Digitale-Versorgung-Gesetz: Gesundheits-Apps bald auf Rezept zu haben

Veröffentlicht am 24th Jan 2020

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Der Markt für digitale Gesundheitsanwendungen auf dem Smartphone ist groß: Das Angebot reicht von Apps, die dabei unterstützen, Arzneimittel regelmäßig einzunehmen oder Blutzuckerwerte zu verfolgen bis hin zu Diagnose-Applikationen zur Analyse von Krankheitssymptomen. Nach einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums existierten 2016 bereits zwischen 80.000 und 90.000 Gesundheits-Apps. Inzwischen ist von einer sechsstelligen Zahl auszugehen. Die Kosten hierfür mussten bisher größtenteils von den Nutzern selbst getragen werden. Ab 2020 wird nun der Weg der Gesundheits-Apps in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung geebnet.

Das am 7. November 2019 vom Bundestag verabschiedete „Gesetz für eine bessere Vesorgung durch Digitalisierung und Innovation“ (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG) ermöglicht es künftig Ärzten und Psychotherapeuten in Deutschland – als weltweit erstem Land – medizinische Apps auf Kassenkosten zu verordnen und schafft durch die neuen § 33a und § 139e SGB V einen klaren Regulierungsrahmen für deren Erstattung. Daneben regelt das Gesetz wie diese digitalen Gesundheitsanwendungen auf einem zügigen Zulassungsweg in die Versorgung kommen sollen.

I. Welche Gesundheits-Apps sind künftig erstattungsfähig?

Mit Inkrafttreten des Digitale-Versorgung-Gesetzes haben gesetzlich Krankenversicherte einen ausdrücklichen Anspruch auf Erstattung von Medizinprodukten, deren Hauptzweck in digitalen Gesundheitsanwendungen liegt. Doch Gesundheits-App ist nicht gleich Gesundheits-App: Konkret geht es um Smartphoneanwendungen, die zum Beispiel Diabetiker, Schwangere oder Patienten mit Bluthochdruck im Alltag unterstützen können, wie etwa Erinnerungshilfen bei der Medikamenteneinnahme oder digitale Tagebücher. Auch Anbieter von Apps zur Begleitung einer Psychotherapie können sich um die Zulassung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bewerben.

Zu den nicht von Krankenkassen zu erstattenden Applikationen gehören dagegen Schrittzähler, Kalorienzähler und Work-out-Tracker, da sie keinem medizinischen Zweck dienen und somit als Lifestyle-Produkt zählen.

Die neue Regelung betrifft dabei ausschließlich Angebote, die als Medizinprodukte der Risikoklasse I oder IIa (Niedrigrisikobereich/Nichtärztliche DiGA) verkehrsfähig auf dem Markt sind. Desweiteren müssen die Apps in dem neu zu schaffenden Verzeichnis für erstattungsfähige digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e SGB V aufgeführt sein, nach Durchlauf eines vereinfachten Zulassungsverfahrens.

II. Zulassung der Apps

Damit die Zulassung der digitalen Anwendungen möglichst unbürokratisch und zügig verläuft, wird das Verfahren vornehmlich digital abgewickelt und der Zugang für die Hersteller erleichtert. Die Hersteller müssen sich zunächst beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bewerben. Anschließend prüft das BfArM die Apps auf Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität, Datensicherheit und Datenschutz. Die konkreten Prüfkriterien will das Bundesgesundheitsministerium im ersten Quartal 2020 per Rechtsverordnung festlegen.

Nach dieser ersten Prüfung wird die App ein Jahr lang vorläufig von der gesetzlichen Krankenversicherung zum Herstellerpreis erstattet. In dieser 12-monatigen Erprobungsphase müssen die Anbieter beim BfArM nachweisen, dass die App einen medizinischen Nutzen besitzt und die Gesundheitsversorgung für die Patienten relevant verbessert. Wird die Anwendung nach dieser zweiten Prüfung dauerhaft in die Versorgung aufgenommen, handelt der Hersteller mit dem GKV-Spitzenverband den Preis ab dem zweiten Jahr aus. Fällt das Zulassungsverfahren für eine App negativ aus, so besteht nach der neuen Gesetzlage keinerlei Erstattungsmöglichkeit mehr, auch nicht über individuelle Verträge mit den Krankenkassen.

III. Haftungsfragen

Selbst nach Durchlaufen des Prüfverfahrens auf Sicherheit, Funktionstauglichkeit und Qualität durch das BfArM ist es nie ganz auszuschließen, dass es vereinzelt zur Ausgabe fehlerhafter Werte oder sonstiger Fehlfunktionen der Gesundheits-Apps kommt. Medizin via App wirft daher zahlreiche Haftungsfragen auf.

1. Haftung des verschreibenden Arztes

Für den verschreibenden Arzt kommt grundsätzlich eine Haftung aus dem mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrages nach § 280 I i.V.m. §§ 630a ff. BGB sowie aus Deliktsrecht gem. § 823 I und II BGB in Betracht. Im Rahmen des Behandlungsvertrages schuldet der Arzt den sogenannten „Facharztstandard“. Wählt der Arzt die Anwendung einer neuen und noch nicht allgemein eingeführten Methode mit noch nicht abschließend geklärten Risiken, so hat er den Patienten umfassend aufzuklären.

Allerdings wird dem Arzt bei nicht vorhersehbaren Fehlfunktionen der App mit negativen Gesundheitsauswirkungen auf den Patienten nur selten ein Verschuldensvorwurf zu machen sein, soweit er das betreffende Risiko nicht kannte bzw. kennen musste. Desweiteren liegt im Bereich der vertraglichen Arzthaftung gemäß §§ 630a ff. BGB die Beweislast im Hinblick auf den Kausalitätszusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem vom Patienten erlittenen Gesundheitsschaden grundsätzlich beim Patienten.

2. Haftung des App-Herstellers

Bezüglich des Herstellers kommt eine Haftung nach Vertrags- und Deliktsrecht in Betracht. Gemäß § 4 MPG sind beim Inverkehrbringen von Medizinprodukten aufgrund des Risikopotentials strenge Sicherheitsanforderungen zum Schutz von Patienten zu beachten. Im Falle einer fehlerhaften Anwendung der App durch den Patienten selbst kommt außerdem eine Haftung des Herstellers wegen Verletzung seiner Instruktionspflichten in Betracht.

Bislang umstritten ist die Frage, ob der Anwendungsbereich des Produkthaftungsrechts eröffnet ist, da eine App als geistige Leistung kein körperlicher Gegenstand und mithin wohl auch kein Produkt i.S.d. § 2 ProdHaftG sei. Die zukünftige Entwicklung in der europäischen Gesetzgebung zur Produkt- und Produzentenhaftung bleibt insofern abzuwarten.

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* Dieser Artikel entspricht dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung und spiegelt nicht notwendigerweise den aktuellen Stand des Gesetzes / der Regulatorik wider.

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