, dürften Prüfungen zum ESG-Baustein „Social“ in erster Linie die Nutzer in den Fokus rücken. Aber auch bei der Auswahl der externen Berater dürften die vorgenannten Themen, insbesondere Diversität, zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Die Ausgangsfrage ist also: „Wer nutzt das Grundstück?“ So machen einige internationale Städte bereits jetzt einen Neubau davon abhängig, dass eine bestimmte Teilfläche auch der Öffentlichkeit zusteht. Wie sehen die Zugangsregeln zum Grundstück aus? Bestehen etwa Grünflächen/Spielplätze, die auch der Öffentlichkeit zur Nutzung zur Verfügung stehen? Entsprechende Dokumente, etwa Grundstücks- und Hausordnungen, sollten somit Gegenstand der Due Diligence werden.

Wie ist im Übrigen die Mikro-, Meso- und Makrolage des Objekts (auch vor dem Hintergrund der Quartiers­entwicklung) und welche Auswirkungen hat diese auf den Menschen (Naherholung, Verkehrs-/ÖPNV-An­bindung, Parkmöglichkeiten, Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants etc.)? Da dies ein Befund für die Gegen­­wart ist, ist auch abzufragen, ob städtebauliche Pla­nungen (insbesondere zur nachhaltigen Quartiersent­wicklung) bestehen, die das Grundstück betreffen und den Baustein „Social“ gegebenenfalls positiv oder negativ beeinflussen können.

Wichtig sind auch Schlussfolgerungen zum Zugang zur modernen Infrastruktur. In § 20 Abs. 2 WEG kommt die Wertung des Gesetzgebers zum Ausdruck, der ausdrücklich bauliche Maßnahmen am Gemeinschafts­eigentum gegenüber anderen (nicht nur der Erhaltung dienenden) baulichen Veränderungen privilegiert, wenn diese dem Gebrauch durch Menschen mit Behin­de­rungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, dem Einbruchsschutz und dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität dienen. Ob das Wohnobjekt technisch über schnelles Internet und Ladesäulen verfügt, ist somit ein Sach­verhalt, der im Rahmen der Due Diligence zu prüfen ist.

Stärker in den Fokus dürfte auch die Prüfung der Asset-, Property- und Facility-Management-Verträge sowie sonstiger Verträge mit Dritten (einschließlich der Ver­sorger) treten, insbesondere im Hinblick auf Vorgaben zur Umsetzung von ESG-Kriterien im Allgemeinen und der Mieterauswahl im Besonderen. Ist bereits vorgesehen, dass die Hausverwaltung bei der Mieterauswahl nach Faktoren wie Diversität/Vielfalt, Inklusion/Inte­gration, et cetera, vorgeht? Welche Rolle spielen Be­werber aus systemrelevanten Berufen? Nach § 19 Abs. 3 AGG ist bei der Vermietung von Wohnraum eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaf­fung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Ver­hältnisse ausdrücklich zulässig. Bei gewerblichen Mietern bilden Prüfungen mit Blick auf faire Bedingun­gen am Arbeitsplatz und Einhaltung der Arbeitsplatz­sicherheit voraussichtlich weitere Schwerpunkte zum Beispiel für die Arbeitsrechtler, die bisher kaum eine Rolle bei einer Immobilientransaktion gespielt haben, dann aber hinzuzuziehen sind.

Aber nicht nur die Vermietung selbst ist für ESG von Belang. Wichtig ist ebenfalls der Umgang mit den Mietern (auch vergangenen Mietern) während der Laufzeit des Mietvertrags. Es sollten Antworten auf Fragen gefunden werden wie: Wie wurde mit Mietern in der Vergangenheit umgegangen? Gibt es Vorgaben für den Umgang mit Mieterbeschwerden? Welche Mietverhältnisse wurden wie beendet? Der Mietver­trag selbst ist neben „Green-Lease“-Standards im Übrigen auch aus sozialer Sicht zu bewerten. So kann zum Beispiel ein Genehmigungserfordernis für die Vermietung von Wohnungen als Ferienapartments positiv zu bewerten sein.

3.3. Themen der Unternehmensführung („Governance“)

„Governance“ zielt auf den Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung von Unternehmen zum Wohlwollen aller relevanten Anspruchsgruppen ab.

Da die Objektgesellschaften selbst überwiegend als SPVs strukturiert sind, ist zu erwarten, dass das Thema „Governance“ mit Blick auf die jeweiligen Stakeholder und auch eingeschaltete Dritte (z.B Asset- und Proper­tymanager und weitere Berater) an Be­deutung gewinnen wird. Fragen dürften sich stellen, ob es innerhalb der jeweiligen Organisation geeignete Maßnahmen gibt, um zum Beispiel Korruption zu verhindern und Steuerehrlichkeit zu gewährleisten.

Daneben kann dann auch eine Analyse der in der Organisationsstruktur gezahlten Gehälter und der gewährten Nebenleistungen („Benefits“) im Marktver­gleich angezeigt sein. Neben diesen Hard Facts sollte auch die Unternehmenskultur bewertet werden. Die Frage, welche Maßnahmen das Management unternimmt, um die Mitarbeiterzufriedenheit (neben Gehalt und Benefits) zu gewährleisten beziehungsweise zu steigern, sollte aus ESG-Sicht im Rahmen von Management Sessions, eventuell bereits als Teil der Pre-Screening-Phase, gestellt und, wie auch bei den Hard Facts, dem Markt und eigenem Anspruch (des Käufers) gegenübergesellt werden.

Beim Management selbst stellen sich ähnliche Themen. Eine Analyse der Managementstruktur (ggf. Widerspruch zwischen den vereinbarten und den gelebten Zu­stän­digkeiten), der Art und Weise der Zusammenarbeit untereinander und mit den Arbeitnehmern sowie Gehäl­ter und Boni sind hier von zentraler Bedeutung. Die Corporate Governance und die Managementverträge können im Rahmen der Anforderungslisten zukünftig öfter abgefragt werden und Teil der Due Diligence werden.

Schließlich kann auch ein Blick auf die Frage des Umgangs mit Daten innerhalb der Organisationsstruktur geworfen werden. Bei der Bereitstellung solcher Infor­mationen im Rahmen der Due Diligence sind aber die Regelungen des Geschäftsgeheimnisschutzgesetzes zu beachten. Zwar helfen hier Vertraulichkeits­verein­barungen oft weiter, aber diese variieren in ihrer Qualität teilweise gewaltig und sollten zukünftig etwas stärker in den Fokus geraten.

4. Verwertung der ESG-Erkenntnisse aus der Due Diligence

Sofern alle Sachverhaltsfragen im Rahmen der jeweiligen Due Diligence aufgeklärt werden konnten, bestehen die Handlungsempfehlungen üblicherweise darin, (1.) das Risiko in dem Kaufvertrag abzubilden (siehe nachfolgend unter 4.1.) oder (2.) das Risiko nach dem Vollzug des Kaufvertrags käuferseitig (auf eigene Kosten) im Rahmen des laufenden Asset-Managements zu mitigieren beziehungsweise zu beheben (siehe nachfolgend unter 4.2.), wobei beide Ansätze auch mit­einander verbunden werden können.

4.1. Auswirkungen von ESG auf den Kaufvertrag

Eine Berücksichtigung im Kaufvertrag erfolgt derzeit typischerweise noch beim Kaufpreis selbst, je nach Grad der Realisierungswahrscheinlichkeit subsidiär aber auch in Form von Garantien, Freistellungen oder Beschaffenheitsvereinbarungen – im Bereich von Enviromental – im Hinblick auf gewisse energetische Standards beziehungsweise geschuldete Zertifizie­run­gen. Aber neben dem heute bereits bekannten Zertifizierungsthema werden gerade mit Blick auf Themen der zunehmenden Gebäudedigitalisierung und Umsetzung neuartiger Ener­gieeffizienzlösungen auch Fragen zu Nutzungs­rechten vermehrt in die kaufvertraglichen Regelungen Eingang finden.

Auch die Aufnahme von datenschutzrechtlichen Garan­tien in den Kaufvertrag erscheint sehr wahrscheinlich. Schon heute drohen bei Verstößen gegen das Daten­schutzrecht empfindliche Bußgelder. Je mehr Daten innerhalb der Gebäude erfasst und verwertet werden, wird es nicht nur um die Übertragung dieser historischen Nutzungsdaten an den Erwerber gehen, sondern auch darum, dass diese im Einklang mit den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen erfasst worden sind.

Alternativ oder kumulativ kann der Kaufvertrag bestimmte Handlungen zur Risikomitigierung bezie­hungsweise -behebung auch als Bedingung/Voraus­setzung für den Abschluss (Signing Condition, die streng genommen nicht Teil des Kaufvertrags ist) oder den Vollzug (Closing Condition), zum Beispiel Erbrin­gung der Zertifizierung, vorsehen.

4.2. ESG im Assetmanagement

Zur Umsetzung der im Businessplan definierten ESG-Ziele und der Ergebnisse der Due Diligence muss im Rahmen des Asset-Managements für jede Immobilie ein maßgeschneidertes Maßnahmenpaket entwickelt werden. Auch hier ist es ratsam, die Ziele nicht ausschließlich aus Kriterien der (vorwiegend ökologische Schutz­ziele adressierenden) EU-Taxonomie abzuleiten, sondern auch soziale und ökonomische Kriterien und Potenziale fortlaufend anhand der eingangs erwähnten ESG-Kriterienkataloge zu überprüfen.

In ökologischer Hinsicht stehen hierbei der Klimaschutz, die Minimierung des Trinkwasserverbrauchs und die Reduzierung des Abfallaufkommens im Vordergrund.

  • Geeignete Maßnahmen zum Klimaschutz sind zum Beispiel die Senkung der CO2-Emissionen und des Energieverbrauchs, unter anderem durch die Nutzung nachhaltiger Energieträger, oder die Erhöhung des Eigenversorgungsgrads, etwa durch Solarnutzung.
  • Zur Minimierung des Trinkwasserverbrauchs bietet sich ein geschlossener Wasserkreislauf und die Nutzung von Grau- und Regenwasser an.
  • Eine Reduzierung des Abfallaufkommens kann wiederum durch Incentivierung der Nutzer zur Mülltrennung- und Recycling sowie durch das Monitoring von Abfallaufkommen zur Identifikation von Optimierungspotenzialen erreicht werden.

Aber auch eine Beobachtung der soziokulturellen und funktionalen Qualität sollte nicht vernachlässigt werden. So können Innenraumkomfort (technischer Komfort und gute Luftqualität), Nutzerzufriedenheit (Nutzer­kom­munikation, Familienfreundlichkeit, Barrierefreiheit, Aufenthaltsqualität) und grüne Mobilität (Fußgänger und Radverkehr, Förderprogramme für ÖPNV, E-Lade­möglichkeiten für PKW oder Sharing-Angebote) eine tragende Rolle spielen.

Weitere Informationen: Studie, erstellt von The Economist und von Osborne Clarke begleitet: „Sustainable disruption: 12 decarbonising technologies for cities“.

5. Ausblick

Letztendlich werden Umfang und Reichweite der ESG-Maßnahmen nicht nur von der jeweiligen Assetklasse abhängen, sondern auch stark vom Baujahr der Immo­bile. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Implementierung von ESG-Strategien bei der überwiegenden Zahl der Player in der Immobilienwirtschaft bereits Standard ist. Und damit ist es nur eine Frage der Zeit, bis die ESG-Anforderungen im Rahmen der Due Diligence und Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse in den Kauf­vertrag neben den bekannten Themen zu Eigentum, Baurecht und Nutzung eine gleichrangige Position einnehmen werden.

Dieser Fachartikel ist im Original erschienen in der Fachzeitschrift M&A Review

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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