Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer: Reform 2016

Veröffentlicht am 1st Jul 2016

Die große Koalition hat sich nach schier endlosen Diskussionen auf die Einzelheiten der Reform der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer verständigt. Der Entwurf konzentriert sich auf die Regelungen zur Übertragung von Betriebsvermögen; die Systematik der Regel- und der Optionsverschonung sowie der Behaltefristen sollen beibehalten werden. Die gesetzliche Neuregelung bedarf der Zustimmung des Bundesrates; er hatte bereits im Herbst 2015 erklärt, das Ziel einer verfassungsgemäßen Neuregelung der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer zu unterstützen. 

Der Bundesrat hat dem Kompromissvorschlag nicht zugestimmt und den Vermittlungsausschuss angerufen. Dadurch wird sich das Gesetzgebungsverfahren voraussichtlich bis in den Herbst verzögern. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte dem Gesetzgeber aufgegeben, spätestens bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu treffen. Es ist damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber eine Neuregelung beschließen wird, die weitgehend bereits bekannte und eingehend diskutierte Vorschläge umsetzt und diese lediglich bezüglich einiger Einzelaspekte modifiziert. Die Neuregelung dürfte rückwirkend zum 1. Juli 2016 in Kraft treten.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Das BVerfG hatte mit Urteil vom 17. Dezember 2016 festgestellt, dass die Bestimmungen des Erbschaftsteuergesetzes zur steuerlichen Verschonung betrieblichen Vermögens angesichts ihres Ausmaßes und der verbleibenden Gestaltungsmöglichkeiten mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes unvereinbar sind. Es hatte insbesondere eine Privilegierung betrieblichen Vermögens auch für größere Unternehmen ohne eine Bedürfnisprüfung beanstandet. Zudem begünstige die Ausnahme von dem sogenannten Lohnsummenkriterium den Erwerb von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten unverhältnismäßig. Schließlich wurde die sogenannte Verwaltungsvermögensregelung als verfassungswidrig angesehen, weil eine umfassende Verschonung selbst dann gewährt werde, wenn bis zu 50 % Verwaltungsvermögen vorhanden sei.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 6. Juli 2015

Die Bundesregierung hat am 6. Juli 2015 den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorgelegt. Er soll die Systematik des derzeitigen Rechts und tragende Prinzipien der Verschonung betrieblichen Vermögens soweit wie möglich erhalten und Änderungen auf die vom BVerfG beanstandeten Einzelaspekte zu beschränken.

Die Bundesregierung entschied sich damit gegen eine umfassende Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts. Ihr Reformvorschlag konzentriert sich auf die Regelungen zur Übertragung von Betriebsvermögen. Dabei bleiben sowohl die Definition des Betriebsvermögens als auch die Systematik der Regelverschonung (Steuerfreistellung von 85 % des begünstigten betrieblichen Vermögens) und der Optionsverschonung (Steuerfreistellung von 100 % des begünstigten betrieblichen Vermögens) und die Behaltefristen unberührt.

Demgegenüber lässt der Regierungsentwurf das bisherige Konzept des Verwaltungsvermögens fallen und ersetzt es durch eine Unterscheidung zwischen betriebsnotwendigem und nicht betriebsnotwendigem Vermögen. Begünstigungsfähig soll nur noch Betriebsvermögen sein, das dem Hauptzweck der betrieblichen Tätigkeit dient. Dies wird begleitet von einer Bagatellgrenze für geringfügiges nicht betriebsnotwendiges Vermögen und von einer konsolidierten Betrachtung in Unternehmensgruppen.

Das Lohnsummenkriterium will der Regierungsentwurf, wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt, auch auf kleinere Unternehmen anwenden. Lediglich Unternehmen mit bis zu 3 Beschäftigten sind von diesem Erfordernis befreit. Für Unternehmen mit 4 bis 15 Beschäftigten sieht der Entwurf eine gestaffelte Anwendung eines Lohnsummenkriteriums vor.

Ein neues Konzept verfolgt der Regierungsentwurf für die Übertragung größerer betrieblicher Einheiten. Übersteigt der Erwerb begünstigten Vermögens EUR 26 Mio., ist die darauf entfallende Steuer auf Antrag zu erlassen, soweit der Erwerber nachweist, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem verfügbaren Vermögen zu zahlen. Das verfügbare Vermögen umfasst auch die Hälfte des sonstigen Vermögens des Erwerbers.

Die Wertgrenze von EUR 26 Mio. verdoppelt sich auf EUR 52 Mio., wenn der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung recht strenge Begrenzungen für Entnahmen bzw. Ausschüttungen, für Anteilsübertragungen und für die Abfindung bei Ausscheiden aus der Gesellschaft vorsieht, die über einen Zeitraum von 10 Jahren vor und 30 Jahren nach Entstehung der Steuer gewahrt werden. Beantragt der Erwerber keine Verschonungsbedarfsprüfung, kann er nach dem Entwurf einen graduell absinkenden Verschonungsabschlag in Anspruch nehmen, soweit der Erwerb EUR 26 Mio. übersteigt.

Die Stellungnahme des Bundesrates und der Kompromiss der Regierungskoalition

Der Bundesrat hat in einer Stellungnahme vom 25. September 2015 das Ziel der Bundesregierung im Grundsatz unterstützt, jedoch verschiedene Anpassungen vorgeschlagen. In den folgenden Monaten bestand offensichtlich insbesondere innerhalb der großen Koalition Erörterungsbedarf. Die Ende Juni 2016 veröffentlichte Verständigung hält an den Prinzipien des Regierungsentwurfs fest, will aber dem Unternehmenserwerber im Detail weiter entgegenkommen. 

Der wesentliche Inhalt des Kompromisses wurde der Öffentlichkeit in einer gemeinsamen Erklärung von Bundesfinanzminister Schäuble, Bundeswirtschaftsminister Gabriel und Ministerpräsident Seehofer mitgeteilt. Die Koalition beabsichtigt nunmehr, die Betriebsvermögensvergünstigungen bei Unternehmen mit bis zu 5 Beschäftigten unabhängig von einem Lohnsummenkriterium zu gewähren, also den im Regierungsentwurf noch mit 3 Beschäftigten festgelegten Schwellenwert geringfügig zu erhöhen. Der Gesetzesentwurf soll um eine Investitionsklausel ergänzt werden, durch die Mittel aus dem Nachlass, die nach dem vorgefassten Willen des Erblassers innerhalb von 2 Jahren nach seinem Tod für Investitionen in das Unternehmen genutzt werden, in die Begünstigung einbezogen werden.

Anders als im ursprünglichen Entwurf vorgeschlagen, soll der Begriff des Verwaltungsvermögens nicht aufgegeben werden. Das Verwaltungsvermögen soll grundsätzlich im Übertragungsfall nicht steuerlich begünstigt werden, jedoch bleiben 10 % des Verwaltungsvermögens pauschal steuerfrei. Außerdem sind einige Präzisierungen des Begriffs des Verwaltungsvermögens vorgesehen; unter anderem sollen Finanzmittel (Geld- und geldwerte Forderungen) zu 15 % zum begünstigten Vermögen gerechnet werden. 

Ferner ist als Erleichterung für Familienunternehmen geplant, den dort recht verbreiteten Verfügungsbeschränkungen hinsichtlich der Übertragung von Anteilen durch einen Abschlag bei der Bestimmung des Unternehmenswerts von bis zu 30 % Rechnung zu tragen, sofern diese Beschränkungen zwei Jahre vor dem Erb- bzw. Schenkungsfall und 20 Jahre danach bestehen.

Auch bei den Verschonungsregeln für große unternehmerische Vermögen weicht der Kompromiss von dem Regierungsentwurf ab. Die stufenweise Reduzierung des Verschonungsabschlags oberhalb eines Werts von EUR 26 Mio. soll modifiziert, ab einem Erwerb von EUR 90 Mio. soll keine Verschonung gewährt werden. Zur Vermeidung einer Überbewertung unternehmerischen Vermögens soll der im Rahmen des sogenannten vereinfachten Ertragswertverfahrens anzuwendende Kapitalisierungsfaktor abgesenkt werden. Schließlich soll die Möglichkeit einer zinslosen Stundung der Steuer für einen Zeitraum für bis zu 10 Jahren bei Erwerben von Todes wegen ausgebaut werden.

Ausblick

Wir erwarten, dass das Parlament im Lauf des Jahres auf abschließende Reformregelungen verabschieden wird. Die Regierungskoalition hält an dem Vorhaben fest, eine Neuregelung rückwirkend zum 1. Juli 2016 einzuführen. Dies ist nach einer Verlautbarung des Bundesverfassungsgerichts zulässig, obwohl das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Neuregelung bis zum 30. Juni 2016 aufgegeben hatte.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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