Steuerrecht

Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer: Neuregelung rückwirkend in Kraft

Veröffentlicht am 24th Nov 2016

Der Bundesrat hat am 14. Oktober 2016 dem Ergebnis des Vermittlungsverfahrens zur Reform der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer zugestimmt. Das Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 2016 (BGBl. I, S. 2464) ist rückwirkend für Erwerbe ab dem 1. Juli 2016 in Kraft getreten.

Unveränderte Systematik

Die Neuregelung hält an der bekannten Systematik zur steuerlichen Begünstigung unternehmerischen Vermögens fest. Nach Wahl des Erwerbers werden unter bestimmten Voraussetzungen 85 % (sog. Regelverschonung) oder sogar 100 % (sog. Optionsverschonung) des begünstigten Vermögens von der Besteuerung freigestellt.

Neuerungen beim Lohnsummenkriterium

Die Behaltefristen für die Fortführung des Unternehmens betragen nach wie vor fünf Jahre für die Regelverschonung und sieben Jahre für die Optionsverschonung. Das Lohnsummenkriterium gilt nun für Betriebe mit mehr als fünf Beschäftigten, mit größenabhängigen Abstufungen. Sind mehr als 15 Beschäftigte vorhanden, wird die Regelverschonung nur gewährt, wenn die Lohnsumme innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet. Eine Optionsverschonung ist bei Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten nur möglich, wenn die Lohnsumme innerhalb von sieben Jahren nach dem Erwerb insgesamt mindestens 700 % der Ausgangslohnsumme beträgt. Für kleinere Betriebe sind folgende Erleichterungen vorgesehen:

6-10
Beschäftigte
11-15
Beschäftigte
mehr als 15
Beschäftigte

Regelverschonung

Lohnsumme

Lohnsummenfrist

 

250 %

5 Jahre

 

300 %

5 Jahre

 

400 %

5 Jahre

Optionsverschonung

Lohnsumme

Lohnsummenfrist

 

500 %

7 Jahre

 

565 %

7 Jahre

 

700 %

7 Jahre

Verschärfungen beim Verwaltungsvermögen

Eine Verschärfung gegenüber der bisherigen Rechtslage bringt die Reform hinsichtlich des Verwaltungsvermögens mit sich. Bislang stand ein Verwaltungsvermögensanteil von bis zu 50 % der Inanspruchnahme der Betriebsvermögensvergünstigungen nicht entgegen. Nach der gesetzlichen Neufassung ist Verwaltungsvermögen grundsätzlich von der Begünstigung ausgenommen. Lediglich Verwaltungsvermögen im Umfang von bis zu 10 % des Betriebsvermögens wird wie begünstigtes Vermögen behandelt.

Der Katalog des Verwaltungsvermögens wurde erweitert um Gegenstände, die typischerweise der privaten Lebensführung dienen (z.B. Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge). Finanzmittel sind nach Abzug betrieblicher Schulden lediglich bis zu einem Anteil von 15 % des Werts des Betriebsvermögens begünstigt; darüber hinausgehende Finanzmittel gelten als schädliches Verwaltungsvermögen.

Verwaltungsvermögen, das der Deckung von Verpflichtungen zur Altersvorsorge dient, ist nur unter strengen Voraussetzungen begünstigt. Erreicht der Wert des Verwaltungsvermögens mindestens 90 % des gemeinen Werts des begünstigungsfähigen Vermögens, wird eine Begünstigung insgesamt versagt, selbst für den Teil des Vermögens, der an sich einer Begünstigung zugänglich wäre. Die Optionsverschonung kann zudem nur in Anspruch genommen werden, wenn das begünstigungsfähige Vermögen zu höchstens 20 % aus Verwaltungsvermögen besteht.

In mehrstöckigen Unternehmensstrukturen wird das begünstigte Vermögen nach der Neuregelung durch eine konsolidierte Betrachtung ermittelt. Es ist daher nicht mehr möglich, Verwaltungsvermögen in Unternehmensgruppen in der Weise zuzuordnen, dass auf jeder Stufe eine zulässige Verwaltungsvermögensquote gewahrt wird.

Das Gesetz enthält nuneine Investitionsklausel, die nur für Erbfälle und nicht für Schenkungen gilt. Danach werden Vermögensgegenstände nicht dem Verwaltungsvermögen zugeordnet, wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach dem Tod des Erblassers aufgrund eines bereits von diesem vorgefassten Plans für Investitionen in eine originär gewerbliche, freiberufliche oder land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit investiert werden.

Zur Förderung von Familienunternehmen wird ein besonderer Bewertungsabschlag von bis zu 30 % auf das begünstigte Vermögen gewährt, wenn der Gesellschaftsvertrag Entnahmen bzw. Ausschüttungen beschränkt (maximal 37,5 % des Gewinns ohne Berücksichtigung von Steuern), Beteiligungen bzw. Anteile an der Gesellschaft nur im Familienkreis übertragen werden dürfen und die Abfindung bei Ausscheiden aus der Gesellschaft hinter dem gemeinen Wert der Beteiligung bzw. Anteils zurückbleibt. Diese Voraussetzungen müssen bereits seit mindestens zwei Jahren vor der Übertragung vorgelegen haben und über einen Zeitraum von 20 Jahren nach der Übertragung eingehalten werden.

Erwerb von Großvermögen

Wie bereits im ursprünglichen Gesetzesentwurf vorgesehen, hat der Steuerpflichtige beim Erwerb von begünstigtem Vermögen von mehr als EUR 26 Mio. ein Wahlrecht. Bei der Bemessung dieser Prüfschwelle werden alle Erwerbe begünstigten Vermögens durch dieselbe Person innerhalb von zehn Jahren zusammengerechnet. Der Erwerber kann durch eine Verschonungsbedarfsprüfung nachweisen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem verfügbaren Vermögen zu begleichen. Das verfügbare Vermögen schließt 50 % des gemeinen Werts des mit der Erbschaft oder Schenkung übergegangenen nicht begünstigten Vermögens und des beim Erwerber bereits vorhandenen Vermögens ein, soweit dieses nicht begünstigt wäre.

Soweit dem Erwerber dieser Nachweis gelingt, ist die Steuer zu erlassen. Alternativ zu der Verschonungsbedarfsprüfung kann der Erwerber eine stufenweise Reduzierung des Verschonungsabschlags um jeweils einen Prozentpunkt pro zusätzlichen EUR 750.000 über der Prüfschwelle in Anspruch nehmen. Übersteigt das begünstigte Vermögen EUR 90 Mio., entfällt der Verschonungsabschlag.

Unternehmenswertermittlung und Verzinsung

Eine Änderung ergibt sich für die Unternehmenswertermittlung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren. Mit Rücksicht auf die anhaltend niedrigen Marktzinsen wurde der anzuwendende Kapitalisierungsfaktor auf 13,75 festgelegt, verbunden mit einer Ermächtigung an das Bundesministerium der Finanzen, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Anpassungen vorzunehmen.

Die Steuer auf den Erwerb begünstigten Vermögens ist auf Antrag bis zu sieben Jahren zu stunden. Die Stundung erfolgt während des ersten Jahres zinslos, anschließend verzinslich.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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