Die Zeit läuft - regelmäßige anlasslose Auskunftspflicht von Unternehmen gegenüber den Urhebern ihrer Werke gilt seit 7. Juni 2022
Veröffentlicht am 15th Jun 2022
Vor einem Jahr, am 7. Juni 2021, ist in Deutschland in Umsetzung von Art. 19 der DSM-Richtlinie („Transparenzpflicht“) ein neuer § 32d UrhG in Kraft getreten. Die Vorschrift schreibt nunmehr eine jährliche Auskunftspflicht für die Vertragspartner von Urhebern vor. Anlasslos, also ohne gesonderte Aufforderung, müssen den Urhebern jährlich Informationen über die Nutzung ihrer Werke erteilt werden. Dieses Jahresintervall geht nun erstmals zu Ende, so dass betroffene Unternehmen jetzt erstmals Auskünfte erteilen müssen.
Anlasslose jährliche Auskunftspflicht an Urheber, Möglichkeit der Verbandsklage
Waren Vertragspartner von Urhebern nach früherer Rechtslage nur auf Aufforderung verpflichtet, Auskunft über die Nutzung der vom Urheber erstellten Werke zu erteilen, also nur dann, wenn sich tatsächlich ein einzelner Urheber diesbezüglich an seinen Vertragspartner gewandt hatte, ist dies nun grundlegend anders: Im Ausgangspunkt müssen Vertragspartner allen ihren unter die neue Auskunftspflicht fallenden Urhebern jährlich von sich aus Auskunft über sämtliche erfassten Nutzungshandlungen erteilen. Tun sie dies nicht, besteht neben einer Klage eines einzelnen Urhebers gem. § 36d UrhG auch die Möglichkeit, dass Urhebervereinigungen eine Verbandsklage gegen ein Unternehmen richten, um die Auskunft für alle Auskunftsberechtigten zu erzwingen.
Branchenübergreifende Verbindlichkeit: Alle Unternehmen, die mit Urhebern zusammenarbeiten, sind von der Auskunftspflicht erfasst
Für die Praxis hat die neue Auskunftspflicht und ihr Durchsetzungsmittel weitreichende Folgen und kann zu immensem Verwaltungsaufwand führen. Dies ist bei weitem nicht nur in den klassischen Medien wie Verlagen und Rundfunkunternehmen der Fall, sondern auch bei allen anderen Unternehmen, die urheberrechtlich geschützte Werke nutzen. Hierzu gehören beispielsweise jegliche Publisher im weitesten Sinne, Games-Hersteller, Werbeagenturen und (Web-)Designstudios, aber ggf. auch Architekturbüros ebenso wie Organisationen, die speziell direkt für sie erstellte PR- oder Lehrmaterialien nutzen. Zudem erfasst die Pflicht zur Auskunft im Ausgangspunkt sämtliche Nutzungen der betroffenen Werke, sei es durch das Unternehmen selbst, sei es durch Lizenzvergaben o.ä. Der Gesetzgeber ist im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen worden, dass diese Auskunftspflicht für Unternehmen zu hohen Kosten führen kann. So äußerte etwa der Nationale Normenkontrollrat, dass es angesichts der „branchenübergreifenden Verbindlichkeit der neuen Vorgaben“ Anhaltspunkte dafür gebe, „dass allein die neuen Auskunfts- und Rechenschaftspflichten in einzelnen Unternehmen einmalige Kosten in niedriger zweistelliger und laufende Kosten in einstelliger Millionenhöhe hervorrufen können“.
Nichtsdestotrotz ist die Auskunftspflicht Gesetz geworden. Die Auskunftsverpflichteten – also potenziell alle Unternehmen, die (auch) mit urheberrechtlich geschützten Werken arbeiten – müssen deshalb spätestens jetzt die Auswirkungen auf ihre Zusammenarbeit mit Urhebern prüfen.
Prüfung der Auswirkungen für Unternehmen anhand von drei Grundfragen
Orientierungshilfe bei der Ermittlung der Auswirkungen der Auskunftspflicht auf das eigene Unternehmen können dabei die drei nachfolgenden „Grundfragen“ geben:
1. Von welchen Vertragspartnern nutzt das Unternehmen urheberrechtlich geschützte Werke und fallen diese alle unter die Auskunftspflicht?
Anhand dieser Frage kann der Kreis derjenigen Personen ermittelt werden, die überhaupt als Auskunftsberechtigte in Betracht kommen können. Dieser Kreis kann, je nach Unternehmensgegenstand, einige wenige bis etliche tausend Urheber umfassen.
Möglicherweise können aber bereits hier einige Gruppen von Urhebern aus dem Kreis herausgenommen werden, für die eine Auskunftsberechtigung von vornherein ausscheidet:
- Hier ist insbesondere an Arbeitnehmer-Urheber zu denken, für die die Auskunftspflicht (wohl) nicht gilt.
- Des Weiteren ist an alle Schöpfer von Computerprogrammen zu denken, die von § 32d UrhG ausdrücklich nicht erfasst werden (§ 69a Abs. 5 UrhG).
- Gibt es in der Lizenzkette zum Urheber einen zwischengeschalteten Vertragspartner, sodass das Unternehmen den Vertrag nicht direkt mit dem Urheber geschlossen hat, ist (wie bisher) nur auf Verlangen des Urhebers (§ 32e UrhG) Auskunft zu erteilen, und § 32d UrhG findet keine Anwendung.
Gegenüber allen sonstigen Urhebern ist aber im Prinzip zunächst von einer Auskunftspflicht auszugehen.
2. Welches Ausmaß haben die urheberrechtlich geschützten Werke jeweils für das Produkt und die Einnahmen des Unternehmens?
Als nächstes sollte diese Frage für den verbleibenden Kreis der Urheber intern geprüft werden. Hintergrund dafür sind die Ausschlussgründe, die einer Auskunftspflicht entgegenstehen, § 32d Abs. 2 UrhG.
Nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG gilt die Pflicht zur anlasslosen Auskunft grundsätzlich nicht, „soweit der Urheber einen lediglich nachrangigen Beitrag zu einem Werk, einem Produkt oder einer Dienstleistung erbracht hat“. Nachrangigkeit soll insbesondere dann vorliegen, wenn der Beitrag „den Gesamteindruck eines Werkes oder die Beschaffenheit eines Produktes oder einer Dienstleistung wenig prägt, etwa weil er nicht zum typischen Inhalt eines Werkes, eines Produktes oder einer Dienstleistung gehört“. Auf diese Weise wollte der Gesetzgeber der Auskunftspflicht zumindest gewisse Grenzen setzen. Die Frage, ob eine solche „Nachrangigkeit“ gegeben ist, wird dabei stark von den jeweiligen Produkten oder Dienstleistungen des Unternehmens abhängen.
Ähnliches gilt für den zweiten Ausschlussgrund gem. § 32d Abs. 2 Nr. 2 UrhG: Danach sollen auch solche Auskünfte ausgeschlossen sein, bei denen „der Aufwand für die Auskunft außer Verhältnis zu den Einnahmen aus der Werknutzung stünde“, also unverhältnismäßig wäre.
Die beiden Ausschlussgründe zeigen, dass auch der Gesetzgeber in gewissem Umfang erkannt hat, dass der Aufwand für Auskünfte nicht völlig „aus dem Ruder laufen darf“. Unternehmen sollten von vornherein prüfen, inwieweit zumindest ein teilweiser Ausschluss der Auskunft wegen Unverhältnismäßigkeit in Betracht kommt, sei es, weil die Einnahmen aus der Werknutzung zu gering sind, sei es, weil die Beiträge nachrangig sind. Dabei ist zu beachten, dass aus der Formulierung „soweit“ in § 32 Abs. 2 UrhG hervorgeht, dass eine Auskunft auch nur teilweise ausgeschlossen sein kann. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der außerhalb dieser Ausnahmen anfallende Mehraufwand für die Vorbereitung und Erteilung der Auskunft vom Gesetzgeber ausdrücklich in Kauf genommen wurde, um die Urheber mit regelmäßigen Informationen über die Nutzung ihrer Werke zu versorgen.
3. Welche Informationen zur Nutzung der urheberrechtlich geschützten Werke liegen im Unternehmen vor?
In einem dritten Schritt stellt sich dann die Frage, welche Auskünfte den Auskunftsberechtigten zu erteilen sind. Nach § 32d Abs. 1 S. 2 UrhG soll die Auskunft „auf der Grundlage der Informationen, die im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes üblicherweise vorhanden sind“, erfolgen. Auch dies soll den Vertragspartner des Urhebers vor einer übermäßigen Belastung durch die Auskunftspflicht bewahren. Mit der Formulierung „üblicherweise“ lässt der Gesetzgeber erkennen, dass dabei Branchenspezifika zu berücksichtigen sind. Der Auskunftsverpflichtete soll nicht verpflichtet werden, Informationen über die Nutzung zu ermitteln, die er für seinen Geschäftsbetrieb an sich gar nicht bräuchte. Es kann deshalb darauf ankommen, anhand welcher Kennzahlen eine konkrete Branche die Nutzung „üblicherweise“ misst (etwa Zugriffszahlen, Bestellmengen oder andere Kenngrößen).
Insofern bleibt dem auskunftsverpflichteten Unternehmen möglicherweise ein gewisser Spielraum und die Möglichkeit, für eine Auskunft auf vorhandene Datensätze und Zahlensammlungen sowie die dazugehörigen Export-Funktionen zurückzugreifen.
Die Zeit läuft - warum gerade jetzt gehandelt werden muss
Vorstehendes zeigt: Das „Ungetüm“ der anlasslosen Auskunftspflicht des § 32d UrhG lässt sich handhabbar machen. Es ergibt deshalb Sinn, proaktiv einen Ansatz zu suchen, der einen ausufernden Verwaltungsaufwand verhindert. Gleichwohl tickt die Uhr.
Denn zum einen läuft bei allen ab dem 7. Juni 2021 neu geschlossenen Urheberrechtsverträgen derzeit das erste Jahresintervall der jährlichen Auskunftspflicht. Hier werden deshalb Auskünfte ab jetzt fällig.
Und zum anderen hat der Gesetzgeber zwar für Altverträge, die vor dem 7. Juni 2021 geschlossen wurden, eine Übergangsvorschrift geschaffen, § 133 Abs. 3 UrhG. Aber auch bei diesen Verträgen sollten alle relevanten Werknutzungen schon ab jetzt fortlaufend dokumentiert werden, damit spätestens am 7. Juni 2023 die dann fälligen Auskünfte erteilt werden können.